33. Kapitel- Beste Freunde

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Der peinlichste Augenblick meines Lebens, so konnte man die momentane Situation beschreiben. Still schwiegen wir einander an. Wie lange wir so verlieben? Ich hatte nicht die geringste Ahnung. Ob Sekunden, Minuten, wen interessierte das schon? Jeder Wimpernschlag fühlte sich, wie eine Ewigkeit an und war so schmerzhaft, wie das Ende selbst. Mein Körper bewegte sich keinen Zentimeter, die Hände hatten sich in die Decke, die ich über meinen Unterkörper gezogen hatte, gekrallt und mein Shirt war ganz nass vom Sperma. Ich wollte mich umziehen, doch wie? Ich war wie gelähmt und hatte nicht einmal die Kraft, etwas dagegen zu unternehmen. Mein Blick war stur auf die Sofa-Polster vor mir gerichtet, denn mir fehlte schlichtweg der Mut, Augenkontakt zu suchen. Dennoch fragte ich mich, welchen Ausdruck Kai's Gesicht wohl in diesem Moment angenommen hatte, kam jedoch zu dem Schluss, dass ich das lieber nicht wissen wollte. Einen vernichtenden, hasserfüllten Blick, hätte ich in diesem Moment kaum verkraftet. Obwohl ich mit so eine Reaktion von Kai gegenüber mir wohl allgemein nicht umgehen könnte, egal in welcher Situation. Ich fühlte mich sehr schlecht in diesem Moment, auch ohne so eine Vernichtung. Der Scharm hatte von mir Besitz ergriffen. Er machte sich in mir breit, ohne zu fragen, ohne bitten zu lassen. Es war ein erniedrigendes Gefühl. Ich konnte es gar nicht recht beschreiben. Es war fast so, als könne ich weder meinem Freund, noch mir selbst je wieder in die Augen schauen. Schrecklich. Und wieder kam eine Angst in mir auf: Was Kai jetzt wohl von mir dachte? Sicherlich nichts Gutes. Ich schluckte schwer. Nun, verübeln konnte man es ihm nicht, immerhin hatte er mich nicht beim Kuchenbacken erwischt. Und zumindest blieb er ruhig, schrie er mich nicht an, was doch gut war, oder? Obwohl, diese Reaktionen wäre mir vermutlich noch lieber gewesen, als dieses unerträgliche Schweigen. 'Sag doch etwas, irgendwas!', schrie ich in mich hinein, doch meine heimliche Bitte wurde enttäuscht. Mein bester Freund gab keinen Laut von sich. Noch immer sah ich nur das Polster vor mir und allmählich fragte ich mich, was Kai tat, wie er aussah, ja, ob er überhaupt noch anwesend war! Nach einigem Zweifeln und Zögern, hob ich nun langsam meinen Kopf und spürte, wie mein Herz ängstlich gegen meine Brust hämmerte. Mein erster Blick fiel auf den Fernseher, doch zu meinem Erleichtern war der Porno lange zu Ende. Das Menü war zwar noch auf dem Bildschirm zu sehen, aber solang es nur das war, ging es ja. Nun nahm ich allen Mut zusammen und schaute mich suchend nach meinem Freund um. Zu meinem Großen erschrecken, war dieser allerdings nicht auffindbar. „Kai?", fragte ich zunächst zaghaft, rief dann aber kurz darauf mit lauter Stimme. Meine Augen weiteten sich. Wieso war er plötzlich verschwunden?! Ob er tatsächlich gegangen war, einfach so?! Nein, so durfte es nicht enden, nicht so! Ich würde ihn nicht nochmal verlieren! Ohne lange darüber nachzudenken, sprang ich auf um ihm hinterher zu rennen und vielleicht noch einzuholen. Ein Schrei entrann meiner Kehler, als der Boden unter mir plötzlich zu rutschen begann. Es dauerte kurz, bis ich verstand, dass es nicht das Parkett war, auf dem ich stand, sondern mein heruntergefallenes Handy. Ich fiel nach hinten und fing mich mit den Händen ab. Ein stechender Schmerz durchrang meine linke Hand, doch dies war mir in diesem Moment vollkommen egal. Erst später wurde mir bewusst, dass ich meine Hand in die Scherben des zersprungenen Wasserglases gedrückt hatte, doch in diesem Augenblick wollte ich einfach nur zu Kai. Ich wollte unsere Freundschaft retten, nicht kampflos aufgeben! In den letzten Wochen hatte ich einiges über mich gelernt und dazu gehörte auch, dass ich auf keinen Fall so schwach war wie die meisten Menschen und vermutlich auch ich selbst, von mir dachten! Ich würde Kai nicht wieder verlieren! Und auch, wenn er mich jetzt hasste, mich eklig fand oder ähnliches, es war egal. Ich würde ihm vom Gegenteil überzeugen! Diese Frage, ob er mich jetzt verabscheute und endgültig alleine lassen würde, geisterte zwar noch immer in meinem Kopf herum, doch er hatte versprochen, nie wieder zu gehen und Versprechen darf man nicht brechen! Hatte ich etwas Verwerfliches getan? Vielleicht, doch selbst wenn, was hatte das mit Kai zu tun? War es nicht meine eigene Sache, ob ich mich berührte oder nicht?! Das ging ihn überhaupt nichts an! Er sollte mich deswegen nicht verurteilen und ich nahm mir fest vor, ihm das auch genauso so zu sagen! Ich zog mir die Hose hoch und sprintete zur Haustür. Sie stand geschlossen da, so wie ich sie zurück gelassen hatte. Was anders war? Mein Schlüssel war verschwunden. Ich fand ihn nicht. „Ach, egal!", seufzte ich schlussendlich und riss achtlos die Tür auf. Ich rannte weiter, ohne zu Schauen, war damit beschäftigt, mir nebenbei die Jacke überzuziehen. Plötzlich rannte ich gegen etwas Weiches und zuckte derart zusammen, dass ich beinah wieder in der Wohnung stand. Völlig perplex sah ich auf und blickte meinem Freund direkt ins Gesicht. Schräg hinter ihm erkannte ich einen Lieferanten mit- wer hätte es gedacht- einem großen Pizza-Karton in der Hand. „Was?", fragte ich verwirrt, da entgegnete Kai bereits: „Es hat geschellt und da du nicht aufmachen gegangen bist, hab ich das übernommen. Der Bote hier ist unser alter Schulkamerad und wollte einiges Wissen. Ich dachte, du brauchst sowieso erstmal kurz Zeit für dich." Meine Wangen röteten sich und ich blickte an mir hinab. Mein Shirt war voll mit weißen Flecken, wie peinlich! Fast instinktiv versteckte ich mich hinter Kai, damit der alte Bekannte nichts mitbekam. Wie unangenehm, dachte ich mir. Ich senkte den Kopf, da fielen mir einige Haare ins Gesicht. Ich strich sie beiseite, worauf der ehemaligen Mitschüler folgende Worte herausbrachte: „Oh, was hast du denn mit deiner Hand gemacht?" Ich runzelte die Stirn, da drehte sich Kai zu mir und sah mich erschreckt an. Die Innenseite meiner Hand war mit kleinen Schnittwunden überseht und blutete sogar. „Was hast du...?! Man Isaac, kann man dich wirklich keine fünf Minuten alleine lassen, ohne das sowas 'bei raus kommt?!" „Das war doch nicht mit Absicht!", versuchte ich mich zu Verteidigen, doch gegen meinen Freund kam ich ohnehin nicht an. Kai nahm die Pizza an, zahlte und verabschiedete den Lieferanten, bevor er mich zurück in die Wohnung schob. Der Schlüssel hing von draußen an der Tür. „Kein Wunder, dass ich den nicht gefunden hab.", gab ich mein Kommentar dazu ab. „Bevor ich mich ausschließe, lieber so.", wurde es jedoch sogleich von dem Größeren zerschmettert. Er zog den Schlüssel ab und schmiss ihn drinnen auf die Ablagen. „Geh in die Küche, ich hol Verbandszeug.", meinte er, doch ich hatte Einwende. Wichtiger war doch jetzt, dass wir erstmal über das von eben redeten! Aber Kai sah das anscheinend etwas anders. Er brachte mich höchst persönlich zum Esstisch und stellte auch die Pizza dort ab. Dann ging er und kam nur wenige Sekunden später mit einem Verbandskoffer zurück. Nun verstummten wir erneut und die Stille kehrte zurück. Ich schluckte schwer und beobachte Kai dabei, wie er sanft den Verband um meine Hand wickelte. „Wieso bist du hergekommen?", fragte ich nun einfach gerade heraus und brach somit die Ruhe. Wenn er mich wirklich nicht länger wollte, hatte ich doch eh nichts mehr zu verlieren, da konnte ich auch direkt sein. „Ich hab mir Sorgen gemacht. Du warst beim Telefonieren plötzlich weg, dann war dein Handy plötzlich aus und als ich vor deiner Wohnung stand und klingelte, hast du nicht geöffnet. Geräusche waren aber zu hören und dann war da noch dieses laute Knallen, was, wie ich nun annehme, wohl Glas war. Ich dachte halt, sonst 'was wäre passiert! Da ich ja seit Jahren einen Ersatzschlüssel für deine Wohnung habe, wollte ich einfach einmal nachsehen, ob wirklich alles okay ist." Er hob seinen Blick und sah mich direkt an. Er hatte sich tatsächlich nur Sorgen gemacht? Na gut, es war Kai, da hätte ich mir das gleich denken können, aber trotzdem, irgendwie machte es mich glücklich. Doch bereits im nächsten Moment wurde dieses Glück zerstört, denn ich erinnerte mich an die darauf folgende Situation. „Findest du mich widerwärtig?" Diese Frage ging mir nur schwer über die Lippen, denn um ehrlich zu sein, hatte ich Angst vor der Antwort, doch ich musste es fragen, denn die Unsicherheit hätte ich nicht länger ertragen. Kai zog die Augenbrauen hoch. „Bitte, was? Nein! Also, ja, du hast schon Recht, ich hätte wirklich nicht erwartet, dass du so etwas tust und dabei auch noch solche Filme schaust, doch dich deswegen schlecht finden? Nein, um Himmelswillen, auf keinen Fall! Es ist ja ziemlich normal, was du da getan hast, nur hätte ich es eben so nicht von dir erwartet.", wurde mir geantwortet. Da fiel mir ein ganzes Gebirge vom Herzen und ich atmete erleichtert auf. „Also, eigentlich hätte ich das auch nicht von mir erwartet. Das heute war das erste Mal.", entgegnete ich eher beiläufig, da begann mein Gegenüber mit Grinsen. „Und, wie war's?" Ich lächelte verlegen, das sollte als Antwort genügen. Kai erhob sich, war nun fertig mit dem Verbinden. „Und, wie sieht's aus? Pizza?" Ich stand hoch und lächelte ihn breit an. Er hatte mich nicht verurteilt, mochte mich noch genauso wie vorher auch und machte sich auch nicht lustig über mich. Ich konnte einfach nicht anders, umarmte meinen Freund und legte meinen Kopf an seine Brust. „Danke, du bist echt der beste Freund, den man sich wünschen kann." Kai lachte auf und schloss mich in seine Arme. „Du aber auch, Isaac!"
Schließlich ging ich mich Duschen und Umziehen, bevor wir zusammen zu Abend aßen und auch, wenn der heutige Tag vielleicht der peinlichste meines Lebens gewesen war, so fand ich es gar nicht mehr schlimm, denn Kai war geblieben und solang er dies tat, konnte ich gar nichts anders, als glücklich sein.

Liebe?! Lieber nicht! ||Boyslove Yaoi~♡Where stories live. Discover now