Abendgesellschaften

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-Katniss-

Durch Gales Unfall verschoben wir unser Abendessen im Kapitol um zwei Stunden, sodass wir noch ein bisschen länger bleiben konnten. Wir besuchten die Lieblingseisdiele der fünf und gingen anschließend zu Gale ins Krankenhaus. Es war eine echte Meisterleistung, dass die Ärzte das hineingeschmuggelte Eis nicht mit bekamen, aber das war es wert. Gale freute sich wie ein kleines Kind über die Stracciatella-Organgenmischung.

Gegen 20 Uhr brachen wir schließlich auf und verabschiedeten uns von Kayla, Gale und dem Rest. Der Zug war angenehm kühl und fast leer. Ein paar wichtig aussehende Menschen fuhren mit, ansonsten hatten wir freie Platzwahl. Peeta und ich steuerten direkt das letzte Abteil an, um den Ausblick der Distrikte bei Nacht genießen zu können.

„Wie fandest du Gales Freunde?" fragte Peeta, als wir saßen. „Nett, besonders Keyla." „Mir war klar, dass du sie mögen würdest. Sie ist wie du." Erstaunt sah ich ihn an: „Wie meinst du das?" „Ist dir das nicht aufgefallen? Sie sieht nicht nur aus wie du. Sie hat auch deinen Charakter und fast deine Ausstrahlung." „Sie hat was?" „Katniss, das muss dir doch aufgefallen sein." „Ich habe nur bemerkt, dass sie wunderschön ist." „So wie du." lächelte Peeta und ich lehnte mich an seine Schulter. Er sagte das einfach so, als wäre es das normalste der Welt, doch ich kannte keinen Jungen, dem diese Worte einfach so über die Lippen kamen. Aber Peeta war ja auch nicht, wie alle Jungs die ich kannte. Doch plötzlich kam mir ein anderer Gedanke und ich setzte mich auf: „Warum sucht sich Gale eine Freundin, die genauso ist wie ich?" „Fällt dir da kein Grund ein?" Peeta lächelte leicht, doch ich wusste, dass das Unwissen über meine Gefühle ihn fast auffraß. Ich atmete tief durch und erzählte ihm schließlich von Beetees Forschungszentrum. „Als Beetee und du raus gegangen seid, damit Gale und ich in Ruhe reden konnten, ist etwas passiert." Ich sah an Peetas Augen, dass er mir vollkommen vertraute. „Gale hat mich geküsst. Er nannte es Abschiedskuss und er würde mich nun nie wieder küssen. Er hat damit abgeschlossen." „Danke, dass du es mir gesagt hast." meinte er. „Das war alles? Kein Gefühlsausbruch? Keine Beschuldigungen, dass ich mit dir spielen würde? Peeta, du kannst mir doch nicht alles verzeihen!" Erschrocken schaute er mich an. „Ich bin nicht sauer oder ähnliches. Ich weiß, dass du ihn als sehr guten Freund siehst und ich bin froh, dass Gale dich losgelassen hat." Ich lehnte mich wieder an seine Schulter. „Du bist zu gut für mich."

Gegen um elf kamen wir schließlich im Kapitol an. Es war furchtbar gewesen dem ganzen Essen im Zug zu wiederstehen und ich war regelrecht ausgehungert. Das letzte, was ich zu mir genommen hatte, war das Eis gewesen. Das Kapitol war hell erleuchtet und ein Wagen stand schon für uns bereit. Der Fahrer war ein braunhaariger Anzugträger, welcher nicht viel sagte. Es dauerte keine zehn Minuten bis sich der Präsidentenpalast vor uns erhob. Schnell bedankten wir uns bei dem Fahrer und stiegen aus. Automatisch öffnete sich das Tor für uns, doch ich blieb wie angewurzelt stehen. Hier hatten so viele Kinder ihren Tod gefunden. Hier war meine Schwester gestorben. Ich konnte nicht weitergehen ohne die zerstückelten Leichen vor meinen Augen zu sehen. So viele Unschuldige waren hier verendet. Unschuldige, welche hätten alt werden sollen, eine Familie gründen und schließlich in aller Würde sterben sollen. Mir steckte ein Kloß im Hals und ich spürte, wie heiße Tränen in mir aufstiegen. Ich hätte es verhindern müssen. Warum hatte ich Coin nicht durchschaut? „Katniss?" flüsterte Peeta plötzlich neben mir und ich hatte nicht gemerkt, dass ich auf den Boden gesunken war. „Alles gut, geht schon wieder." krächzte ich mit belegter Stimme. „Hier ist sie gestorben, Prim, wahr oder nicht wahr?" „Wahr." meinte ich und wieder spürte ich die Tränen, doch Peeta küsste sie weg. Schweigend lehnte ich mich an ihn. Ich wusste wirklich nicht, wie ich ihn verdient hatte.

Paylor wartete schon ungeduldig auf uns. „Katniss, Peeta, wie schön, dass ihr es endlich geschafft habt." sie umarmte uns kurz und wies uns dann mit einer kurzen Handbewegung zu unseren Plätzen. Das Essen stand schon auf der Tafel, an welcher auch Plutarch saß. „Plutarch! Schön dich zu sehen." rief Peeta erfreut und umrundete den Tisch. Ich tat es ihm gleich und umarmte auch ihn. „Nun setzt euch aber." bemerkte Paylor und ich musste Grinsen. Wahrscheinlich war sie auch unglaublich hungrig. „Ich würde sagen, lasst es euch schmecken." „Danke gleichfalls." Ich griff sofort nach ein paar Baguettescheiben, einem Schnitzel und Mais. Hungrig ließen wir es uns schmecken. Paylor erzählte uns nebenbei, wie es so in der Regierung lief und wir warfen unsere Kommentare an geeigneten Stellen ein. Schließlich kam sie zum Bau von Krankenhäusern. „Es ist so, dass es einfach zu weit ist, wenn das einzige große Krankenhaus im Kapitol steht. Deshalb werden wir in jedem Distrikt ein Krankenhaus bauen bzw. in Distrikten, wo schon eins steht, es ausbauen. Die Baupläne sind schon rausgegangen und die Arbeiter werden nächste Woche eingewiesen. Bis zum Winter wird es zumindest genügend Ärzte geben." „Das klingt schön." meinte Peeta und sah mich an. Ich wusste, was er wollte und ich holte Luft: „Paylor, hätten Sie vielleicht einen Job für mich?" erstaunt sah sie mich an, „Also in Distrikt 12" Man sah ihr an, wie sie nachdachte. „Du hast früher immer gejagt und dich um das Essen gekümmert, oder?" Ich nickte. „Das ist schwierig. Was ist, wenn du einfach für zwei Monate als Springerin arbeitest. Das bedeutet, du erledigst einfach alles, was grad gebraucht wird und kannst dir so darüber klar werden, was du willst." „Ähm klar, das wäre wahrscheinlich der einfachste Weg. Dankeschön." „Kein Problem. Melde dich einfach im Justizgebäude, wenn du wieder in 12 bist. Und du Peeta, wie läuft's in deiner Bäckerei." „Ich habe die Gestaltung Effie in Auftrag gegeben. Ich kann nur hoffen, dass ich die Bäckerei überhaupt noch führen kann, wenn ich wiederkomme." Wir alle mussten lachen. Die Vorstellung, dass Effie freie Hand in der Bäckerei hatte, war schon etwas furchteinflößend. Auch wenn wir Paylor und Plutarch nur oberflächlich kannten und eigentlich nur über das neue Panem sprachen, saßen wir noch bis nachts halb zwei uns redeten. Es war einer der entspanntesten Abenden, die wir seit langem hatten. Doch auch dieser Abend musste auch irgendwann zu Ende gehen und Plutarch zeigte uns den Weg in unser Zimmer. Ich schlüpfte schnell unter die Dusche während Peeta noch fernsah und als er dann schließlich aus der Dusche kam, war ich schon eingeschlafen.

-Haymitch-

Es wurde schon dunkel, als ich wieder nach Hause kam. Mein Kopf war voller Dokumente, die bearbeitet werden mussten, doch irgendwie war mein Job besser als ich dachte. Auf dem Heimweg war ich an der Bäckerei vorbeigekommen. Die Fenster sahen wunderschön aus. Garantiert hatte Effie dort Hand angelegt. Ach Effie...Mal sehen, ob ich sie heute zu Gesicht bekam.

Im Haus brannte Licht und als ich die Tür aufschloss, hörte ich Gelächter. Effie war offensichtlich nicht allein. „Haymitch!" lallte Effie grinsend und kam mir entgegen geschwankt. „Hallo Effie, ich sehe, du hast Gesellschaft." „Ja, Hazelle ist da. Wir haben zusammen die Bäckerei gestaltet." Es war ein Wunder, dass sie in diesem Zustand noch einen geraden Satz herausbekam. Sie stützte sich auf mir ab und mir kam eine Alkoholwolke entgegen. „Das ist mir unterwegs aufgefallen. Es sieht wirklich schön aus. Wann habt ihr beschlossen meine Alkoholsammlung zu plündern?" „Ach, keine Ahnung, ob wir das wirklich beschlossen haben. Wir haben nur festgestellt, dass kein Champagner da ist und da hab ich einfach irgendwas gegriffen, aber das war ziemlich schnell alle. Also brauchten wir etwas Neues." lallte Effie und ich führte sie zur Couch, wo eine rotglühende Hazelle saß und dümmlich lächelte. Ich schüttelte den Kopf. Wie hatten sie nur so viel trinken können? „Habt ihr schon Abendbrot gegessen?" „Ja. Es gab Brötchen." grinste Hazelle. „Schön, sehr schön. Ich mach mir jetzt auch etwas zum Essen." Ich ging schnell in die Küche und füllte einen Teller mit Brötchen, Wurst und sauren Gurken. Als ich wieder das Wohnzimmer betrat, lagen die beiden vor Lachen halb unterm Tisch. Ich verdrehte nur die Augen und setzte mich auf den freien Sessel. „Haaayyymitch! Haben wir noch Schnapsss? Ich glaube wir brauchen noch einen Schnapsss!" meinte Effie, doch Hazelle sprang plötzlich auf und rannte zur Tür. Eine warme Brise kam uns entgegen. Jedoch achtete ich nur auf die Würggeräusche. Nun reichte es aber wirklich! Hatte Hazelle Hawthorne da etwa gerade vor meine Tür gebrochen? Ich lief ihr hinterher. Zum Glück hatte sie es noch bis in den Garten der leerstehenden Häuser geschafft. Beschämt kam sie zurück. „Tut mir leid. Ich denke, ich werde jetzt nach Hause gehen." Ich lächelte ihr entgegen. „Tu das. Schaffst du es allein?" Hazelle nickte nur und schwankte aus meinem Blickfeld.

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LG Nicole

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