Kapitel 27

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Mein Herz rast vor Aufregung. Soll ich es ihm sagen? Er freut sich doch so sehr. Ich kann es nicht. Es fühlt sich so an, als würde man mir ein Messer in die Brust rahmen. Es schmerzt so fürchterlich. «Blau» sage ich nach einer Weile. «Wirklich? Eine kleine süsse Tina, wie die auf dem Foto wäre mir lieber» Mit aller Kraft versuche ich meine Tränen zurückzuhalten. «Aber schlussendlich soll es einfach nur gesund sein, egal ob Mädchen oder Junge» sagt er als Ergänzung. Mergim umarmt mich und seine Hände positioniert es genau auf meinem Bauch. Gott sei Dank klingelt mein Handy, denn wäre es noch weiter so gegangen, wäre ich weinend zusammengebrochen. Ich nehme Mergim's Hände weg und suche mein Handy. «Meine Mutter» sage ich mit zittriger Stimme. «Ja hallo. Po. (Ja) Okay. Po. Okay. Mhm. Ani (ok).» Ich lege auf. «Sie möchte, dass ich ihr noch ein paar Dinge besorge, bevor ich nach Hause komme.» Mergim nickt, als hätte ich seine Gedanken lesen können. Ich packe meine Sachen und hole meine Jacke. «Soll ich dich fahren?» «Nein. Ich laufe.» «Es ist dunkel. Komm ich fahre dich» «Nein. Schon okay» Er schaut mich misstrauisch an. «Ist alles in Ordnung? Willst du reden?» «Ja, alles bestens. Was soll schon sein?» lüge ich ihn an. Pokerface. Mir ist nichts anzumerken. «Okay wie du willst. Trotzdem fahre ich dich. Keine Wiederrede» Ich schaffe es nicht ihn abzuschütteln, also fährt er mich. Am liebsten wäre ich nach Hause gelaufen, obwohl das ein ziemlich langes Stück ist. Doch die frische Luft hätte mir bestimmt gut getan.

Kurze Zeit später setzt er mich zu Hause ab. Bevor ich aussteige, hält er mich am Arm. «Dorentina vergiss nicht. Egal was es ist, wir stehen das gemeinsam durch» Ich könnte schwören, dass er meine Gedanken lesen kann. Das macht mich nur noch kaputter. «Ich weiss» sage ich nur und steige aus. Er wartet nicht bis ich hinein gehe, sondern fährt gleich wieder weg. Ich befürchte, dass er enttäuscht von mir ist. Er denkt bestimmt, dass ich ihm etwas verheimliche. Leider hat er Recht, doch ich kann es ihm nicht sagen.
In meinem Bett mache ich mir weitere Gedanken darüber. Wenn ich es ihm sage, was würde er wohl machen? Würde er mich verlassen? Allein schon der Gedanke, dass er mich verlassen würde, verletzt mich. Was ist, wenn er bleiben würde? Das Risiko eingeht niemals ein Kind zu bekommen? Würde er das machen? Würde ich das überhaupt wollen? Könnte ich mit diesen Schuldgefühlen leben? Er hat ein Recht auf ein normales Leben, ohne Schwierigkeiten. Er hat eine bessere Frau verdient und nicht mich!

Meine Eltern merken nichts von all dem. Mergim lässt mir etwas Freiraum. Er meldet sich nicht mehr so oft. Wahrscheinlich wartet er darauf, dass ich mich melde. Das werde ich auch. Sobald ich eine Entscheidung getroffen habe. Anita weiss ebenfalls noch nichts davon. Sie ist zwar meine beste Freundin, aber ich kann sie unmöglich damit belasten. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie sich schlecht fühlen würde, dass sie ja selbst gerade schwanger ist. Ich muss da durch. Egal wie. Auch wenn ich am Schluss alleine bin.

Nach weiteren Untersuchungen beim Arzt bin ich zu dem Entschluss gekommen, dass ich mich von Mergim trenne. Das alles hätte einfach nicht sein dürfen. Ich glaube, dass das ein Zeichen ist, dass ich die falsche für ihn bin. Die ganze Geschichte mit uns wurde schon von Anfang an mit Höhen und Tiefen geprägt. Langsam aber sicher habe ich das Gefühl, dass es ein Fehler war, dass wir zusammengekommen sind. Ein sehr sehr grosser Fehler. Wir haben uns nur noch mehr in einander verliebt und deshalb schmerzt die Trennung umso mehr. Aber es ist besser jetzt zu leiden, als später. Dieser Schmerz ist vergänglich, der andere Schmerz würde ein Leben lang halten. Mergim kommt darüber hinweg und was mit mir ist, spielt gar keine Rolle.
Später mache ich mit Mergim ab. Ich spüre, dass er erleichtert ist, als ich ihn anrufe um ein Treffen zu vereinbaren. Meine Eltern wissen von nichts und ich habe auch keine Ahnung was ich ihnen sagen soll. Wir sind verlobt! Das ist keine gewöhnliche Beziehung mehr! Wir sind verlobt und ich weiss auch, dass sich viele Albaner das Maul darüber zerreissen werden, wenn wir uns trennen. Aber ihnen kannst du es sowieso nie recht machen. Ich entscheide für Mergim und mich. Und diese Entscheidung ist das beste für Mergim. Ich bin bereit ohne ihn zu leben, nur damit er die Chance hat glücklich zu sein. Auch wenn ich es nicht bin, die ihn glücklich machen wird. Wie weit muss ein Mensch gehen für jemanden, den er von ganzen Herzen liebt? Die Antwort darauf habe ich nun am eigenen Leib erfahren: Zu weit.

SchicksalsschlägeWhere stories live. Discover now