"Dein Fels in der Brandung,
Ich fahr dich sicher durch die Nacht
Und du hast keine Angst um nichts,
Und für dich durchbricht mein Blick jeden Nebel,
Jeden Zweifel erhaben,
Weil wir immer sicher ankommen."
~Kontra K - Fels in der Brandung"Hira?" "Abi?", fragte ich erstaunt. Auch wenn ich Musa selten so nannte, schien es jetzt das richtige zu sein. Musa umschloss mich in seine starken Arme.
"Was machst du um die Uhrzeit hier?" Ich zuckte nur mit den Schultern. Er atmete tief durch.
"Wie lange bist du schon hier?" Wenn er mein Gespräch mit meinen Großeltern mitbekommen hatte, musste ich ihn davon überzeugen, Ali nichts zu erzählen.
"Ali hat mich angerufen, nachdem er dich Zuhause abgelassen hat, er wollte, dass ich nach dir schaue. Du saßt an der Tür, hast mich gar nicht wahrgenommen, weswegen ich dich in Ruhe lassen wollte, dann bist du auf dein Zimmer, doch kurz darauf wieder raus. Ich hätte es nicht riskieren können, dass dir etwas passiert oder du nachts alleine unterwegs bist. Deswegen bin ich dir gefolgt." Schleunigst trennte ich mich von ihm und sah ihm beschämt in das Gesicht. Er hatte es mitbekommen! Trotzdem fragte ich zur Sicherheit nochmal nach.
"Hast du es mitbekommen?" "Wovon sprichst du?" "Das, was ich Nene und Dede erzählt habe?" Er schüttelte nur mit seinem Kopf und ich sah die Ehrlichkeit in seinen Augen. Beruhigt atmete ich aus.
"Was hast du ihnen denn erzählt?" Jetzt musste ich schlucken.
"Nichts", nuschelte ich, während ich mir eine Strähne hinters Ohr schob. Musa fixierte mich mit seinen Blicken, doch sagte nichts. Er hob seinen Blick und sah hinter mich, auf das Grab. Dann schloss er schmerzverzerrt seine Augen."Wann warst du das letzte Mal bei ihnen?" "Lange her." Auch wenn Musas Augen geschlossen waren, sah ich die Scham in seinem Gesicht. Er schämte sich. Schämte sich, weil er es nach seiner Meinung nicht geschafft hatte, ihnen ein würdiger Enkel zu sein. Doch was sollte ich dann sagen?
"Geh zu ihnen." "Ich kann nicht." "Abi, geh zu ihnen." Er öffnete endlich seine Augen. "Ich schäme mich Hira. Das letzte Mal war ich an ihrem Todestag hier und das nur, weil Yeşim mich gezwungen hat, sonst wäre ich nicht gekommen, ich habe kein Gesicht dafür. Nicht mal mein Versprechen, dir ein guter Bruder zu sein, konnte ich einhalten. Sie sind enttäuscht von mir." Meine Augen brannten. Doch ich musste für Musa stark sein.
"Du warst mir ein guter Bruder, ich kann mir keinen besseren als dich vorstellen, du bist mein Bruder, Musa. Glaub mir, sie sind stolz auf dich, geh zu ihnen."
Er atmete tief durch, nickte dann und lief zu ihrem Grab. Als er davor niederkniete und seine Hand ausstreckte, um über ihre Erde zu streichen, sah ich, wie diese zitterte. Die Tränen, die ich gerade noch zurückgehalten hatte, liefen nun in Strömen runter. Meine Sicht verschwamm, weswegen ich mir immer wieder über die Augen strich. Als ich sah, wie Musas Schultern bebten, lief ich eilig zu ihm."Abi..." Er hatte mich direkt in seine Arme geschlossen und da saßen wir nachts am Grab unserer Großeltern, umarmten uns gegenseitig und heulten beide über ihre Abwesenheit.
"Ich habe sie so vermisst, Hira. So sehr", sprach Musa mit heißerer Stimme. Meine Arme um ihn, umschloss ich noch stärker.
"Ich weiß, ich weiß. Mir fehlen sie auch so unheimlich sehr."Lange saßen wir uns umarmend an ihrem Grab. Musa, mein Onkel und Ali waren die einzigen Menschen, die ich hatte. Ich konnte sie nicht an einer Hand, sondern an drei Fingern abzählen.
Als ich zu Musa sah, fragte ich mich, wessen Reue, wessen Scham größer war.
Seine oder meine? Er hatte seinen Weg aufgrund seiner Freunde verloren und fast auch sich selbst. Ich hatte angefangen mich selber zu verletzen und jeden in das Loch mitzuziehen, hatte undurchdringliche Mauern mich gebaut. Wer von uns beiden hatte sich und seiner Umgebung einen größeren Schaden hinzugefügt? Wer von uns war unseren Großeltern ein würdigeres oder unwürdigeres Enkelkind?"Worüber denkst du nach?", fragte Musa mit heißerer Stimme.
"Nichts, nichts Wichtiges. Lass uns gehen Musa, es ist schon sehr spät und kalt." Er nickte zur Bestätigung, also hoben wir beide unsere Hände gen Himmel und sprachen noch ein Gebet für unsere Großeltern. Die mehr Eltern waren als Großeltern. Die mehr Eltern waren als unsere Eltern es je waren und sein würden."Lass uns mit meinem Auto fahren", bot mir Musa an.
"Nein, ich muss morgen ziemlich früh ins Restaurant, ich brauche meinen Wagen." "Dann gib mir deine Schlüssel."
Dachte er ernsthaft, er sei in einem besseren Zustand als ich? Doch auf Streit war ich nicht aus, also tat ich das, was er mir befahl. Im Auto angekommen, brannte das kleine Licht in unseren Augen. Musas Augen waren nicht nur gerötet, sondern rot. Er sah einfach nur am Ende aus. Ausgelaugt. Total fertig.
Vermutlich sah ich kein Stückchen besser aus. Als seine Blicke sich zu mir wandten und er mich traurig anlächelte, hatte ich die Bestätigung für meine Vermutung."Willst du morgen wirklich arbeiten?", fragte er, während er den Wagen aus dem steinigen Weg lenkte.
"Ich muss." Nach meinen Worten entstand eisige Kälte. Am liebsten hätte ich mir auf die Zunge gebissen, Anstelle diese Worte auszusprechen. Es war falsch gewesen. Es belastete Musa.
"Hira-" "-Musa es ist in Ordnung, wirklich. Ich arbeite gerne. Vor allem, weil ich dann auch Zeit mit Amca verbringe. Es gefällt mir, wirklich." Es war die Wahrheit. Natürlich war es neben dem Abitur nicht ganz so leicht, aber es war dennoch machbar. Musa blickte kurz zu mir und ich schenkte ihm ein aufrichtiges Lächeln. Die Anspannung in seinem Gesicht und Körper ließ etwas nach.
"Aber falls es dir zu viel wird-" "-dann gebe ich dir Bescheid." Eine Lüge, der wir uns beide bewusst waren. Ich war der letzte Mensch, der sowas tun würde. Trotzdem gaben wir uns beide mit dieser Lüge zufrieden oder nahmen sie so hin, weil wir nichts ändern würden an der Situation. Vielleicht könnten wir das, aber wir würden das nicht tun.Zuhause angekommen, wusch ich mir das Gesicht mit eiskaltem Wasser, putzte meine Zähne und machte mich bettfertig. Als ich im Bett lag, klopfte Musa an der Tür.
Die Sicherheit, dass es Musa war, hatte ich dadurch, dass meine Eltern mich mieden, seitdem ich dieses Zimmer bezogen hatte, hatten sie keinen Schritt hierher getan.
Da Nimet Teyze um diese Uhrzeit nicht hier war, konnte es nur Musa sein."Ich wollte dir nur eine gute Nacht wünschen." Ich schenkte meinem Bruder ein Lächeln.
"Danke, dir auch." Kurz hielt ich inne und fügte dann das Wort Abi hinzu. Auf Musas Lippen schlich sich ein zufriedenes Lächeln, doch der traurige Schatten in seinen Augen verschwand nicht, wollte einfach nicht verschwinden.
Nachdem er das Zimmer verlassen hatte, griff ich nach meinem Handy und schrieb Yeşim, damit sie sich morgen um Musa kümmerte. Denn so wie Ali meinen Schmerz heilte, mir gut tat, hatte Yeşim dieselbe Wirkung auf meinen Bruder. Das war also dann die Macht der Liebe.Tada, Überraschung 🎉
Ich bedanke mich ganz herzlich bei gonlumsanaait und Hul1907, da sie mich auf die Idee brachten, dass es Musa sein könnte, der am Friedhof war. Ehrlich Mädels großes Dankeschön an euch! ❤
Ursprünglich war nämlich Ali geplant, bevor ihr klagt, wieso er es nicht war, so wie Musa hätte auch Ali nichts von Hiras Monolog mitbekommen, sprich für den weiteren Verlauf ist es eigentlich extrem irrelevant, wer am Friedhof ist.
Versteht ihr jetzt, warum mir eure Kommentare so wichtig sind? Weil sie mich inspirieren, motivieren. Ihr lässt mich Dinge aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten, bringt mich auf neue Ideen. Vernachlässigt diese Kommentare Bitte nicht, sie bedeuten mir nämlich die Welt. Ihr seid meine Motivations- und Inspirationsquellen 🌸
Das Kapitel habe ich echt an einer fiesen Stelle beendet, ich weiß, aber ich bin echt glücklich darüber -nicht weil ich euch gequält habe oder vielleicht doch, man weiß nicht so genau :b -sondern weil ich so Musa wieder miteinbinden konnte und diese Idee mir viel mehr gefällt.
Teil II gibt es wie gewohnt am Samstag.
Hoffentlich hattet ihr viel Spaß beim Lesen meine lieben Zuckermenschen! ❤
P.S: Ich habe gerade Semesterferien, deswegen war es mir möglich direkt weiterzuschreiben, erwartet aber nicht öfters sowas, da ich ab Morgen an meiner Hausarbeit sitzen werde, Vorfreude pur😊 -oder auch nicht😅Eure Verâ ♡

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Zum Scheitern verurteilt
General Fiction"Sie waren gemeinsam in den Strömen dieser Welt und stürzten einsam von den Klippen dieser Welt." Da stand er nun vor mir. Schmerz spiegelte sich in unseren Augen wider. Wir hatten verloren. Wir hatten uns selbst verloren. Wann war das nur geschehe...