63. Abendstern

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Míriel pov.

Zwei Tage waren wir schon unterwegs, doch laut den Spähern Theodens würden wir noch am heutigen Nachmittag die Hornburg erreichen, in der sich anscheinend schon etliche andere geflüchtete Menschen aus Rohan befanden.

Damit auch jetzt nichts mehr schiefgehen konnte, hatten Legolas und ich Arod für eine Weile an Gimli übergeben und waren einige Meter nach vorn gelaufen. Dem Tross der geschwächten Menschen vorlaufend, überwachten wir die Gegend auf jegliche Gefahren. Wobei mir vor allem meine besonders geschärften Sinne eine große Hilfe waren. Hier duftete immerhin das Gras saftiger, war grüner und damit gesünder, der kalte Wind pfiff einem erfrischend um die Ohren und nicht allzu weit weg, ging es eine Klippe hinunter. Unten konnte man deutlich einen reißenden Fluss rauschen hören.

„Ist alles in Ordnung?" Riss die Stimme von Legolas mich aus meinen Gedanken. Seufzend wandte ich meinen Blick von der hügligen Umgebung auf Legolas. Die Eisblauen Augen des Elben funkelten mich besorgt an, was mich dazu verleitete ihm aufmunternd zuzulächeln. Jedoch war es schwach und Legolas' Gesichtsausdruck nach zu urteilen, erfüllte es auch keinesfalls seinen Zweck.

„Ich frage mich, wie wir diesen Krieg gewinnen sollen." Gestand ich dem Elben, an den ich mein Herz so unsterblich verloren hatte ehrlich. Noch ehe ich es realisieren konnte, war er bei mir und schloss mich liebevoll in seine starken Arme. Es dauerte keinen Herzschlag da umgab mich schon eine wohltuende Wärme, die mir mehr Sicherheit schenkte als es tausende bewaffnete Soldaten je könnten. Wohltuend aufseufzend lehnte ich mich gegen die muskulöse Brust des Elben und ließ mich für einen Moment vollkommen fallen. Gönnte mir einen einzigen Moment ruhe.

„Ich verspreche dir wird nichts geschehen." Flüsterte der Elb mir leise gegen die Haare. Ich merkte, wie mein Auge anfingen zu brennen, tat jedoch alles dafür es schnell zu verdrängen. Denn so verletzlich würde ich mich den immer näherkommenden Menschen auf keinen Fall präsentieren. „Ich will nur das dir nichts passiert!" Rief ich dem Elben mit einem unterdrückten Schniefen in Erinnerung. „Versprochen!" Murmelte er eilig und hauchte mir einen Kuss auf den Kopf. Schwer schluckte ich, doch der Kloß in meinem Hals wollte deswegen nicht kleiner werden. Trotzdem unterließ ich es, Legolas zu sagen das er mir nichts versprechen sollte, was er nicht halten konnte. Ich sagte ihm nicht, dass er mir keine Hoffnung machen sollte, wo kaum eine war. Denn wie sollten wir mit diesen kränklich, ängstlichen, unausgebildeten Menschen einen Krieg gewinnen, wenn es so weit kam und der Feind an die Tore der Hornburg klopfte?

Wie lange wir noch so verweilten und ich Legolas Herzschlag lauschte, während ich seinen herrlichen Duft nach Wald beinahe inhalierte wusste ich nicht. Doch unsere Zweisamkeit wurde gestört, als plötzlich ein anderer Geruch sich in meine Nase schlich und meine Ohren ein Geräusch vernahmen, dass keinesfalls da sein sollte.

Ruckartig löste ich mich von Legolas, der nur mit besorgter Miene auf mich hinabsah und die Stirn runzelte.

„Hörst du das?" Fragte ich den Elben panisch, während ich meinen Blick über unsere Umgebung schweifen ließ. Doch noch versperrten mir etliche Hügel die Sicht auf den Feind. Der aber definitiv da war. Der beißende Gestank der Orks und das laute Knurren der Warge ließ mich die Nase verziehen und meinen Bogen hervorziehen, in dessen Sehne ich sofort einen Pfeil einspannte und nach geradeaus zielte. Der kahle, schwarze Kopf des Orks erschien zuerst über der Hügelkuppe. Und noch bevor ich den hässlichen Warg sah auf dem er ritt, ließ ich meine Sehne los und ließ den Pfeil los. Zischend flog er durch die Luft und traf auch sofort sein Ziel. Mit einem Pfeil in der Stirn und einem letzten Röcheln kippte der erste unserer Feinde von seinem Reittier und war tot. Doch ich konnte hören, riechen und spüren das weitere kamen und wir uns wohl oder übel schon jetzt einer Schlacht stellen mussten.

Hinter uns waren auch Theodens Reiter auf unseren Feind aufmerksam geworden.

Hörner wurden geblasen, Befehle gebrüllt und wiehernden Pferden wurden die Sporen in die Flanken gedrückt, damit sie ihre kampferfahrenen Reiter in die Schlacht trugen. In der sie alle bereit waren zu sterben, um jene zu retten die sie liebten. Um ihr Land zu verteidigen. Und nach dem ich ein letztes Mal zu Legolas blickte, der schon erbarmungslos einen Pfeil nach dem anderen abschoss, zog auch ich den nächsten Pfeil, spannte die Sehne.

Atmete tief durch, kniff die Augen zusammen, spürte wie mein Herzschlag sich wieder und wieder beschleunigte, dann ließ ich los, traf und tötete.

Und diese Prozedur wiederholte sich zig Mal. Schon bald war es ein einziges Gemetzel und unter herumrennenden Wargen, Leichen, galoppierenden Pferden und brüllenden Kriegern hatte ich schon bald jeglichen Überblick und jedes Zeitgefühl verloren. Mir rauschte das Blut in den Ohren, während ich einem Warg einen Pfeil in den Kopf schoss, der ihn winselnd zu Boden gehen ließ, bevor er starb. Immer wieder nutzte ich jeden freien Atemzug um mich nach Legolas, oder wenigstens einem anderen meiner Gefährten umzusehen, doch ich entdeckte keinen.

Als endlich das Horn geblasen wurde, dass die Schlacht für beendet erklärte und alle Feinde für tot, spürte ich schon meine Arme nicht mehr. Schwarzes Blut besudelte meine Kleidung und ich bildete mir beinahe ein, dass die Narbe, die mir mein zweites Auge genommen hatte, schon wieder brannte. Auch wenn ich wusste, dass es vollkommen irrsinnig war. Doch die Einbildung eines brennenden Schmerzes begleitete mich schon seit sechzig Jahren bei jedem Kampf.

Mich ruckartig um mich selbst drehend suchte ich meine Gefährten.

Beinahe hätte ich vor Erleichterung angefangen zu weinen, als ich Legolas Platinblonden Haarschopf nicht allzu weit entfernt ausmachen konnte. Auch Gimli stand neben dem Elben und schien wohlauf zu sein. So schnell ich konnte joggte ich los. Vorbei an etlichen Leichen, hinweg über Pfützen aus rotem und schwarzem Blut und direkt in Legolas Arme. Der mich so fest an sich drückte, als wäre ich der Rettungsanker der ihn vor dem Ertrinken bewahrte. Ebenso innig schloss ich meine Arme um ihn. Ich spürte schon, wie vollkommene Erleichterung mich durchströmte, bis ich plötzlich realisierte wie heftig Legolas' muskulöser Körper in meinen Armen zitterte.

Nur ein kleines Stück löste ich mich von ihm, um ihn mit fragender Miene anzusehen.

„Was ist passiert?"

„Aragorn – er ist ..." Legolas Stimme brach und in seine Eisblauen Augen trat so viel Trauer, dass ich auch ohne Worte verstand, was er mir sagen wollte. Jetzt liefen mir wirklich brennend heiße Tränen über die Wange und ich merkte, wie heftig meine Unterlippe zitterte, während sich eine eisige Kälte in meinem inneren ausbreitete, je mehr mir bewusst wurde das einer unserer besten und langjährigen Freunde gestorben war. Wir ihn nie wieder sehen würden! Eilig zog Legolas mich wieder in seine Arme und nun ließ ich es zu, dass wir zusammen trauerten. Das andere sehen konnten wie verletzlich auch wir unsterblichen Wesen sein konnten.

Wolfsmädchen || LegolasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt