Castles made of sand [Er]

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Fast tut es mir leid, ihr dabei zusehen zu müssen, wie sie realisiert, dass ich nicht für alle sichtbar bin. Oder eher wie sie realisiert, dass ich zumindest nicht von ihrem merkwürdigen Vormund gesehen werde. Das ist immer das Schwerste – sowohl für mich als auch für meine Anhänger. Dieses Gefühl, nicht verrückt klingen zu wollen, wenn sie erklären, dass sie mich sehen. Und mir tut es weh. Nicht dass ich selbst noch viele Gefühle zulassen würde.

Um Elsas gestammelten Erklärungen zu unterbrechen, schwebe ich ins Zimmer und stelle mich neben sie. Ihre Hautfarbe hat sich wieder leicht ins rosafarbene bewegt und von ihr kommt kein Eisdunst mehr. Fast würde ich behaupten, dass sie stärker ist als ich, aber das kann nicht sein. Niemand ist mächtiger als ich. Nicht was Schnee angeht.

»Er wird mich nicht sehen, Elsa«, erkläre ich ihr und seufze fast. »Er glaubt nicht an Jack Frost.«

»Das bist du also? Jack Frost? Die Personifizierung des Winters?« Zweifel in ihrer Stimme. Dass ich das nochmal erlebe. Ein Mädchen mit Zauberkräften, das sieht, wie ich zaubere und das an mir zweifelt. Da frage ich mich, wieso SIE mich sehen kann. Wenn ihr doch offensichtlich nicht bewusst ist, was oder eher wer ich bin.

»Elsa, was geht hier vor?«, fragt ihr Mitbewohner-Kerl und fängt an zu schwitzen. Wirklich. Tropfenweise. Wenn ich dachte, dass es hier nicht seltsamer werden kann, habe ich mich augenscheinlich getäuscht. Diese Wohnung ist voller Überraschungen.

»Jack Frost ist hier. Und du kannst ihn nicht sehen.«

»Aber du?«, fragt Knollennase.

»Scheint so.« Sicher scheint sie sich aber auch nicht zu sein. »Aber uns wurde doch gesagt, dass so etwas passieren kann.«

»Nur weil deine Großeltern Jäger waren, heißt das nicht, dass du auch Jägerblut in dir trägst.«

Das ist ja interessant. Jäger. Von denen höre ich in den letzten Jahren nicht mehr viel, da sie fast ausgestorben sein sollen. Was mich ja doch verwundert, wenn man ihre Lust, sich zu vermehren ansieht. Wobei es schwierig sein sollte, Kinder großzuziehen, wenn man selbst stirbt.

»Aber das ist die einzige Erklärung!«

Jäger gehören zum Glück nicht zu meinen Problemen, weil ich mich außerhalb ihrer Gehaltsklasse bewege. Dank des Monds oder wem auch immer dieses Leben zu verdanken habe, bin ich ein notwendiges Übel für die Welt, sodass ich toleriert werde. Wenn auch nur widerwillig – von einigen. Elsa hingegen ist kein Hüter. Was erklärt, wieso sie so panisch hier ankam und packen wollte.

»Wie lange seid ihr schon auf der Flucht?«, unterbreche ich ihr äußerst unterhaltsames Gespräch mit Knollennase und schwebe ein bisschen im Zimmer herum. Ihre Schwester bekommt noch immer nichts mit und liegt im Nebenzimmer. Man könnte meinen, dass sie das Übernatürliche bemerkt, dass sich hier abspielt. Oder zumindest den Schnee.

»Seit über zehn Jahren jetzt.« Ihre Stimme zittert nicht, wie ich es zunächst angenommen habe. Sie wirkt gefasst und das muss ich ihr lassen, auch wenn ich mich sonst über sie witzig mache. Wobei auch das enden wird. Jetzt wo ich ihr Geheimnis kenne.

»Das tut mir leid.«

Keine Ahnung wieso ich das gesagt habe, aber ich meine es ernst. Was eine Abwechslung zu meinem sonstigen Verhalten ist. Das sollte mich beunruhigen, aber tatsächlich erfrischt es mich. Die Vorstellung, noch einige Tage länger hier zu bleiben, wirkt nicht mehr nach etwas langweiligem. Und die Idee, ihr Leben zu versauen, indem ich ihr die Wahrheit über die Freunde ihrer Schwester verrate, kommt mir auch nicht mehr lustig vor. Jetzt gibt es andere Beschäftigungen. Herauszufinden wer dieses Mädchen ist zum Beispiel.


The past is so behind meDonde viven las historias. Descúbrelo ahora