Kapitel 7

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Melcolm's Sicht

Wir saßen in meinem alten Transporter. Cassian schaute schon die ganze Zeit aus dem Fenster, so, als ob er sich den Weg merken müsste.

Die Stille zwischen uns war mir irgendwie unangenehm, aber ich wusste nicht, was ich sagen sollte.
Also sagte ich, wenige einfallsreich: "Danke das du mitkommst" Er schaute mich kurz an und dann wieder aus dem Fenster.

"Kein Ding", meinte er. Wieder Schweigen. Dann hielt ich auch schon vor dem Haus meiner Eltern. Ich atmete tief durch.

Cassian stieg aus und ich folgte ihm. Das würde kein einfaches Gespräch werden.

Ich schloss die Tür auf und schlich so leise wie möglich in den Hausflur. Cassian folgte mit und rief dann: "Melcolm ist Zuhause"

Ich fuhr zu ihm herum. "Was sollte das denn?", fragte ich ihn.

Er zuckte die Schultern. "Du wolltest doch reden, jetzt wissen sie, das du Zuhause bist", meinte er unbekümmert.

Bevor ich etwas erwidern konnte, kam meine Mutter aus der Küche und sah mich stumm an. Sie sah aus wie immer:
Jeans, Bluse, die braunen Haare zu einem unordentlichen Zopf gebunden, doch unter ihren Augen lagen tiefe Schatten.

Die Stimmung war ziemlich angespannt, doch das hinderte Cassian nicht daran vorzutreten und sich zu räuspern.

"Ich würde vorschlagen, dass wir uns erstmal setzten", meinte Cassian vernünftig. "Ist ihr Mann da? Melcolm's Bruder? Schwester? Hund? Katze? Egal was, alle in die Küche", wies er meine Mutter an.

"Cassian, das muss nicht sein", widersprach ich, doch er meinte: "Doch, das muss sein"

Etwas später saß ich am Küchentisch, um mich herum saßen Mom, Dad, meine kleine Schwester Lily und gegenüber von mir Cassian.

Cassian streckte die langen Beine unter den Tisch, die Füße verkreuzt, und tippte auf seinem Handy herum.

Dann schaute er auf. "Worauf wartet ihr?", fragte er in die Runde. Wir schauten ihn nur stumm an.

"Gut", sagte Cassian schließlich, "dann machen wir das so wie in der Therapiesitzung. Fangen wir bei Ihnen an", wendete er sich an meine Mutter, "Sagen Sie was zu ihm. Und zwar zum Thema"

Man merkte, dass es ihm keinen Spaß machte, den Familientherapeut zu spielen. "Oder von mir aus, stellen Sie ihm eine Frage", fügte er genervt hinzu, als Mom nichts sagte.

Mom schien zu überlegen und blickte dabei hilfesuchend zu Dad. "Okey, ich mach es ihnen vor", meinte Cassian schließlich gereizt und wendete sich an mich: "Ich hab deinen Freund nie gemocht"

Bevor ich etwas erwidern konnte, wendete er sich wieder meiner Mutter zu. "Jetzt sie"

"Melcolm, ich liebe dich, egal ob du schwul bist oder nicht" Ich nickte, zum Zeichen, dass ich es verstanden habe.

Dad meinte nur, er würde sich Mom anschließen und ich nickte wieder. Cassian schien zufrieden, das die Familiensitzung ohne ihn funktionierte und hatte sich wieder seinem Handy gewidmet.

"Cassian, bist du auch schwul?", fragte Lily. Cassian schaute auf. "Du sollst ihm die Fragen stellen, nicht mir", meinte er nur und widmete sich wieder seinem Handy.

"Ich hab aber dich gefragt", meinte Lily selbstbewusst.
Cassian schaute sie genervt an.
"Ich bin zu alt für dich. Such dir jemanden in deinem Alter"

Ich musste mir das Lachen verkneifen. Das hätte ihr wohl keiner besser sagen können.
Aber sie war hartnäckig.

"Und wie alt bist du?", fragte sie weiter. "Ich erkenne die Ähnlichkeit zwischen euch", sagte Cassian zu mir. Ich musste grinsen. Ich hatte ihm auch so viele Fragen gestellt.

"Und wie alt bist du jetzt?", fragte Lily wieder. "4 Jahre älter als du und 22 Jahre jünger als deine Mutter", meinte Cassian und wendete sich wieder seinem Handy zu. Mit wem er wohl die ganze Zeit schrieb.

Lily fing an zu rechnen. "18?", riet sie. "Ich sagte 4 Jahre, nicht 3", sagte Cassian ohne von seinem Handy aufzusehen. "19", sagte Lily zufrieden. Cassian ignorierte sie.

Dann steckte er das Handy weg und fragte: "Und, habt ihr's jetzt geschluckt, dass er schwul ist?"
"Du tust so, als wäre das alles keine große Sache", beschwerte sich meine Mutter.

"Weil es keine große Sache ist", sagte Cassian ungeduldig. "Er steht nun mal auf Männer, nicht auf Frauen. Findet euch damit ab, das ihr von ihm keine Enkelkinder bekommt"

Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: "Ihr habt ja noch sie, von ihr kriegt ihr bestimmt genug Enkelkinder" Ich lachte... als einziger. "Heißt das, sie steigt mit jedem Kerl ins Bett?", fragte ich prustend.

"Mit jedem, der über 1, 70 groß und männlich ist", sagte Cassian grinsend. Lily schaute ihn nur finster an.

Nachdem, nach Cassian's Aufforderung, meine Eltern mir nochmal sagten, dass sie mich liebten, egal auf was und wen ich stehe, ist Cassian schließlich gegangen.

Danach saß ich in meinem Zimmer und machte meine Hausaufgaben.

Christina's Sicht

Nachdem ich mit Caroline in der Cafeteria gegessen hatte, unterhielten wir uns noch.

Melcolm war nach der Schule einfach gegangen, ohne etwas zu sagen. Ob mit ihm alles in Ordnung ist? Ich musste mal mit ihm reden.

Irgendwann schweiften meine Gedanken zu Cassian. Waren er und Melcolm jetzt befreundet?
Er kam mir eigentlich nicht wie ein Rudeltier vor, wenn man ihn mit einem Wolf vergleichen kann.

"Christina, hörst du mir überhaupt zu? Wo bist du denn mit deinem Kopf?", riss Caroline mich aus meinen Gedanken. "Na, hier", antwortete ich ihr.

"Scheinbar aber nicht", widersprach Caroline. "Tut mir leid, ich hab im Moment viel zu tun", meinte ich. Irgendwie stimmte das ja nicht, aber mir ist nichts Besseres eingefallen.

Schließlich verabschiedete ich mich entschuldigend von Caroline, da ich es wirklich nicht schaffte, mich auf sie zu konzentrieren.

Gedankenverloren lief ich über den Parkplatz, als ich Cassian sah. Er trug wie immer dunkle Jeans und seine schwere Lederjacke. Seine schwarzen Haare, die ihm knapp über die Schultern reichten, waren vom Wind zerzaust und einzelne Strähnen hatten sich aus dem Zopf gelöst.

"Hi", sagte er, als er an mir vorbei ging. Unauffällig schaute ich mich um, doch da waren nur wir zwei. Ich schaute ihn wieder an. Auf seinem Gesicht hatte sich ein amüsiertes Grinsen ausgebreitet.

"Hi", sagte ich unsicher. "Hast du jetzt erst Schule aus?", fragte er. Ich konnte nicht glauben, dass er wirklich mit mir redete.

"Nein, ich hab noch in der Cafeteria gegessen", antwortete ich noch immer unsicher. Cassian nickte. Er lächelte mir gerade zum Abschied zu, als ich schnell sagte: "Willst du noch mit zu mir kommen?"

Cassian starrte mich überrascht an. Gerade eben noch hielt ich es für eine gute Idee das zu fragen, doch jetzt würde ich es am liebsten zurücknehmen. Irgendwie klang das ziemlich... naja... notgeil. "Also... ich meine nur, weil meine Mutter hat eine Konferenz und ist deswegen nicht Zuhause und...", ich brach ab. Es hätte doch eh keinen Sinn.

Ich wollte mich schon entschuldigen, dass ich das gefragt habe, als Cassian antwortete: "Kkar, wo wohnst du?" Jetzt starrte ich ihn überrascht an. Mit dieser Antwort hatte ich nicht gerechnet.

"Wir müssen mit dem Bus fahren", erklärte ich. Ich lief los und Cassian neben mir her. Irgendwie fühlte sich mein Herz leichter an.

Das einzige, was ich im Moment fühlte, war Erleichterung. Pure Erleichterung.

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Tut mir leid, dass es wieder so lange gedauert hat.

Wie findet ihr, dass auch was aus Melcolm's Sicht erzählt wird?

Wie immer sind Kritik und Verbesserungsvorschläge erwünscht!

<3

Des Teufels SohnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt