4.

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Zwei Wochen später ...

Ich steige aus meinem Bett. Heute ist offiziell mein erster Schultag in Paris. Man sollte meinen, dass ich viel zu aufgeregt bin um auch nur eine Spur von Müdigkeit empfinden zu können. Dem ist allerdings - leider - nicht so. Ich wohne nur zwei Straßen weiter von Ninos Zuhause entfernt, somit können wir hin und wieder zusammen zur Schule und nachhause gehen. Das wird mir heute bestimmt eine Hilfe dabei sein, nicht im Unterricht nur so vor mich hin zu vegetieren. Denn mit Nino kann man sich lange und vor allem viel unterhalten. Also bereiten mir meine trägen Sinne erstmal keine Sorgen.
Das letzte Mal wurde ich nach der Schule belästigt aber Chat Noir hat mich gerettet, als sich die Lage weiterzuspitzte. Ich hoffe ich muss ihn und seine ungehemmte Art so schnell nicht wiedersehen, allerdings weiß ich auch dass ich ein Magnet für solche brenzlichen Situationen sein kann.
"[Dein Name]!", ruft meine Mutter nach mir.
"Ja, ich bin bereits wach!"
Bestimmt hat sie damit gerechnet, dass ich verschlafe. Das hätte jedoch auch gut möglich sein können.

In der Schule ist mein Sitzplatz neben Nathanaël bestehen geblieben. Er hat mich herzlich begrüßt und mir somit den Tag ein wenig versüßt. Man fühlt sich direkt viel willkommener. Am liebsten hätte ich ihm gegenüber meinen außerordentlichen Dank dafür ausgesprochen, doch das käme irgendwie schräg.
"Zeichnest du immer während des Unterrichts?", flüstere ich zu ihm rüber.
Er sieht mich verwundert an, nickt aber bestätigend. "Ja."
"Hast du denn gar keine Angst dafür Ärger zu bekommen?"
"Den habe ich schon oft bekommen." Er zuckt mit den Schultern und lacht leise. "Ich liebe das Zeichnen aber viel zu sehr, um mich davon einschüchtern zu lassen. Ich würde sogar behaupten, dass ich mich dadurch stellenweise besser beim Zuhören konzentrieren kann."
"Wow", gebe ich erstaunt zurück.
Madame Bustier ist gerade dabei die Aufgabe für die laufende Literaturstunde an die Tafel zu schreiben.
"Ihr werdet in Dreiergruppen arbeiten", verkündet sie nebenbei, "und die habe ich bereits eingeteilt."
Ein großes Seufzen dröhnt durch den Raum. Mein Sitznachbar und ich hingegen bleiben mucksmäuschenstill. Er vermutlich weil er zu vertieft in seine Zeichnung ist und quasi keine Zeit für großartige Beschwerden hat und ich weil ich kurz davor bin zu erstarren. Ich kenne noch immer so ziemlich niemanden in diesem Raum und soll mich schon an eine Gruppenarbeit heranwagen? Perfekt ...
Die Lehrerin setzt die Kreide ab und wendet sich wieder komplett zu uns.
„Chloé, Marinette und Kim", ernennt unsere Lehrerin das erste Team.
Bitte, bitte, bitte komme ich mit Nino und Nathanaël in eine Gruppe! Das würde mir alles so viel mehr erleichtern. Ich fühle mich an meinem ersten Tag noch nicht bereit dafür mit mir komplett fremden Leuten aufgezwungen aufeinander zu hocken. Wer weiß, ob sie mich überhaupt mögen werden oder ich einfach nur die nervige Neue letztendlich bin?
"Ivan, Rose und Juleka."
Ich sehe Nathanaël an, der nun auch seinen Blick nach vorne ausrichtet. Seinen Stift legt er zur Seite und stützt seinen Kopf stattdessen auf der nun freien Hand ab.
"Sabrina, Nino und Max."
NEIN!
Verzweifelt lasse ich mich in meinen Sitz nach hinten sinken. Ich unterdrücke ein verzweifeltes Seufzen, da ich bloß nicht allen zeigen möchte wie stark es mich gerade verunsichert ohne Nino arbeiten zu müssen.
"Alya, Adrien und [dein Name]."
NEEEIN! Auch nicht Nathanaël ... Ich glaube ich muss im Erdboden versinken. Oder ganz schnell meine Sachen packen und zurück nach [deine Heimatstadt] reisen. Gott, ich wünschte ich wäre nicht so ... derart schlecht in sowas ...
"Nathanaël, Mylène und Alix."
Wehmütig erhebe ich mich aus meinem Sitz. Nathanaël sieht mir dabei zu und lächelt mich aufmunternd an. Ich zwinge mich zu einem mutigen Lächeln als Erwiderung auf seine freundliche Geste. Es ist wirklich schade, dass wir nicht in einer Gruppe sind. Naja, ich sollte es aber auch so sehen: Es ist nicht das Ende der Welt, denn immerhin kenne ich Adrien! Und wenn er Nino mag, dann kann ich ja vielleicht gar nicht mehr so viel falsch machen. Schließlich sind Nino und ich ein Herz und eine Seele.
Der blonde Junge hat sich zu mir umgedreht und winkt mich zu sich. Ich setze erneut ein leichtes Lächeln auf, diesmal jedoch weniger erzwungen und packe meine Sachen zusammen um anschließend zu ihm gehen zu können.
"Hey", begrüßt er mich mit einem lieblichen Lächeln. Seine smaragdgrünen Augen strahlen mich förmlich an und sind kurz davor mich in ihren Bann zu ziehen, so schön sehen sie aus.
Nino steht auf, um mir den Platz frei zu machen. "Viel Spaß", wünscht er mir. Im Vorbeigehen drücke ich ihm leicht meinen Ellbogen in die Seite, da ich gerade nicht geärgert werden möchte. Der Mistkerl weiß ganz genau wie ich mich fühle! Ich höre ihn schmunzeln und verdrehe die Augen, ehe ich mich neben Adrien niederlasse. "Ähm", zögere ich etwas, "wer ist Alya?"
"Ich bin Alya", antwortet eine lachende Stimme hinter mir. Ein brünettes Mädchen, dessen Haarspitzen einen rötlichen Schimmer haben, mit einem Muttermal auf der Stirn und einer schwarzen Brille auf der Nase ist zu sehen, als ich mich umdrehe. "Und du bist die Neue. [Dein Name], richtig?"
"Richtig", antworte ich lächelnd. Ich komme mir ein wenig schlecht vor, weil ich nicht auf Anhieb wusste, wer sie ist und umgekehrt war das nicht der Fall. Das ist mal wieder do richtig typisch für mich.
"Wir müssen das dritte Kapitel lesen", weist Adrien uns an und schlägt die Lektüre vor sich auf.
"Streber", lacht Alya. "Ich würde viel lieber mehr über dich erfahren, [dein Name]!"
"W-Wie?" Oh-oh. Jetzt sollte ich gut überlegen, was ich erzähle.
"Woher kommst du?"
"Ä-Ähm ... [deine Heimatstadt], das liegt in [dein Heimatland]."
Warum stottere ich?! Eine normalere Frage hätte sie mir nicht stellen können und ich stelle mich so an, als hätte sie mich gefragt wen ich eines Tages heiraten möchte.
Aus dem Augenwinkel erkenne ich Adriens auf mich gerichtete Aufmerksamkeit. Dieses Interview mit Alya und das Wissen, dass er nicht abgeneigt ist zuzuhören, lässt mich irgendwie zusätzlich seltsam fühlen.
"Wow", gibt Alya mit großen Augen zurück. "Und warum bist du umgezogen?"
"Zum einen wegen der Familie, die hier mehr verbreitet ist und zum anderen weil es nicht schwer war für meine Eltern hier einen Job zu finden."
"Nicht schlecht." Sie packt ihren Stift und beginnt etwas aufzuschreiben. Notiert sie etwa meine Antworten?
"Was soll das werden, wenn es fertig ist?", lacht Adrien.
"Ich stelle das auf meinen Blog!"
?
"Auf deinen Blog?", frage ich irritiert.
Alya reagiert wie ein Blitz auf meine unsichere Frage: "Der LadyBlog!"
Ich sehe sie nur weiterhin verwirrt an, in der Hoffnung dass sie mir nähere Details dazu offenbart.
"Das ist ein Blog, der Ladybug gewidmet ist", flüstert Adrien mir zu. Sein Gesicht ist gefährlich nah an meinem, was mich komischerweise ernsthaft nervös macht und mir das Blut in die Wangen schießen lässt. Er hat wirklich alles, was ein Model zu bieten haben muss - rein optisch gesehen. Es ist auch ein wenig einschüchternd, wenn jemand keine ersichtlichen Makel aufweist.
"Ich habe außerdem von Nino gehört, dass du bereits Bekanntschaft mit Chat Noir gemacht hast", spricht er weiter.
Alya beugt sich zu mir, während Adrien sich wieder etwas entfernt hat und sie mustert mich von oben bis unten.
"Ist das wahr?", hakt sie nach.
Oookay ... Das fühlt sich gerade schon eher nach einer etwas weniger oberflächlichen Frage an. „J-Ja."
"Wie fandest du ihn?"
"Ähm ... I-Ich weiß nicht so recht. Er hat mich halt gerettet und ich bin ihm dankbar."
Nun sehe ich im Augenwinkel, wie Adrien seinen Blick von mir abgewendet hat. Er sieht überall hin, nur nicht mehr zu mir.
"Ladybug war aber weit und breit nicht zu sehen?", will Alya wissen.
"Nein, da war nur Chat Noir."
"Mensch, du hattest ganz schön Glück dass er in der Nähe war!"
"Ja", lache ich nun. "Das hat er auch zu mir gesagt."
"Bist du beeindruckt von dem einen Teil unseres Superheldenduos?"
Ich zucke mit den Schultern, ehe ich noch einmal beginne darüber nachzudenken.
Als ich das erste Mal davon gehört habe, habe ich das ein wenig ins Lächerliche gezogen aber nachdem ich Chat Noir zu verdanken habe, dass mir nichts schlimmeres als ein Schock passiert ist, sehe ich das Ganze ein wenig anders.
"Ja, bin ich", antworte ich schließlich. Adrien sieht mich wieder an, nachdem ich diesen Satz ausgesprochen habe.
"Chat Noir hat wirklich etwas drauf. Mit nur insgesamt zwei Bewegungen hat er diesen schmierigen Typen, der mich verfolgt hat, ausgeschaltet. Man kann sich auf jeden Fall sicherer fühlen wenn man hier durch die Straßen geht und weiß, dass so jemand auf dich aufpasst."
Die Worte sprudeln nur so aus mir hervor und ich bin zunächst selbst ein wenig überrascht darüber, doch ich meine jedes einzelne Wort genauso wie ich es sage.
Alya bemerkt Adriens Starren, weswegen sie zu ihm sieht und ihre Aufzeichnungen stoppt. "Was ist los, Blondi?"
Er räuspert sich lautstark und klopft sich ein paar Mal auf die Brust.
Hat er sich etwa an der Luft zum Atmen verschluckt?
"Ist alles okay?", frage auch ich nach.
"Ja, ja", lacht er verlegen und streicht sich durch sein Haar. "Alles bestens ... Also, wollen wir jetzt anfangen?"
"Schon gut", bestätigt Alya und nickt. Ich stimme mit ein.

Wer auffällt, ist noch kein Held | Adrien Agreste / Chat Noir X LeserWo Geschichten leben. Entdecke jetzt