Teil 34

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Teil 34

Ich konnte mich nicht mehr daran erinnern wie seine Lippen sich anfühlten oder wie mein Herz jedesmal flatterte, wenn er mir sagte dass er mich liebe. In meinem Kopf war es vollkommen vernebelt und obwohl die Sonne heute schien war es stürmisch in mir drinnen. Ich war die restliche Woche krank gewesen, beziehungsweise war das meine Ausrede nicht zur Uni zu gehen. Er würde nicht da sein und in meinem Zustand konnte ich mich sowieso auf garnichts konzentrieren. Wenn ich nicht gerade The Fray oder Coldplay hörte, an die Decke starrte und alles an mir vorbeiziehen ließ, dann lag ich mit dem Foto in meinen Händen da und dachte an die Zeit zurück. Zwar erschien mir alles verschwommen, doch dafür wusste ich, dass es wirklich passiert war. Ich vermisste die Filmabende mit Nando. Ich vermisste wie er meine Hand hielt. Ich vermisste den klang seines Lachens. Ich vermisste seine auf mir ruhenden Augen. Und was mich am meisten quälte und innerlich umbrachte war die Tatsache, dass ich seine Wärme vermisste. Wenn er mich am Abend in seinen Armen hielt, mir Küsse auf die Stirn drückte und mich beschützte. Seinen Herzschlag, der sich mit meinem vermischte und somit einen gleichmäßigen Rhythmus vorgab. Ich wollte meinen Kopf an seine Brust legen und seine Tattoos nachfahren. Ich wollte das Wort „Defenseless" auf seinem Arm berühren, denn seit ich dieses Tattoo gesehen hatte, fühlte ich mich damit verbunden. Ich war hilflos, und wie ich das war. Die Erde drehte sich einfach weiter und die Zeit blieb nicht stehen, auch wenn es sich manchmal so anfühlte. Früher fande ich Filme in denen die Hauptpersonen Liebeskummer lächerlich, weil sie Liebeskummer hatten. Heute fande ich sie lächerlich, weil sie einem ein total falsches Bild von Liebeskummer gaben. Es half nichts Eis zu essen, Liebesfilme zu sehen und darauf zu warten dass es zu Ende ging. Wer 19 Jahre lang nicht geliebt hatte und dessen Herz schon gebrochen war, konnte nicht einfach Eis essen und warten. Wenn einem schonmal das Herz in tausend Stücke gerissen wurde, wusste wie schwer es war es wieder zu repariert zu bekommen. Für die meisten war es beim ersten mal unmöglich. 

Wenn einem das reparierte Herz erneuert gebrochen wurde und dann noch von dem Menschen der es repariert hatte, dann war man am Ende. Es ist dann vorbei, denn genau in diesem Moment ändern sich die Dinge. Man hört auf an die Hoffnung zu glauben. Man weiß, dass es in einem immer kalt bleiben wird egal was geschieht. Denn man kann und wird niemals ein gebrochenes Herz zweimal zusammenflicken. Das ist unmöglich. 

Ich stöpselte meine Kopfhörer aus und lief ins Bad. Mein Magen zog sich zusammen, also kniete ich mich vor die Kloschüssel, bevor alles hochkam. Ich half nach und steckte meinen Finger in den Hals. Mein Hals kratze jedesmal nachdem ich fertig war, doch es half mir auf einer kranke art und weise. Das war das einzige das mir half. 

Ich putze mir die Zähne und betrachtete mein Gesicht im Spiegel. Meine Haut war weiß und hatte einen leichten grünton. Die braunen Haare hatten an Glanz verloren, genauso wie meine matten Augen. Das offensichtlichste waren meine Augenringe und die Tatsache, dass ich dünner geworden war. Ich hatte immer eine normale Figur gehabt, doch man erkannte nun kaum noch meine Kurven. Es sah erschreckend und fürchterlich aus, doch ich konnte nicht damit aufhören das eklige Gefühl aus meinem Bauch zu pumpen. 

Ich konnte meinen Anblick nicht weiter ertragen, da der Hass auf mich weiter wuchs. Gerade als ich wieder unter meine Bettdecke kriechen wollte, klopfte es an der Tür. Plötzlich wurde ich hellwach und Adrenalin machte sich in meinem Körper breit. Tea konnte es nicht sein, da sie vorhin zu Cole gegangen war und außerdem hatte sie mich bereits vor 15 Minuten angerufen um sicherzustellen ob es mir gut ging. Vielleicht war es Blake, aber seit ich ihm im Flur stehen gelassen hatte, hatte er sich nicht gemeldet und dafür liebte ich ihn. Endlich ließ mich mal jemand in Ruhe und versuchte nicht mich aufzumuntern. Ich glaube er hatte erkannt wie aussichtslos die Lage war. Mein Herz pochte etwas schneller, als ich die Türklinke nach unten drückte. Was ist, wenn er gleich vor mir stand?

DefenselessWhere stories live. Discover now