12 Die fremde Kutsche

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Damals, Patrick

«Was brauchst du denn so lange?», rief sie mir zu.
Lachend breitete sie die Arme aus und liess sich rittlings ins Wasser fallen.
Ich hob die Hand vor das Gesicht, um mich vor den kalten Wassertropfen zu schützen.
Während ich ausgiebig mit den Augen rollte, streifte ich mein Hemd über den Kopf.
Langsam watete ich in den Fluss hinein, die Strömung zerrte an meinen Beinen.
Die Kälte des Wassers schloss sich um meinen Körper und raubte mir den Atem.

Mit kräftigen Zügen schwamm ich in die Mitte des Flusses, darauf bedacht nur für kurze Zeit die Füsse vom steinigen Grund zu lösen.
«Bis du im Wasser bist, habe ich schon fertig gebadet!», rief Marian über das Rauschen des Flusses.
Ich kniff angriffslustig die Brauen zusammen, doch Marian kicherte bloss. Ihre Haare breiteten sich auf der Wasseroberfläche wie eine rote Sonne um ihren Kopf aus.

Ich schwamm an ihr vorbei, nicht ohne sie mit Wasser zu bespritzen.
«He!», rief sie empört aus, sie setzte mir nach, doch ich war zu schnell.
Mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht drehte ich mich zu ihr um.
«Oh, entschuldige, Miss Lionsheart», flötete ich. «Ich habe Sie gar nicht gesehen.»
Marian streckte mir ihre rosa Zungenspitze heraus, woraufhin ich leise lachte.

Ein Schatten zeichnete sich über meiner Gestalt ab und ich legte den Kopf in den Nacken. Über mir ragte ein steinerner Turm in die Höhe, so weit, dass ich die Spitze kaum erkennen konnte.
Neugierig musterte ich die dunklen Mauern. «Was ist da oben?»
«Der hohe Turm», antwortete Marian mit einem Schulterzucken.
«Aha», machte ich und verzog feixend mein Gesicht. «In der Namensgebung ist deine Familie nicht gerade kreativ, was?»

Marian prustete amüsiert durch die Nase.
«Wie wäre es mit Turm der Verdammnis?», schlug ich vor.
Sie zog die roten Brauen in die Höhe, in denen sich winzige Wassertropfen verfangen hatten. «Wir essen dort.»
Ich zuckte mit den Schultern und unterdrückte ein Grinsen. «Dann eben Turm der runden Bäuche.»
Marian lachte, ihre Stimme klang hell und ihre Augen begannen dabei zu leuchten.
Ihr Anblick erzeugte ein ungewohntes, warmes Gefühl in meiner Brust.

Sie sah irgendwie anders aus als sonst. Die Kälte des Wassers hatte eine pinke Röte auf ihrer sonst so blassen Haut hinterlassen.
Ich wollte, dass sie weiterlachte.
Voller Übermut schwamm ich zu den Mauern des Turms hinüber und zog mich an den Steinen in die Höhe.
Dichtes Moos kitzelte meine Fingerspitzen, die Schwerkraft griff träge nach meinem Körper.

«Pat!», rief Marian erschrocken aus. «Das Wasser ist da viel zu tief!»
«Ach was», erwiderte ich und warf ihr einen Blick über die Schulter zu.
Zögerlich erwiderte sie mein Lächeln, doch sie verschränkte die Arme vor der Brust und runzelte die sommersprossige Stirn. Tropfen bedeckten ihre Wangen, glitzerten im Sonnenlicht und Wasser rann aus ihren roten Haaren.
Ich musste sie einfach nochmal ansehen, es ging nicht anders.

Und genau in diesem Moment verlor ich den Halt.
Ich griff nach den Steinen, doch meine Finger glitten über das glitschige Moos.
Marians Aufschrei im Ohr fiel ich in die Tiefe und tauchte unter.
Wie Pfeilspitzen stach die Kälte in meine Haut, als mich das Wasser komplett umschloss.
Verzweifelt versuchte ich mit meinen Zehen den Grund zu ertasten, doch die Strömung des Flusses erfasste mich.

Ich wurde hin und her geschleudert, mit der Schulter schrammte ich an der Mauer der Burg vorbei, ohne mich daran festhalten zu können.
Mit einem stillen Schrei entwich die Luft aus meinen Lungen.
Die kalten Wassermassen zerrten erbarmungslos an meinem Körper, jedes Mal, wenn ich beinahe die glitzernde Oberfläche erreicht hatte, drückten sie mich erneut in die Tiefe.
Meine Lungen brannten, sie brannten so sehr, wie wenn ich den Schmiederauch zu tief einatmete. Schwarze Punkte tanzten über mein Blickfeld, das Wirbeln des Wassers verschwamm zu unklarem Blau.

Marian und ein Dieb namens RobinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt