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Sie lief wieder hinunter zu den trainierenden Novizen. Dort lehnte sie sich im Schatten an eine Wand und beobachtete die jungen Assassinen mit verschränkten Armen. Hoffentlich fand Altaïr eine beruhigende Lösung. Sie schloss eine Weile die Augen und genoss die allgemeinen Geräusche und die warme Luft. "Nicht einschlafen, ja?", erklang eine verschmitzte Stimme neben ihr. Sie öffnete die Augen und blickte in die Richtung, aus der die Worte gekommen waren. "Gut angeschlichen", lobte Nivin den Jungen, der gleichzeitig mit ihr vom Novizen zum Assassinen geworden war. Sie hatten oft miteinander trainiert. "War auch nicht sehr schwierig", bemängelte der Assassine und grinste dann breit. Nivin seufzte und sah wieder nach vorn. "Hast du nichts zutun, Tariq?", fragte Nivin nach und Hoffnung ließ ihre Augen leuchten. Er verzog das Gesicht. "Der Meister hat mich ins Dorf geschickt, um ihm neue Tinte zu kaufen", murmelte er missmutig und ließ die Schultern hängen. Seine Montur war ebenfalls weiß und luftig, doch statt rot war sein Gürtel schwarz. "Darf ich dich dann begleiten?" Nivin lächelte bittend und nachdem Tariq grinsend die Augen verdreht hatte, hatte er zugestimmt. So liefen sie nun den steilen Abhang nach unten auf das Dorf zu. "Wie ist deine Mission gelaufen?", begann Tariq ein Gespräch. Er trug seine Kapuze, wie es normal war. "Ganz gut. Die Templer waren feige Hunde. Sie sind hilflos in der Mitte der Scheune herumgestanden. Scheint so, als würden sie neuerdings Amateure schicken..." Der Assassine nickte nachdenklich. Der Weg wurde langsam aber sicher flacher. "Was ist hier so passiert, während ich weg war?", fragte nun Nivin und sah zum Dorf hinunter. Immerhin war sie gut eine Woche weg gewesen. Tariq legte den Kopf schief. "Wir haben nichts mehr von Abbas gehört. Entweder er ist tot, abgehauen oder... Er plant etwas." Er bedachte die Assassine mit einem kurzen, warnenden Blick. "Und du glaubst Letzteres?", hakte sie nach und warf einen stirnrunzelnden Blick in den Schatten unter seiner Kapuze. Tariq nickte. "Ich kann ihm nichts anderes zutrauen. Er ist weder unfähig noch feige." Das klang auch in Nivins Ohren logisch. Hoffentlich war sein Plan nichts gegen die Festung. Als sie den Rand des Dorfes erreichten blieb Tariq stehen und sah zurück zur Festung. "Wieso kann er seine Tinte nicht selbst kaufen?", knurrte er und sah sich um. "Oder einen Novizen schicken?" Nivin lachte in sich hinein. Der Assassine hielt nichts von Tinte und Pergament. Er kämpfte lieber, oder wettete mit seinen Brüdern. "Komm, ich zeig dir, wo der Laden ist", schlug sie mit amüsierter Stimme vor und lief los. An seinen Schritten stellte sie fest, dass er ihr folgte. "Du bist genauso schlimm wie er", kommentierte er ihr Wissen mit einem frechen Grinsen und war heilfroh, als er die Tinte erfolgreich gekauft hatte. "Dann schlag mich doch mal als Großmeister vor", erwiderte Nivin lachend und lief mit ihm durch's Dorf. "Hättest du wohl gern." Sie liefen noch eine Weile in den Gassen umher, auf der Suche nach einer Beschäftigung. Letztendlich trafen sie auf Laith, drückten ihm die Tintenfässer in die Hand und gaben ihm die Aufage, Altaïr seine Tinte zu bringen. Der tat das, ohne Fragen zu stellen, sodass Nivin und Tariq ein Wettrennen hinauf zum Kirchturm machten und am Ende oben auf dem Turmdach saßen und ihre Beine baumeln ließen. "Ich glaube ja, dass er sich damit beim Meister einschleimen will", argumentierte der Assassine und grinste breit. Nivin setzte die Kapuze ab damit der angenehme Wind in ihr Gesicht wehen konnte. "Wenn du meinst", erwiderte sie nur und sah hinunter zum Marktplatz, auf dem gerade viel los war. "Ist heute Markt?", fragte sie stirnrunzelnd. Tariq überlegte kurz und verneinte dann. Jetzt warf auch er einen misstrauischen Blick auf die Menschenansammlung. "Was ist da dann?" Tariq lächelte finster. "Das frage ich mich auch. Lass uns nachschauen." Er stand auf, atmete kurz tief durch. Dann breitete er die Arme aus und sprang. Jeder normale Mensch hätte aufgeschrien und ihm nachgeschaut - doch als Assassine wusste Nivin, dass er sicher landen würde. Sobald sie das leise Geräusch vernahm, dass das Stroh machte, wenn er darin landete, stand sie ebenfalls auf und sah hinunter. Wieviele Meter das wohl waren? Nun breitete auch sie die Arme aus, atmete tief durch und stieß sich dann vom Turmdach ab. Die Luft umwirbelte sie und sie fühlte sich wie immer, wenn sie sprang. Frei und als könnte sie fliegen. Nach einem geübten Salto landete sie weich im Strohwagen und kletterte sofort hinaus. Tariq wartete bereits an der Gasse auf sie, die zum Marktplatz führte. Nivin setzte ihre Kapuze wieder auf. Dann rannten beide durch die Gasse, sodass ihre Kleidung flatterte. Schon von Weitem hörte man die Worte einer männlichen Stimme durch die Gasse hallen. Der Wind trug sie weit, doch noch verstanden sie nichts in diesen Sätzen. Sie liefen weiter, am Ende der Gasse wurden sie langsamer. Automatisch blieben sie im Schatten und liefen am Rand des Platzes entlang auf die Menschenmasse zu. "... ihr werdet schon noch sehen! Die Assassinen werden euer Tod sein! Ihr habt die Chance, uns beizutreten. Tut ihr das nicht - werdet ihr sterben!", rief der Redner gerade mit von sich überzeugter Stimme. Nivin runzelte die Stirn. Da versuchte wohl jemand, die Dorfbewohner gegen die Assassinen aufzuwiegeln und zu rekrutieren... Wer das wohl war? Unauffällig aber doch energisch verschafften sich die beiden Assassinen mit gezielten Stößen mit Ellenbogen und Hand einen Weg durch die vielen Dorfbewohner, die entweder misstrauisch oder überrascht lauschten. "Ihr habt kein Recht das zu behaupten!", riefen manche. "Die Assassinen schützen uns, wieso sollten wir uns gegen sie stellen?", warfen andere ein. Nivin wurde ruhiger. Gut, noch waren sie auf ihrer Seite. Sie sah kurz zu Tariq, dann standen sie auch schon fast in der ersten Reihe. Der Mann trug überraschenderweise eine Assassinenmontur, jedoch überdeckt von anderen Kleidungsstücken und außerdem zerrissen und verdreckt. Wer war das? Sicher kein Templer... oder? Der Mann ballte wütend die Fäuste und noch mehr Schatten senkte sich über sein Gesicht als er den Kopf nach unten bewegte. "Ihr naiven Kinder! Seht ihr nicht, was die Assassinen tun? Verstecken sich in ihrer Festung. Nutzen eure Ware für sich - und eure Männer, falls Masyaf angegriffen wird. So viele von euch sterben und was tun sie? Sitzen weiterhin hinter ihren dicken Mauern!" Die Stimme des Mannes wurde immer lauter. Ein Raunen ging durch die Menge. Ob zustimmend oder abweisend konnte Nivin nicht sagen. "Das tun wir nicht!" Nivin sah erschrocken Tariq an. "Misch dich nicht ein! Mach dir keinen unnötigen Ärger! Ist doch eh nur ein Neider, der nichts weiter bewirkt!", zischte Nivin warnend, doch die Augen des Redners hatten ihren Begleiter schon erfasst wie ein Raubvogel seine Beute. Er deutete mit ausgestrecktem Arm auf den Assassinen. "Seht, einer von ihnen ist hier!", wandte er sich an die Menge. Dann sprach er Tariq an. "Nun, mein Junge", begann er mit gespielt weicher Stimme. "Wieso bist bist im Dorf?" Tariq traf diese Frage vollkommen unvorbereitet sodass er verblüfft den Mund öffnete. "Hast du Freunde hier hierin Dort? Kennst du irgendjemanden besser als nur als Verkäufer?", fuhr der Mann fort. Tariq kniff wütend die Augen zu Schlitzen zusammen und ballte die Hände zu Fäusten. "Wer bist du und was gedenkst du damit zu bewirken?", verlangte der junge Assassine zu wissen und starrte den Redner direkt an. Der lachte gekünstelt auf. "Oho, du bist aber leicht reizbar. Dann komm, und zeig was du kannst." Der Mann trat zurück und winkte Tariq heran. Dann hob er kampfbereit die Fäuste. Nivin sah mit warnendem Blick zu Tariq, der mit zornig funkelnden Augen zum Redner schaute. Die Menge wich zurück um den Duellanten Platz zu lassen. "Tu das nicht. Der Großmeister wird das nicht gutheißen", warnte Nivin nun nachdrücklich. Tariq winkte ab. "Dieser Mann hat uns alle beleidigt. Dich, mich, den Meister und alle anderen Assassinen. Ich tue das für sie." Mit diesen Worten lief er auf den Mann zu. Gerade wollte er den Kampf beginnen als sein Gegner blitzschnell zutrat und Tariq voll voll auf die Brust traf. Keuchend taumelte der Assassine zurück, fing sich aber und fokussierte sich auf den Mann. Bevor er es richtig realisieren konnte meisterte der Redner in schneller Abfolge weitere Angriffe und Tariq fand sich kurz danach auf dem Boden wieder. Seine Lippe pochte von einem Schlag und als er darüberwischte, klebte Blut daran. Er versuchte, sich aufzurichten, doch ein heftiger Schmerz durchzog seine linke Hand. Er sackte wieder zusammen und kniff die Augen zusammen. Wieso, verdammt, war dieser Mann so erfahren im Kampf? Er spürte Nivins Hände an seinen Schultern, wie sie versuchte, ihm aufzuhelfen. "Alles okay?", fragte sie besorgt und musterte den Assassinen, der an der Schläfe und an der Lippe blutete. "Ja, passt schon...", murmelte er und raffte sich mit Nivins Hilfe auf. Niedergeschlagen warf er einen Blick auf seinen Gegner, der hämisch lachte und sich über die Niederlage des Assassinen sichtlich freute. Nivins Blick wurde finster und Tariq senkte wütend den Blick. Er hätte besser aufpassen müssen. Verflucht. "Nun seht ihr, was die Assassinen sind. Illusionisten. Manipulierer. Früher oder später werden sie euch opfern um überleben zu können. Also, wer begleitet mich?" Nivin stand auf während Tariq sich nur mühsam aufrecht hielt, da alles schmerzte. "Wer seid Ihr?", verlangte sie mit klarer, lauter Stimme zu wissen. Der Mann sah zu ihr. Kurz sah es so aus, als ob er nicht darauf eingehen würde. Dann lachte er auf und zog sich die Kapuze vom Gesicht. Die Leute machten erstaunte Geräusche. Nivin war verblüfft, sowie Tariq, der seinen Augen kaum traute. Nivin trat einen Schritt vor um sich versichern zu können, dass er es auch wirklich war. Er, der eigentlich gar nicht in diesem Dorf sein dürfte. Er, von dem man ewige Zeit nichts gehört hatte. "Was tust du hier, Abbas?"

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