Skorpion

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Ruzu atmete die frische Luft ein, auch wenn sie etwas zu warm für seinen Geschmack war. Dennoch war es ein angenehmes Gefühl und eine gute Abwechslung zur stickigen Luft im Wirtshaus zur Echse. Ein letztes Mal blickte er zurück, um sicherzustellen, dass ihm niemand folgte. Er war noch keine zwanzig Meter gegangen und schon machte er kehrt und lief mit leichten Schritten zum Hintereingang. Zu seiner Überraschung sah er dort den Wirt, der gerade den Müll austrug. Bevor dieser ihn entdecken konnte, versteckte sich Ruzu hinter der Mauer. Ruzu wartete eine Weile, bis es still war und lauschte. Er hörte Stimmen.

„...dunkle Haare. Er war kräftig, ich bin mir sicher er ist ein Krieger!"

Ruzu war sich nun sicher, der Wirt war ein Verräter. Entschlossen erhob sich Ruzu, das Schwert griffbereit. Er war sich sicher, dass der Wirt sich mit einem Anhänger von Sokaron unterhielt, doch da irrte er sich. Der Wirt und ein einfacher Kellner, der danebenstand, blickten ihn erschrocken an.

„Huch! Wenn man vom Teufel spricht..." Der Wirt hielt inne, als ihn Ruzu prüfend von oben bis unten musterte.

„...Ich meine natürlich nicht der Teufel! Entschuldigung! Ist ja nur so 'ne Redewendung."

Er fürchtet sich vor dir. Das ist gut. Es besteht aber keine Gefahr, er ist harmlos, wir haben uns geirrt.

Ruzu lockerte sich ein wenig.

„Es tut mir leid, ich habe sie mit jemandem verwechselt."

Ruzu kehrte ihnen den Rücken zu und ging.

„Schon gut, meine Güte... die heutige Jugend hat sie ja nicht mehr alle...", hörte Ruzu noch den Wirt murmeln.

Eine Stunde später lief Ruzu in Richtung des Lokals, zum Skorpion. Sicherheitshalber hatte er sich einen neuen Umhang gekauft, damit ihn der Wirt oder ein Junge wie Sid, nicht mehr von weitem erkennen konnte. Ruzu war nicht mehr weit vom Ziel entfernt.

Wir haben viel Zeit durch deine Albernheiten verloren, Ruzu.

Nicht zu viel, es hätte ja schlimmer kommen können. Ich hätte Recht haben können und ich hätte beide töten müssen. Dazu hätte ich noch die Leichen verstecken müssen und das hätte sogar mehr Zeit gekostet.

Ruzu wartete auf eine Antwort, doch die Stimme blieb still. Ruzu bog in eine etwas engere Gasse ein und blieb stehen. Er war am Ziel angelangt. An der Wand über der Tür hing ein hölzernes und morsches Schild auf dem Skorpion stand. Im Ganzen sah das Lokal nicht sehr einladend aus. Im Inneren hörte Ruzu viele Stimmen und Gegröle.

Da sind wir, hörte Ruzu die Stimme sagen, als er hineintrat. Dieses Mal liess er die Kapuze auf. Gib Acht, hier ist es gefährlich.

Das ist mir glasklar, versicherte Ruzu.

Hast du die Linsen an? Shaydoren sprach von den Linsen, bei denen man die Karvuraks sehen konnte, wenn man sie anhatte.

Ja ich habe sie immer an, aber es wäre praktischer, wenn du mir deine Sicht leihen könntest.

Die leihe ich dir nur für Notfälle, sagte Shaydoren stur.

Ruzu blickte sich um. Er suchte nach einem Eingang, der ihn in eine versteckte Gruft führen konnte, in der sich der Kristall befand. Doch es gab keinen Anschein von einer Tür oder irgendeinen geheimen Eingang, der sich in diesem Lokal befand, dass im Gegensatz zur Echse überfüllt war.

Siehst du den Wirt da? Das ist kein Wirt.

Das ist mir auch klar, Shay. Durch seine Linsen sah Ruzu, dass dem Wirt riesige Hörner emporragten und seine Hände mit scharfen Krallen bestückt waren. Das Monster hatte gewaltige Zähne und rote Augen.

Der da auch, und der da, der da... Ruzu neigte seinen Kopf in die jeweilige Richtung, um Shaydoren zu zeigen, welche Personen, oder besser gesagt, welche Ungeheuer er meinte.

Alles richtig, nur einen kleinen Fehler.

Welchen? Was? Ruzu war verunsichert.

Der Kerl am zweiten Tisch von rechts ist kein Karvurak. Er ist einfach nur potthässlich. Der Mann war kahl und hatte eine blasse Haut. Sein Gesicht war entstellt und stark unproportioniert. Dazu hatte er noch rote Augen.

Was? Och, igitt! Würde ich so aussehen, würde ich nicht mehr leben wollen.

Das spielt doch keine Rolle, ihr Menschen seid sowieso alle hässlich.

Ruzus Blicke suchten alles ab, doch er fand nichts. Er musste sich durch die Menge hindurchzwängen um weiter nach hinten zu gelangen. Der Wirt blickte ihm nach, doch Ruzu durfte sich nicht anmerken lassen, wie sehr er ihm Furcht und Schrecken einflösste.

Halt.

Shaydoren sagte das so plötzlich, dass Ruzu erschrocken stehenblieb.

Hier muss es sein, ich spüre seine Präsenz. Such  die Wand ab.

Ruzu war schon so weit hinten angelangt, dass er unauffällig die Wand abtasten konnte. Es war zurzeit niemand da, der ihn beobachten konnte. Plötzlich kam ein Mann aus der Bedürfnisanstalt hervor und Ruzu hielt inne und drückte sich an die Wand. Der Mann ging an Ruzu vorbei, und was für die Menschen dort im Skorpion ein „Guten Tag" gewesen wäre, war für Ruzu nur ein fürchterlich lautes Grunzen. Das Ungeheuer verschwand im Gemenge und Ruzu war der Angstschweiss ausgebrochen.

Das...das war ja verdammt knapp gewesen! Und wie er stank! Was hat er wohl auf der Toilette gemacht?

Wahrscheinlich ist er dort herausgekrochen und hat sich dann in einen Menschen verwandelt.

Ruzu, der sich immer noch an die Wand drückte, bemerkte dort eine kleine Abhebung. Er wischte den Staub ab und erkannte eine seltsame Schrift.

Was ist das?

Das ist altgotminisch. Es heisst: „Hier drücken."

Ruzu drückte gegen die Wand und die rechteckige Abhebung wurde hineingeschoben. Die Wand löste sich und schob sich zur Seite. Der Eingang war offen. Ruzu blickte nach links und nach rechts bevor er unmittelbar hineinhuschte. Die Dunkelheit umhüllte ihn, doch es war noch vage eine Treppe nach unten zu sehen. Er hatte den Eingang gefunden. Plötzlich ging die Tür in einem leisen, dumpfen Schlag zu.

Was war das?

Ruzu machte Kehrt und versuchte vergeblich das Steintor zu öffnen. Er konnte nicht mehr raus und es war stockdunkel.

So ein verdammter Mist!, fluchte Ruzu. Er wusste nicht, wie es passiert sein konnte.

Du wurdest eingesperrt. Jemand ist uns gefolgt.

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