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In vier Monaten werde ich achtzehn. Das wird mir am Anfang der zweiten Schulwoche bewusst, als ich vom Fahrrad steige und es mit dem Schloss an den dafür vorgesehenen Stangen befestige.

Nora steht schon ungeduldig hinter mir und trinkt aus ihrer Eisteeflasche wie eine Verdurstende. Sie ist jetzt schon erledigt von der Schulzeit, die ja gerade erst wieder begonnen hat. Fragt nicht, wie es mir geht. (Ich empfinde ähnlich.)

Ich war nicht mehr im Wald. Selbst ich brauche Schlaf und Ma bewacht die Alarmanlage wieder kritischer, da scheinbar auch Fia einige Nächte entwischt ist. Sie hat jetzt Hausarrest. Das ist wohl einer der Vorteile, älter und männlich zu sein. Um mich sorgt sich keiner, wenn ich nächtlich verschwinde. Stattdessen wird es sogar noch belächelt.

»Hast du sie jetzt endlich ausgestalkt?«, fragt Nora und natürlich weiß ich, wen sie meint. Es ist ja nicht so, als gäbe es viele andere »sie«. Außer Nora grenzen sich meine weiblichen Bekanntschaften auf die Mitschülerinnen ein, von denen ich auch nicht viel mehr weiß als ihre Namen und ihre Hobbys. Wir sind keine Freunde, nicht einmal mit den Jungs. Wie bereits erwähnt, werde ich vermutlich keinen von ihnen nach der Schulzeit je wiedersehen. Wozu sich also jetzt näher befreunden, nur weil wir zufällig acht Stunden am Tag, fünf Tage die Woche zusammensitzen?

»Nein. Ich muss mir einen Kaffee holen gehen«, brumme ich und eile zur Cafeteria.

Sie ist mir egal. Sie ist mir egal. Jo ist mir sowas von egal. Sie war eine flüchtige Bekannte und eine Zeitlang haben wir uns nächtlich gesehen. Na und? Das heißt ja nicht, dass ich sie vermisse oder unsere Gespräche. Überhaupt nicht.

Deswegen bleibt mir auch nicht der Mund offen stehen, als sie plötzlich in der Schlange vor dem Kaffeeautomaten in einer Mädchentraube vor mir steht.

»Jo?«

»Sollte ich dich kennen?«


Everyday at midnight {I look up to the stars}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt