Weg ins Ungewisse

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Es sinkt der Mond, der Sturm erwacht,

Hohl seufzt der Wald und Wölfe heulen;

Die Stadt ist fern und schwarz die Nacht.

Was soll er? fortgehn oder weilen?

Heinrich Christian Boie, Die Elfenburg


In der Dunkelheit war die Straße nach Hause ein schwarzer Fluss zwischen Schattenbäumen, wir dunkle Silhouetten knapp außer Reichweite von der Straße. Keijo lief fröhlich pfeifend vor mir zwischen den Bäumen her, seine spitzen Ohren viel zu real. Ein Elf, ein Magier und ich mittendrin, zumindest irgendwie. Ich wollte fragen, was es damit auf sich hatte, warum ich, warum jetzt, aber ich bekam kein Wort hervor. Als würde sich all das in Luft auflösen, sobald ich den Mund aufmachte.

„Frag doch einfach." Keijo warf mir über die Schulter ein Grinsen zu. Ich befreite meinen Schnürsenkel von einem Stein. „Wenn du noch lauter denkst, weckst du die Trolle."

„Moment - Trolle?"

„Oh ja." Er wartete, bis ich zu ihm aufgeholt hatte, und schon die Hände in die Taschen seiner Weste. „In grün oder gelb oder rosa, kannst du dir im Sortiment von Agathas Hexenlädelein ...-"

Ich schlug ihm vor die Brust. Er lachte.

„Wie hast du das vorhin gemeint?"

„Das mit den Trollen war ein Scherz, falls du es noch nicht...-"

„Das mit den Freunden."

„Was soll ich damit meinen?" Er schnipste ein Licht in die Luft. Ich starrte auf die Lichtkugel, die neben seinem spitzen Ohr schwebte, aber Keijo schien sie gar nicht zu bemerken. Vielleicht wurde ich doch wahnsinnig. „Ich kann dich gut leiden. Und dir bleibt leider nichts anderes übrig."

„Dir ist klar, dass wir uns nicht kennen?"

„Kennen, nicht kennen, ist doch egal." Ich hob die Augenbrauen und versuchte, nicht auf das Licht neben seinem Kopf zu starren, das die Zweige der Bäume um uns herum zu Knochenfingern werden ließ. Keijo verdrehte die Augen. „Ihr Menschen seid so kleinlich." Er packte meine Hände und fiel vor mir auf die Knie. „Keira Whitethorn, würdest du mir die Ehre erweisen und meine Freundin sein?"

Ich lachte. Keijos Augen funkelten belustigt, aber er verzog keine Miene. Irgendwie mochte ich ihn. Vollkommen seltsam und ohne jegliche Begründung, aber ich mochte ihn.

„Wenn du dich benimmst."

„Kann ich nicht versprechen." Er ließ meine Hände fallen und schnipste eine weitere Lichtkugel in die Luft. Ich überlegte, etwas deswegen zu sagen, entschied mich aber zugunsten meiner geistigen Gesundheit dagegen. „Nenn mich Pan."

„Geht klar." Ich tastete nach den Ohrringen in meinem linken Ohr. „Pan?"

„Hm?"

„Was sind die Nebelwelten?"

„Weißt du, Fragen sollte man auch beantworten können." Pan sprang über einen umgestürzten Baumstamm, die beiden Lichtkugeln sprangen mit ihm. Ich kletterte hinterher. „Die Nebelwelten sind... meine Heimat. Nicht viel anders, als die Welt der Menschen. Nur anders."

„Warum fühle ich mich nur so gar nicht informiert?"

„Langweilst du dich eigentlich selber? Mich nämlich schon." Er schnipste eines der Lichter auf mich zu, ich duckte mich. Die Lichtkugel löste sich auf, bevor sie in meine Nähe kommen konnte. Mir wurde schwindelig. Das war Magie. Echte Magie. „Die Nebelwelten sind die Welt hinter dem Nebel. Avalon ist bei den Menschen am bekanntesten. Dank diesem Winzling von einem Winterherrscher. Mittlerweile hat ihn die Herrin der Sommerseite zum Glück besser im Griff." Keijo zog eine Grimasse. „Dann gibt es da die Wilden Lande. Da kann man sich so ziemlich frei bewegen, wenn man weiß wie und wenn man sich nicht gleich fressen lässt. Oh, und das Reich hinter dem Schlund. Würde ich dir nicht empfehlen, die Verdammten neigen dazu, Leute wie dich zum Frühstück zu verspeisen."

Nebelsucher - Kinder des WaldesWhere stories live. Discover now