40. Kapitel: Zwei Ewigkeiten

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„Yuki!!!", lachte ich glücklich und knuddelte sie fest, „Ich habe dich so vermisst, meine Süße!"
Ich hielt sie von mir weg und musterte sie, sie war deutlich größer und auch schwerer geworden. Etwa so groß und schwer wie ein Labrador, was es mir nur durch meine Gestaltwandler Kräfte möglich sie auf Armeslänge entfernt hochzuhalten.
Eines hatte sich jedoch nicht geändert, sie hatte immer noch ihr helles, sandfarbenes Fell mit den weißen Flecken.
„Meine Süße ich hatte ja fast damit gerechnet, dass deine Flecken noch kommen sobald du älter wirst, aber anscheinend, bist und bleibst du etwas besonderes. Naja deine endgültige Fellfarbe werden wir wohl eh erst im Dezember sehen, wenn sich deine Fellfärbung verfestigt hat.", erklärte ich ihr.
Ich zog sie wieder in meine Arme und ging in Richtung Bett, dort ließ ich mich drauf fallen und Yuki rollte sich neben meinem Kopf zusammen, gedankenverloren starrte ich an die Decke und kraulte Yuki.
„Weißt du, ich habe Hausarrest. So ein Schwachsinn. Ich weiß, dass es nicht nett war, einfach zu gehen, aber es musste sein und es war das Richtige! Meine Eltern haben kein Recht mir lebenslänglich Hausarrest zu geben. Schon gar nicht für ihre an den Haaren herbeigezogenen Anschuldigungen und Argumente. Vielleicht sollte ich einfach gehen. Diesmal endgültig. Ausziehen, draußen leben, irgend etwas. Ich würde schon irgendwie zurecht kommen. Bestimmt könnte ich zu den Rumänen! Oder zu meinem Bruder nach Rom.", überlegte ich laut und verstummte kurz, dann seufzte ich, „Aber das würde ja auch nichts ändern. Meine Freunde sind hier. Jacob und Leah, ich kann sie nicht beide verlassen! Wenn ich meine Strafe brav absitze, komme ich möglicherweise wegen guter Führung frei. Naja, aber wie wahrscheinlich ist das nun wieder?", philosophierte ich vor mich hin.

Seit drei Wochen war ich nun schon in meinem Zimmer.
Nun gut, das war die Version, die meine Eltern glaubten.
In Wahrheit war mein Hausarrest ein wenig abwechslungsreicher. Abgesehen von den Tagen, die ich gelangweilt mit Yuki in meinem Zimmer verbrachte, schlich ich mich nachts des Öfteren raus um mich mit Leah, Jacob, oder dem Rest des Rudels zu treffen.
Leah jammerte allerdings meistens über die extra Arbeit, die sie durch die verlorene Wette mit Paul aufgebrummt bekommen hatte. Wenn sie das nicht tat, schimpfte sie auf meinen Hausarrest.
Mit Jake war auch nicht wirklich etwas anzufangen, da er vor Sorge um Bella fast umkam. Ich konnte ihn zwar verstehen, aber gefallen tat es mir trotzdem nicht.
Da meine beiden besten Freunde ziemlich mit sich selbst beschäftigt waren, zog ich des öfteren mit Yuki, welche schon wieder gewachsen war, zusammen durch die Wälder und jagte, oder genoss einfach die Nacht.
Im Moment lag ich einfach auf dem Rücken in meinem Bett und ließ den Kopf über die Bettkante hängen.
Kopfüber besah ich mir mein, zum aller ersten Mal, tipptopp aufgeräumtes und geputztes Zimmer, es glänzte geradezu vor Sauberkeit.
Was man nicht alles tat, wenn man vor Langeweile zu sterben drohte.
„Wie lange waren wir schon nicht mehr draußen?", richtete ich meine Frage an Yuki, welche sich in meinem Hängestuhl zusammengerollt hatte und döste, „Fünf Tage? Sechs? Es kommt mir vor wie zwei Ewigkeiten!"
Beim Klang meiner Stimme zuckte Yukis Ohr und ein Auge öffnete sich langsam, das jedoch war die einzige Reaktion, die ich bekam.
Ich vermutete, dass uns meine Eltern auf die Schliche kamen und die Sicherheitsvorkehrungen verschärft hatten, was es uns erschwerte uns Nachts hinauszuschleichen.
Vielleicht wurde ich aber auch einfach nur paranoid.
Mein Blick blieb an der Tür der kleinen Abstellkammer unter der Dachschräge hängen.
Wie lange war es her, dass ich dort nicht mehr hineingeschaut hatte?
Fünf Jahre?
Zehn?
Mehr?
Was hatte ich dort nochmal verstaut?
Meine Neugierde ließ es nicht zu, dass ich noch länger im Ungewissen blieb.
Hastig stand ich auf und schob den kleinen Tisch, welcher den Eingang versperrte zur Seite. Ich brauchte ein Paar Versuche und mehr Kraft als erwartet um die alte, verrostete Türe zu öffnen.
Was sich dahinter verbarg, war ein schmaler, langer, verstaubter Gang ohne Licht, dafür aber mit umso mehr Spinnweben.
„Na toll.", murmelte ich.
Ich stand auf und ging zu meinem Bett, ich kniete mich davor und angelte mit dem Arm eine Kiste unter dem Bett hervor.
Laut kramte ich darin herum auf der Suche nach einer Taschenlampe.
Ungehalten über die Störung ihres Schläfchens grummelte Yuki und drehte mir in dem Hängestuhl den Rücken zu.
Mit meiner Taschenlampe krabbelte ich zurück zu der Kammer und leuchtete hinein.
Durch das Licht waren nun ein Haufen aufeinander gestapelte Kisten zu sehen.
Ich krabbelte durch die Öffnung und zog eine Kiste nach der anderen in mein Zimmer, wo ich sie dann durchstöberte.
Ich fand viele alte Spielsachen von mir.
Sogar zwei Kisten mit Zeug von meinem Bruder fand ich. Alte Fotos, ein Walkman, ein paar gesammelte Postkarten und Briefe lagen, zusammen mit anderen persönlichen Sachen, darin.
Ich war ein bisschen enttäuscht, dass ich außer ein paar alten Spielsachen und Erinnerungen nichts gefunden hatte.
„Das ist doch Schwachsinn!", schalte ich mich selbst, „Hast du jetzt ernsthaft erwartet in einer Abstellkammer in deinem Zimmer einen vergessenen Piratenschatz zu finden? Das ist doch lächerlich, Cacy!"
Ich nahm die erste Kiste, um sie wieder einzuräumen, während ich mir vornahm in Zukunft nicht mehr mit mir selbst zu sprechen.
Ich könnte Geheimnisse ausplaudern und die Leute könnten Fragen stellen.
Als ich die Kiste in den kleinen Raum schob viel der Lichtkegel meiner Taschenlampe auf einen kleinen, unförmigen Koffer ganz am Ende, den ich übersehen hatte.
Ich ließ die Kiste Kiste sein und streckte mich, um an den Koffer zu kommen, ohne weiter in das Loch hineinklettern zu müssen.
Als ich ihn zu fassen bekam krabbelte ich rückwärts wieder in mein Zimmer und verpasste natürlich nicht die Gelegenheit mir meinen Kopf ordentlich am Rahmen anzuschlagen.
„Autsch!", schimpfte ich und rieb mir meinen Hinterkopf.
Dann viel mein Blick wieder auf den Koffer, welcher übrigens doch nicht so unförmig war, wie zuerst gedacht.
Nein.
Er hatte die Form, die er haben sollte.
Ich pustete den Staub von dem Koffer und strich bedächtig darüber.
Ich hatte doch noch einen Schatz gefunden.
Einen Schatz, den mein Bruder für mich versteckt hatte.
Ich öffnete die Schnallen und strich andächtig über den roten Samt, welcher den Koffer auskleidete, bevor ich mein Blick auf den eigentlichen Schatz senkte.


Mein total normal verrücktes LebenWhere stories live. Discover now