In der Winkelgasse - 13.12.

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Kalt und eisig zieht sie sich vor mir hin, die Winkelgasse. Noch immer sind so viele Geschäfte vernagelt. Dabei hat der Krieg doch gerade geendet, vor fast neun Monaten, um genau zu sein. Doch die Menschen müssen sich nun wieder fassen und ich zum Weitermachen aufraffen. Sie müssen realisieren, wen sie beinahe verloren hätten, wen sie verloren haben... Für niemanden ist die Nachkriegszeit leicht, aber für einige ist sie besonders schlimm.
Bald wird hier wieder Leben sein. Da bin ich mir sicher. Lange kann es nicht mehr dauern. Nur noch einen Moment.
Meine Seele zeigt noch immer die Narben der Quälerei, die der Cruciatusfluch bei mir hinterlassen hat. Der mir von den Karrows auferlegt wurde, weil ich helfen wollte. Nicht einmal in der Schule ist man sicher gewesen. Es sind kleine, feine Haarrisse, die sich hindurchziehen.
Doch mir geht es gut, besser als den anderen. Sie leben. Meine Familie, meine Freunde, sogar meine Haustiere. Alle leben. Hannah Abbott, Susan Bones, Luna Lovegood, Neville Longbottem, Ernie MacMillan, Justin Flinch-Fletscher, Ginny Weasley, Hermine Granger, mein Quidditchteam, Mum, Dad, Puffles... Alle noch da.
Doch hier gibt es Leute, die nicht so viel Glück hatten.
Mein Ziel an diesem Tag sind Weasleys Zauberhafte Zauberscherze. Ein verriegelter Laden, wie all die anderen. Sie hatten nicht so viel Glück, die Weasleys...
Ich müsste nun eigentlich in Hogwarts sein. Das Schloss aufbauen. Doch sie haben etwas gefunden, ich habe etwas gefunden, unter Schutt und Geröll einer eingestürzten Mauer, einen zerknitterten, verschmutzten, angerissenen Brief. Mit grüner Tinte wurde in jungenhafter Schrift "George Weasley" darauf geschrieben. Ich habe ihn gefunden, wollte ihn Ginny, der einzigen Weasley, die in Hogwarts blieb, geben. Ich wusste ja, an wen er war und ich wusste auch, von wem er nur kommen konnte. Doch Ginny schüttelte den Kopf und sagte zu mir: „Vielleicht sollte jemand Unabhängiges zu ihm gehen. Vielleicht... Ich weiß es nicht... Aber... Außerdem habe ich Angst ihm in die Augen zu sehen." Wenn Ginny Weasley Angst vor etwas hat, dann ist damit nicht zu spaßen und jetzt habe ich diesen Brief. Bin gleich zu Professor Sprout gegangen und habe ihr gesagt, dass ich weg muss. Sie hat mich besorgt angesehen, das tut unsere Hauslehrerin immer seit der Krieg vorbei ist. Sie ist besorgt um uns, sie liebt uns alle im Haus Hufflepuff gleichermaßen, doch was soll sie schon einwenden, ich bin immerhin volljährig. Also bin ich in den Tropfenden Kessel apperiert, als ich vor den Schultoren stand.
Mir ist mulmig dabei, wenn ich jetzt das gestorbene Geschäft vor mir sehe. Fred und George Weasley hatten ewig ihre Zauberscherze vertrieben, sogar bis in den Krieg herein, doch Fred ist tot. George fühlt sich verlassen. Er hat sich vor gefühlten Ewigkeiten hier eingeschlossen.
Mit zitterigen Fingern ziehe ich meinen Schal ein wenig mehr ins Gesicht. Monate sind vergangen, seit der Schlacht von Hogwarts und nicht viel hat sich getan. Es verwundert mich, dass der Brief erst jetzt aufgetaucht ist, doch ich denke, es wird noch ewig dauern, bis Hogwarts wieder das alte Schloss ist, das für jeden eine zweite Heimat ist. Täglich arbeiten wir, wo wir nur können. Doch die meisten Schüler in meinem Jahrgang haben eine Ausbildung begonnen, die anderen werden zuhause unterrichtet oder haben für die Zeit, in der Hogwarts nicht mehr steht, nach Beauxbatons und Durmstrang gewechselt. Nur etwa dreißig sind noch da, um beim Aufbau zu helfen. In dieser Zeit habe ich besonders Neville, Hermine, Ginny und Luna ein wenig ins Herz geschlossen und natürlich Hannah und Justin, aber mit denen war ich ja schon vorher befreundet. Wir alle werden die Ersten sein, die unsere Schulbildung in Hogwarts fortsetzen werden. Ginny und Luna müssen noch ein Jahr zur Schule gehen und Hannah war fast eineinhalb Jahre auf der Flucht und war erst wieder da, nachdem man sie wieder gefangen hatte. Ihre Mum war eines der ersten Opfers des Krieges. Sie und ihr Dad waren abgetaucht, um sich in Sicherheit zu bringen. In Sicherheit vor dem Grauen, das von da an losbrach. Hermine und Justin waren ein ganzes Jahr auf der Flucht und Neville und ich, ignorieren unser letztes Jahr, da wir es nicht als Schulzeit ansehen können. 
Zittrig hebe ich meine Hand, um an die Tür zu klopfen. Vor der Tür stapeln sich Briefe und Zeitungen. Ich hebe sie auf und klemme sie unter meinen Arm, dann klopfe ich.
„George? George Weasley? Hier ist, Megan, Megan Jones. Vielleicht erinnerst du dich an mich, wir sind zusammen zur Schule gegangen! Ich bin in Rons Jahrgang gewesen!", rufe ich durch die Tür. Irgendetwas rumpelt hinter der Tür und diese schwingt auf.

Weil wir noch leben (Harry Potter / George Weasley FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt