5.

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Nach der Schule verlasse ich zusammen mit Adrien die Klasse. Ich gehe davon aus, dass er mich nett findet. Sonst würde er das wohl nicht tun. Währenddessen spüre ich, wie mich jemand ansieht. Quasi einen Blick im Rücken. Ich drehe mich möglichst unauffällig zur Seite um nachzuschauen, ob dem wirklich so ist und entdecke dabei überraschenderweise Marinette, die neben Alya hergeht. Es mag vielleicht Einbildung sein aber Marinettes Gesichtsausdruck sieht alles andere als glücklich aus. Ob das etwas mit mir zutun hat? Oder doch eher mit Adrien?
"Und du?", fragt Adrien mit einem Lächeln auf den Lippen und reißt mich damit aus meinen Gedanken.
Ich sehe verdutzt wieder zu ihm. Hat er etwa die ganze Zeit mit mir geredet?!
"T-Tut mir leid", entschuldige ich mich stammelnd, "ich bin irgendwie weggetreten."
„Das macht nichts", erwidert er mit dem gleichen, anhaltenden Lächeln. „Ich kann es wiederholen?"
Wow. Ich an seiner Stelle hätte mich ehrlich gesagt ganz schön übergangen gefühlt wenn mir jemand nicht richtig zugehört hat aber ihm scheint es wirklich nichts auszumachen. Er wirkt bei jedem seiner Sätze aufrichtig.
"Bitte", antworte ich und grinse.
"Ich hoffe es gefällt dir hier. Ich persönlich gehe sehr gerne zur Schule. Du findest das bestimmt seltsam aber ich freue mich immer darauf meine Freunde wiederzusehen und zusätzlich auch noch unzählige neue Sachen zu lernen. Besonders Nino ist aber mein liebster Teil an der Schule. Wie sieht es bei dir aus?"
"Das hört man auch nicht oft", merke ich an und nicke anerkennend. "Ich sehe Schule eher als eine Art Pflicht aber dem Aspekt mit den Freunden kann ich dir nur zustimmen."
Hier ist dem allerdings noch nicht wirklich der Fall. Die Neue zu sein bringt es eben mit sich, noch nicht von Freunde umgeben zu sein und sich stattdessen sogar zwischendurch eher alleine zu fühlen. Auch wenn ich Nino lassen muss, dass er sich sehr liebevoll um mich kümmert und überall mit hinschleppt, sodass mir der Einstieg ein wenig leichter fällt.
Ich wende meinen Blick von Adrien ab und schaue zu Boden. Wir nähern uns dem Ausgang der Schule.
"Stimmt etwas nicht?", höre ich ihn nach einer Minute des Schweigens in besorgter Stimmlage fragen.
Ich zucke leicht mit den Schultern, ehe ich ehrlich bin: "Ich habe hier ja noch so ziemlich niemanden bis auf Nino aber der gehört nunmal auch zur Familie. Das ist mir gerade einfach nochmal deutlicher geworden."
Wir gehen die große Treppe runter, die zur Straße hinunter führt, wo ich bereits ein edles Auto und einen breiten, streng aussehenden Mann davor stehen sehe. Der wartet bestimmt auf Adrien. Und ich muss zugeben, dass die Bezeichnung Gorilla zu ihm passt.
"[Dein Name]?"
Ich bemerke wie Adrien stehen bleibt, kurz nachdem wir von der letzten Stufe abgetreten sind. Mit fragendem Blick wende ich mich zu ihm zurück. "Ja?"
"Glaub mir, wenn ich dir sage, dass ich weiß wie das ist." Er beginnt wieder ein wenig zu lächeln. "Aber du bist ein freundliches Mädchen und das werden alle anderen bald genauso erkennen."
Wie er das einfach so sagt ... Als sei es nichts. Ich spüre wie meine Wangen beginnen sich zu verfärben und mir wird automatisch wärmer.
"Außerdem möchte ich dir versichern: Du hast du nicht nur Nino, sondern auch mich!"
Er strahlt mich an. Wie das Sonnenkind höchstpersönlich steckt er mich damit an, denn ich lächle nun ebenfalls. Er und ich sollen Freunde sein? Der Junge, dessen Gesicht überall in Paris hängt?
"Meinst du das ernst?", frage ich vorsichtshalber nochmal nach. Ich will gar nicht so unsicher klingen aber mir erscheint es beinahe zu schön um wahr zu sein.
Er packt mich mit seinen Händen sanft an den Schultern, wodurch er mir ein wenig näher kommt. "Aber natürlich! Selbstverständlich nur solange du damit einverstanden bist."
"Klar", lache ich erfreut über seine Worte und er stimmt mit ein.
"Ich muss dann jetzt leider los, ich habe Chinesisch-Unterricht." Er lässt mich wieder los und sieht zu dem Mann, bei dem ich bereits vermutet habe, dass er auf Adrien wartet.
"Warum ausgerechnet chinesisch?", frage ich neugierig nach.
"Mein Vater hält das für ausgesprochen wichtig, besonders wegen meines Nebenjobs als Gesicht seiner Marke. In China sind auch einige seiner besten Geschäftspartner vertreten. Hin und wieder muss er sogar dorthin reisen und manchmal soll ich mitkommen."
Er wirkt nicht sonderlich stolz wie er davon erzählt, obwohl das nichts normales oder selbstverständliches ist. Es macht viel mehr den Anschein, als wäre ihm seine Position nicht sonderlich wichtig oder als würde er das Ganze nichtmal mit viel Spaß assoziieren. Er könnte so abgehoben sein aber stattdessen ist er das nicht mal ein klitzekleines bisschen. Er ist so natürlich und nett.
"Bis morgen, [dein Name]!"
Er geht in die Richtung des teuer aussehenden, silber colorierten Autos, das wie eine Art Mini-Limousine aussieht.
"Bis morgen", murmle ich zurück und winke leicht, obwohl er es nicht sieht.
Die Autotür knallt zu, nachdem er eingestiegen ist und der stark wirkende Mann, der vermutlich auch sein Bodyguard ist, steigt vorne ein, um das Auto zu starten und loszufahren. Mit lautem Brausen entfernt sich Adrien in Sekundenschnelle Meter, schließlich Kilometer von mir.
Ich sehe noch einmal meine neue Schule an.
Mit solchen Leuten wie Adrien habe ich überhaupt nicht gerechnet. Vielleicht ist der Umzug sowie der Schulwechsel doch gar nicht so übel, wie ich zunächst dachte.
Plötzlich entdecke ich Nino auf mich zulaufen. "Hey, [dein Name]! Warte!"
Ich rühre mich nicht vom Fleck. Er kommt völlig außer Atem bei mir an.
"Was gibt es, Lieblingscousin?", frage ich lächelnd.
"Von Warten ... hast du wohl noch nie was gehört ... was?", japst er.
Ich lache über sein errötendes Gesicht. Trotz seines eher dunklen Hauttons ist es kaum zu übersehen.
"Ich bin mit Adrien gegangen", erkläre ich ihm. "Er ist wirklich nett!"
"Oh ja, das ist er! Wirklich cool, dass ihr euch versteht."
"Finde ich auch." Ich kann mir ein noch breiteres Lächeln nicht verkneifen.

Am nächsten Morgen warte ich auf Nino, an der Abzweigung in seine Straße. Zwei Minuten später als eigentlich abgemacht, kommt er zu mir gelaufen.
"Sieht du, ich habe wohl schon etwas von Warten gehört", kichere ich.
"Jaja, lass uns gehen." Er verdreht lachend die Augen und geht voran, ich hole ihn mit ein paar schnelleren Schritten wieder ein.
"Hey", beginne ich das Gespräch, "warum hast du eigentlich Alya von meiner Rettung von Chat Noir erzählt?"
"Weil es total cool ist! Außerdem ist sie besessen von ihm und vor allem Ladybug."
"Achso. Weiß man eigentlich wer die beiden in Wirklichkeit sind?"
"Nein, das macht sie gleich nochmal cooler! Jeder könnte hinter diesen Masken stecken!"
Begeistert sieht er zum Himmel. Ich tue es ihm gleich und erkenne ein paar einzelne Wolken, doch es sieht nicht danach aus als würde es später noch anfangen zu regnen, bevor wir wieder zuhause sind.
"Denkst du, dass es jemals rauskommen wird?"
Er lacht. "Wenn Alya weiterhin ihre Nachforschungen anstellt, vielleicht."
"Magst du sie?", quetsche ich ihn weiter aus, nun mit einem kleinen Lächeln im Gesicht.
"Ä-Ähm ..." Er legt verlegen eine Hand in seinen Nacken und streicht leicht darüber.
"Also ja!", quietsche ich.
"Ja, klar, wir sind ... befreundet ..."
Ich mustere ihn, verdrehe die Augen und halte ihn schließlich am linken Unterarm fest, wodurch er zum Anhalten gezwungen ist. "Befreundet?"
"Naja ...", murmelt er und geht meinem Blick aus dem Weg.
"Nino?"
Er schaut wieder zu mir und dann zu Boden. "Vielleicht mögen wir uns auch etwas ... sehr?"
"Also seid ihr zusammen?", hake ich weiter nach und merke, wie ich allmählich etwas ungeduldig werde.
"Ähm ... Nicht offiziell."
"WARUM SAGST DU MIR DAS NICHT?!", schreie ich auf.
"W-Weil es nunmal nicht so wichtig ist?!"
"Was redest du da für einen Unsinn?" Ich muss lachen. "Das ist doch toll! Ich freue mich sehr für dich, beziehungsweise euch."
"Ja ... Aber wie gesagt, es ist nicht offiziell. Nur Adrien, Marinette und du wissen davon."
Ich mache Anstalten weiterzugehen. Er folgt mir nebenher. "Okay, dann schweige ich darüber", versichere ich ihm.
"Danke."
"Ich finde das aber richtig süß", murmle ich mit einem breiten Grinsen.
"Hör auf", gibt er zurück und drückt mich leicht weg.
Ich muss wieder lachen. Ich habe ihn noch nie so verlegen erlebt.

Als ich mich neben Nathanaël niederlasse, sieht er mich erheitert an.
"Wie geht es dir?", erkunde ich mich.
"Sehr gut und dir?"
"Gu- ... Warte, sehr gut?"
"Ja."
"Klingt als wäre dir bereits etwas tolles passiert."
Er schüttelt schnell mit dem Kopf. "Nein, nein."
"O ... kay", antworte ich. Ich bin neugierig aber respektiere es, dass er nicht mehr erzählen möchte. Schließlich kennen wir uns noch immer kaum. Ich hoffe aber dass sich das möglichst schnell ändert, denn er ist mir wirklich sympathisch.
Madame Bustier betritt Sekunden später ebenfalls den Klassenraum und der Unterricht beginnt damit.

Wer auffällt, ist noch kein Held | Adrien Agreste / Chat Noir X LeserOnde histórias criam vida. Descubra agora