Kapitel 17

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Kapitel 17

Mirabella's POV

Meine Hände zitterten, als ich die eisige Kette weggeschmissen hatte. Ich drückte mich hoch und beobachtete Niall, wie er an seinen Hals griff, als könne er nicht mehr atmen. Das Glühen in seiner Brust schlug schnell, sodass es nun fast wie ein richtiges Licht aussah.

Er würde mir und allen, die mir etwas bedeuteten, weh tun. Ich konnte das nicht zulassen. Es war meine Verantwortung. Und ich musste ihn zerstören, das musste ich einfach. Das war mir auf dem Weg nach unten klar geworden. Ich hatte geplant, ihn glauben zu lassen, dass ich nur neugierig war, damit ich ihm nahe genug kommen konnte, um meine Hand auf seine Brust zu legen, und ihn noch schwächer zu machen. Ihm die Kette auszuziehen, war nicht geplant gewesen.

Die Trance war nur vorgespielt gewesen, doch das Schluchzen und die Tränen waren leider wahr. Ich blickte auf den Mann vor mir auf dem Boden und es war schwer, trotz allem, was er in der Vergangenheit getan haben wollte. Er japste nach Luft und riss an dem Shirt, das er trug, bis er es sich vom Körper zog. Die Muskeln an seinem Körper waren angespannt und sein Rücken hob sich kurz vom Boden ab.

Dann, in einem Moment puren Schmerzes blickte er zu mir hoch. Seine eigentlich kalten Augen schienen nach Gnade zu bitten. Ich sah es auch in seinem Gesicht. Sein Mund war leicht geöffnet und er versuchte, Worte zu formen, doch er konnte nichts sagen. Ich hatte dem gefrorenen Herzen so viel Schmerzen zugefügt, dass er so tief gesunken war, um mich nach Hilfe zu bitten.

Ich holte die Kette und zog sie ihm wieder an. Er griff zitternd danach und atmete schnell.

Ich konnte ihn nicht töten, egal wie sehr ich es wollte oder brauchte oder wünschte, es zu können. Es ging einfach nicht. Er war vielleicht nicht aus Fleisch und Blut gemacht, und sein Herz war aus Eis, aber für mich war er doch immer noch menschlich. Er sah wie ein Mensch aus, er sprach wie einer - Gott, er hatte mich um Hilfe gebeten. Er war nicht diese herzlose Gestalt, die die Legenden aus ihm machten. Er war ein gnadenloser Mörder, doch er war auch immer noch ein achtzehn Jahre alter Junge. Wenn die Geschichten wahr wären, dann war er alleine und ungeliebt aufgewachsen.

Ich wollte mich nicht um ihn kümmern, doch ich hatte Mitleid mit ihm.

Ich fuhr mir über die Augen und blickte ihn dann an. Meine Stimme zitterte, als ich sprach.

„Es ist mir egal, ob du Niall Horan aus Mullingar oder das gefrorene Herz bist, ich werde nicht zögern, das noch einmal zu tun, wenn du mir oder meiner Familie etwas antun willst."

Dann griff ich nach meinem Schuh, den ich zwischen die Tür und die Wand gestemmt hatte, zog ihn an und ging dann zurück in mein Zimmer. Die Zellentür schlug schwer hinter mir zu und schloss ihn bis zum nächsten Morgen ein, wenn mein Vater zu ihm gehen würde.

***

Vier Wochen später (1. September)

„Louis, gib es zurück.", sagte ich kichernd. Er hatte mir meinen Sonnenschirm genommen und wirbelte ihn über seinem Kopf herum. Ich hob meine Hand der blendenden Sonne entgegen, um mich zu schützen. Eine Prinzessin sprang nicht. Sie würde auch nie versuchen, einem Mann den Sonnenschirm wieder wegzunehmen.

Und sie würde auch nicht auf einem Lord einschlafen.

Am Morgen, nachdem ich Niall in seiner Zelle besucht hatte, erfand ich eine Geschichte und beschuldigte den Wein für all das, was am Abend passiert war. Und auch wenn es lange dauerte, glaubten meine Eltern es schließlich. Sie wussten, dass ich nicht trank, und gaben somit hauptsächlich Niall die Schuld. Ich fühlte mich schlecht, sie anzulügen, doch sie konnten nicht wissen, was wirklich geschehen war. Das ging nur Niall und mich etwas an.

Seit der Nacht war er mir so distanziert geworden, sodass wir kaum noch miteinander sprachen. Er saß nun immer still am Esstisch und ging dann zurück in sein Zimmer. Mutter und Vater versuchten, mit ihm zu reden, doch seine höflichen, humorlosen Antworten ließen sie schließlich verstummen. Sie wussten, dass etwas nicht stimme, und fragten mich öfter danach, doch ich meinte nur, dass ich es nicht wusste.

Es war besser so. Lord Tomlinson und ich verstanden uns außerdem wieder sehr gut. Er war spielerisch, was nett war, und erzählte mir viel über seine Kindheit. Es war schön, zu sehen, dass er sich mir gegenüber öffnete. Er hatte sogar damit aufgehört, seine Hände immer höflich hinter seinem Rücken zu verschränken. Er schien sich in meiner Nähe immer wohler zu fühlen, und genauso ging es mir auch. Wir hatten fast den ganzen letzten Monat miteinander verbracht. Es war wirklich süß.

Doch warum auch immer, konnte ich nur noch an Niall denken. Sogar jetzt, als Louis mit meinem Sonnenschirm herumspielte und ich ihn grinsend beobachtete, fragte ich mich, was Niall wohl gerade tat. Einen Mann wie ihn so am Boden liegen zu sehen, hatte mich irgendwie verändert. Den Blick in seinen Augen, als er um Gnade bat, würde ich nie vergessen.

Um ehrlich zu sein fühlte ich mich schuldig.

„Komm schon, Prinzessin.", meinte Louis und holte mich so aus meinen Gedanken. Ich wollte nicht mehr über Niall nachdenken, aber er schien sich immer wieder seinen Weg in mein Gehirn zu erschleichen.

Ich platzierte meine Hände auf meiner Hüfte und schüttelte lächelnd meinen Kopf.

„Eine Prinzessin bettelt nie.", erklärte ich.

„Wenn das so ist.", begann er, trat hinter mich und hob mir den Sonnenschirm über den Kopf. „Nach ihnen, eure Hoheit."

Seine Freundlichkeit ließ meine Schuldgefühle nur noch größer werden, doch ich ignorierte es. Wir verbrachten den Nachmittag damit, durch die Gärten zu spazieren, wie damals, als er zu Beginn hier war. Das war der Tag gewesen, an dem Niall zwei Wächter und die Frau in schwarz getötet hatte.

Eine Weile später ging die Sonne langsam unter und Lord Tomlinson und ich gingen zurück ins Schloss, um zu Abend zu essen. Meine Eltern und Niall saßen bereits am Tisch. Mutter lächelte uns wissend an und nickte uns zu, während Vater leise mit Niall sprach, der jedoch nur mich anschaute.

Ich fühlte mich nicht wirklich wohl unter seinem Blick, doch schließlich musste ich ihm gegenüber sitzen. Er beobachtete mich wenn ich aß, wenn ich sprach und wenn ich über Lord Tomlinsons Witze lachte. Sein Blick wurde weicher, doch blieb die ganze Zeit bestimmt auf mir liegen. Was auch immer mein Vater zu ihm gesagt hatte, schien ihn verändert zu haben. Denn heute Morgen noch oder im letzten Monat hatte er mich nicht einmal anschauen können.

Als wir mit dem Essen fertig waren, und Lord Tomlinson mir vom Stuhl geholfen hatte, stand Niall auf, räusperte sich und überraschte somit uns alle.

„Lord Tomlinson.", sagte er. „Würde es ihnen etwas ausmachen, wenn ich den Abend mit der Prinzessin verbringe?"

Meine Augen wurden groß und ich bekam auf einmal Angst. Was wollte er? Er konnte nicht vergessen haben, was ich ihm angetan hatte, oder? War er auf Rache aus? Mein Griff um Louis Arm wurde stärker. Dieser schaute mich besorgt an, aber mein Vater antwortete für ihn.

„Natürlich dürfen sie, Lord Horan. Mirabella.", sagte er und drehte sich zu mir. Er nickte in Richtung Niall, der um den Tisch herumgelaufen war und mir seinen Arm entgegenhielt. Ich blickte Louis an und dann meine Mutter, die mich zuversichtlich anlächelte.

Ich zögerte, ehe ich Louis losließ und Niall festhielt. Nialls Muskeln waren stärker geworden und auch wenn es mich eigentlich hätte sicherer fühlen lassen, fühlte ich eher das Gegenteil.

Er führte mich aus dem Esszimmer, den Flur entlang und Richtung Bibliothek. Ich bekam eine Gänsehaut und wusste nicht, ob es wegen Niall oder dem Westflügel war, doch was ich wusste, war, dass ich wieder zu Louis zurückrennen wollte.


***

Danke für die lieben Kommentare!! ♥


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