3. "Die Begegnung"

3K 179 83
                                    

"I'm about to lose my mind
You've been gone for so long,
I'm runnin' outta time" ~Eminem&Dr. Dre -I need a doctor

Erschöpft legte ich mich in mein Bett. Die Friedhofsbesuche nahmen mich immer mit. Ich wollte ihren Tod nicht akzeptieren, denn mit ihrem Tod hatte sich mein ganzes Leben auf den Kopf gestellt. Es hatte sich alles von heute auf morgen geändert. Sie waren gestorben, Ali hatte mich im Stich gelassen, genau da, wo ich ihn am meisten gebraucht hatte und Musa war mir fremd geworden.
Ich nahm das Bild, welches auf meiner Kommode stand und strich darüber. sie lächelten in die Kamera, so als ob sie keine Sorgen hätten, als ob das Leben immer fair zu ihnen gewesen wäre. Dabei wusste ich genau, dass es nicht so gewesen war, dass sie unheimlich viel durchgemacht hatten, sowohl zusammen als auch einzeln und trotzdem standhaft geblieben waren. Ich wusste, ich sollte mich an ihnen orientieren, ihnen gerecht werden, doch das alles war nicht so leicht. Ich legte mich schlafen, bevor mich der Schlaf in seine Arme ziehen konnte, sprach ich ein Stoßgebet für sie aus. Für sie, damit es ihnen dort, wo auch immer sie jetzt waren, gut ging.

Es waren gute zwei Wochen vergangen und desöfteren hatte ich das Gefühl beobachtet zu werden, dabei wurde ich das ja ständig. Man suchte nur nach Fehlern an mir, damit man über sie berichten konnte. Die perfekte Tochter der Alacas. Ich war in den Augen aller viel zu perfekt, weswegen mein Tattoo ja so viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte. Es ging nicht darum, was ich auf meiner Haut verewigt hatte, viel eher ging es darum, dass ich etwas auf meiner Haut verewigt hatte.
Wieso Zum Scheitern verurteilt?, hatten die wenigsten gefragt, wobei die Antwort darauf so simpel war;
Weil es so war. Weil es mich widerspiegelte. Mein Leben. Oder zumindest die letzten acht Jahre davon.

Gelangweilt saß ich vor meinem Laptop und entschied mich auf ask.fm zu gehen. Ali hatte mich nichts mehr gefragt, doch er likte ständig Antworten von mir, so als ob er sagen wollte, dass er ein Auge auf mich hatte. Vielleicht hatte ich auch genau aus diesem Grund das Gefühl unter Beobachtung zu stehen, ich wusste es einfach nicht.
Mir stach eine Frage ins Auge, die ich anscheinend übersehen hatte, da sie mir vor drei Tagen gestellt wurde. Von Ali. 'Warum Zum Scheitern verurteilt?' Mit einem Lächeln sah ich auf die Innenseite meines linken Handgelenks. 'Warum nicht?', antwortete ich auf diese Frage. 'Sag du es mir', hatte er geschrieben. Ich ging nicht darauf ein, denn nicht zu wissen, wer er war, trieb mich in den Wahnsinn. Ich hätte mir normalerweise keine Gedanken um ihn gemacht, doch das Gefühl, dass er er war, ließ mich einfach nicht los.

Als ich mich ausloggen wollte, erhielt ich erneut eine Frage von ihm. 'Wir sehen uns auf der Charity-Organisation am Freitag.' Was wollte so jemand wie er auf der Charity-Organisation?
'Was will jemand, wie du dort? Ohne Einladung und mit Hoodie und Jeans kommst du da nicht rein', stellte ich ihm die Frage. Ich hatte seine Frage nicht öffentlich beantwortet, weil ich erst wissen wollte, wer er war.
'Ich musste bei deiner Frage schmunzeln. Woher weißt du, dass ich keine Einladung habe?' Ich hatte mich höchstpersönlich um die Einladungen gekümmert und ich wusste, dass er nicht dabei war. Niemand mit dem Namen Ali stand auf der Liste.
'Weil ich die Namensliste ersellt habe und die Einladungen verschickt habe.' 'Dann lass dich einfach mal überraschen, denn ich werde da sein.' Ein Gedanke schoss mir durch den Kopf, doch ich schob ihn beiseite. Es wäre möglich, er könnte es wirklich sein. Er, mein ehemaliger bester Freund und wenn er es war, konnte er auf die Veranstaltung kommen, dass wäre ein Zuckerschlecken für ihn. Ein ganz einfaches Spiel. Denn seine Großeltern standen auf der Liste. Trotzdem schob ich diesen Gedanken beiseite. Denn ich wollte ihm nicht begegnen. Nicht auf so einer großen Veranstaltung und auch sonst nicht.
"Doch wenn du es wirklich bist Ali und wenn du wirklich anwesend sein wirst, dann werde ich dich dieses mal im Stich lassen, so wie du es vor acht Jahren getan hast."

Zum Scheitern verurteiltWhere stories live. Discover now