Wir beide

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(Hannahs Sicht)
,,Wie konnte ich das nur vergessen?", säuselte ich in sein Ohr. Arm in Arm standen wir am Flussufer. Er umklammerte mich so fest er nur konnte. ,,Ich verstehe wie du dich gefühlt haben musst. Aber wieso hast du mir denn nichts gesagt?" Es wäre doch so viel einfacher gewesen und er hätte sich eine Menge Leid erspart. Sein Kopf bewegte sich und landete auf meinem. Er stützte sein Kinn auf mir ab, welches meinen Kopf in Schwingungen brachte als er anfing zu reden. ,,Du kannst niemanden sagen, dass er einen liebt." Oho, Newt wird poetisch. ,,Das ist unmöglich. Wie hätte ich das bitte tun sollen? Ja Hannah du weißt es zwar nicht aber du liebst mich oder was? Ich konnte nicht." Er hatte ja sowas von recht. Ich hätte ihm vermutlich einen Vogel gezeigt und garantiert wieder einen Streit vom Zaun gebrochen. ,,Tut mir leid." Er drückte mich von sich weg und schaute mich mit großen, verwirrten aber dennoch wunderschönen Augen an. ,,Wieso tut es dir den leid Hannah?" Ich zuckte mit den Schultern. ,,Naja, dass ich immer weit in der Wunde gestochert habe. Ich wäre an deiner Stelle auch so ausgetickt"
Böse Zunge! Warum sagst du so eine verklonkte scheiße? Ich wäre an deiner Stelle auch so ausgetickt. Hast du sie noch alle? Er wollte sich umbringen, dass kann man doch nicht aufsticken nennen. Aber es war zu spät. Gesagt ist gesagt. Wie erstarrt schaute ich ihn an. Ich hatte panische Angst, davor wie er reagieren würde. Seine Hand wanderte an meine Wange und strich sanft darüber. ,,Und wieso du?", fragte er mich mit heiserer Stimme. Mein Atem beschleunigte sich und meine Augen wurden immer größer. Schweiß rann mir die Stirn und Hände hinab. Alles war still. Das Einzige was man hörte waren die Geräusche der Natur. Der Bach, die Blätter, der Wind der durch sie hindurch pfiff. Doch alles was ich wirklich wahrnahm, waren seine, von der Sonne, glitzernden Augen. Sie strahlten regelrecht zu mir hinunter. Er wollte mehr als meine letzte Erklärung. ,,Ich wollte nicht die Erste sein", brachte ich mit kleiner Stimme hervor. ,,Verstehst du dass?" Er schloss für ein paar Sekunden die Augen. Ich konnte mir denken was er dachte. Er dachte, dass es seine Schuld war. Auch ich versiegelte meine Augen um ihn nicht mehr sehen zu müssen und presste mich an ihn. ,,Ich habe es schonmal getan." Verwirrt schaute ich ihn an. Er warf kurz seinen Kopf in den Nacken, umfasste meine Hand und schaute mir dann tief in die Augen. ,,Ich wollte mich im Labyrinth schonmal umbringen. Genauso wie du. Mein Sturz wurde von dem Efeu abgehalten. Seit dem Humple ich." Ich wusste nicht was ich antworten sollte. Was sagt man in so einer Situation denn schon? Aber anstatt irgendeinen Klonk zu antworten, drückte ich mich nur an ihn. Er war erst verwirrt, erwiderte dann aber. Ich umarmte ihn nicht aus Mitleid, nein ich tat es aus Freude. Purer Freude. ,,Danke, dass du es mir gesagt hat. Danke, dass du mir vertraust." Es ist wenigstens ein Geheimnis weniger. Obwohl da noch viele weitere auf sich warten, war dass ja schonmal ein Anfang. Auch Newt gefiel es offensichtlich denn er redete weiter. ,,Ich war früher mal Läufer." Ich riss die Augen auf. ,,Echt? Und warum jetzt nicht mehr?" Ich bekam meine Antwort durch eine Deutung auf seinen Fuß. ,,Und warum damals?" Ich hatte so ein Gefühl. Jetzt war der Zeitpunkt gekommen an dem er mir alles erzählen konnte. Ich vertraue ihm blind und ich hoffe er auch mir. ,,Verzweiflung. Pure Verzweiflung. Ich war der Erste." Ja dass brauchte er mir nicht zu sagen. Wusste ich leider viel zu gut. ,,Ich hatte unglaubliche Angst. Kannst du dir nicht vorstellen." Ja da hat er recht. ,,Jedenfalls kam dann halt irgendwann Minho hoch und fing dann an, den Beruf Läufer ins Leben zu rufen. Wir beide waren jeden Tag im Labyrinth und als wir nach zwei Monaten keinen Ausgang gefunden haben wurde ich einfach Wahnsinnig. Wenn ich bedenke, dass ich jetzt schon drei Jahre hier festsitze." Er schüttelte gestresst den Kopf, wobei seine Haare in alle Richtungen flogen. ,,Ich hab einfach schiss hier nie wieder rauszukommen." Ich ergriff seine Hand und drückte sie. Ich fühlte mich völlig unfähig irgendwas zu tun. Was macht man schon in so einer Situation? Es war mir mehr als unangenehm. Allerdings war ich froh, dass er mir endlich die Wahrheit beichtete. Mir schoss ein Gedanke in den Sinn. ,,Hast du deshalb eine Uhr?" Er biss sich verlegen auf die Unterlippe. ,,Ja. Ich konnte es dir nicht sagen. Dann hättest du gefragt weshalb ich keiner mehr bin." Ich nickte nur. Jetzt muss ich ihm aber auch etwas sagen. Er ist so ehrlich zu mir. Ich kann ihn jetzt nicht einfach im Regen stehen lassen. ,,Erinnerst du dich an meinen ersten Tag?" Er lächelte. ,,Wie könnte ich das vergessen?" ,,Naja also ich bin doch weggelaufen als ich meinen Namen wieder bekommen habe." Newt legte den Kopf schief und betrachtete mich erwartungsvoll. ,,Ich bin doch in den Wald gerannt und Minho hat mich zurück gebracht weil ich gestolpert bin. So wirklich gestolpert bin ich nicht. Also doch eigentlich schon aber nicht weil es so dunkel war und ich meine Füße nicht unter Kontrolle hatte." ,,Was ist passiert?" Seine Stimme klang eindringlich und fordernd. ,,Ich hab mich erschrocken und bin hingefallen weil ich plötzlich jemanden gesehen habe. Er hat mir gesagt, dass ich nur Probleme machen würde und ich sollte doch ins Labyrinth gehen. Am nächsten Morgen bin ich dann bei dir aufgewacht und mir kamen die Worte von ihm wieder ins Gedächtnis. Also, ich wollte euch keine Schwierigkeiten bereiten, da bin ich dann ins Labyrinth gerannt. Ich hab wirklich nur Probleme bisher angestellt. Und es tut mir leid." Doch anstatt auf meine Worte einzugehen fragte er mich nur eine Sache. ,,Wer war es?" War ja klar. ,,Gally." Ich konnte förmlich spüren wie in ihm die Wut hochkochte. Er brauchte wirklich all seine Kraft um nicht gegen den nächst besten Baum zu schlagen. ,,Ist ja gut. Er ist ja weg." Vorsichtig legte ich ihm meine Hand an die Wange in die er sich sofort hinein schmiegte und anfing wie ein Neppdepp zu grinsen. ,,Was ist denn jetzt so lustig?" ,,Ich kann's nur nicht fassen, dass das wirklich gerade passiert." ,,Was genau meinst du?" Er packte mich an der Hüfte und zog mich ganz nah zu sich ran. ,,Wir beide." Sofort breitete sich eine riesige Gänsehaut quer über meinem gesamtem Körper aus. Himmel. Gott ich danke dir. Doch mein Glück verschwand als ich mir eine Tatsache ins Gedächtnis rief. Newt bemerkte sofort, dass etwas nicht stimmte. ,,Was ist?" Ich schaute ihn traurig an. ,,Naja, die Schöpfer. Sie stehen uns nunmal im Weg. Du bist mir schon so oft genommen worden. Wer garantiert uns, dass das nicht noch einmal passiert? Versteh mich nicht falsch, ich will das hier aber habe dennoch große Angst, dass noch etwas schlimmeres passieren könnte. Ich bin einfach anders als ihr. Und ich bin auch aus einem anderem Grund hier wie ihr alle. Ich war nie dafür vorgesehen. Ich glaube sie wollen mich bestrafen, dass ich sie verraten habe." Und jetzt hatte ich eindeutig zu viel gesagt. Bitte, spring nicht darauf an. Bitte, bitte, bit... ,,verraten?"  te. Na ganz toll. Verlegen kaute ich auf meiner Unterlippe. Traurig ließ ich den Kopf hängen und sprach dann ganz leise. Er musste sich zu mir runter beugen damit er mich verstehen konnte. Aber ich musste es ihm jetzt einfach sagen. Ich wollte einfach keine Geheimnisse mehr. ,,Ja verraten. Ich war mal eine Schöpferin." Ich musste schwer schlucken. Ich hatte es gerade wirklich gesagt. Ich hatte Newt erzählt, dass ich für den Klonk hier teilweise Schuld bin. Er tat garnicht's also redete ich einfach weiter denn ich hatte Angst, dass er sich jetzt umdrehen und weglaufen würde. Mich hassen und jegliche Kommunikation abbrechen würde. ,,Ich sage dir jetzt alles was ich weiß. Oder jedenfalls was Teresa mir erklärt hat. Das Labyrinth sind Tests und wir die Testobjekte. Was getestet wird konnte oder wollte sie mir nicht sagen. Wir kannten uns schon früher aber wir wurden getrennt aufbewahrt. Thomas und ich hatten in vorherigen Test, die wir mit zehn absolvierten, wohl ziemlich gute Ergebnisse. Dass ist der Grund weshalb wir zu Schöpfern gemacht wurden und ihr zu Probanden. Ich wollte aber unbedingt Kontakt zu euch und habe ihn auch bekommen. Du wurdest bei einem Test beinahe durch Feuer getötet. Das war übrigens der von dem ich dir erzählt habe. So richtig stimmte es nicht was ich dir da erzählt habe. Jedenfalls hast du mich angefleht, dir einen Ausgang zu zeigen was ich dir nicht verweigern konnte. Du wurdest dabei aber erwischt und gefoltert. Das war dann der Moment an dem ich beschlossen habe sie zu verraten und zu euch zu kommen. Ein Proband zu werden. Aber du bekamst dennoch eine Strafe. Du musstest als erster hier her auf die Lichtung. Ich bin Schuld, dass du alleine, einen Monat alleine warst. Es tut mir unglaublich leid." Ich hatte es gesagt. Ihm alles gesagt. Was würde er jetzt tun? Mich wegstoßen oder in den Arm nehmen? Mich hassen oder weiter so behandeln wie bisher? Und die wichtigste Frage: hatte ich ihm zu viel gesagt? Ich vernahm die Geräusche des Waldes und den schweren und warmen Atem von Newt welcher mir stetig auf die Stirn prallte. Doch auch er hielt meine Tränen nicht ab. Leise rollte eine nach der nächsten meine Wange hinunter bis sie auf einmal von einer Hand aufgehalten wurden, die sie sanft wegwischte und meinen Kopf nach oben hob. Newts Stimme war rau aber unheimlich liebevoll.
,,Ich liebe dich. Egal was kommt. Vergiss das nicht." Und um seinen Worten nochmal Ausdruck zu verleihen, küsste er mich.

Skorpions-beginning of the run✔️Where stories live. Discover now