Doch Tränen seht ihr nicht [Sie]

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Ich bin neunzehn Tage gefangen, als sie das erste Mal mit mir reden. Nach drei gescheiterten Ausbruchsversuchen weiß ich mittlerweile wie sinnlos es ist, mich anzustrengen. Das Hauptquartier der Jäger ist besser gesichert als jedes Gefängnis und noch dazu durch magische Wesen geschützt. Es gibt kein Entkommen. Vermutlich soll es das auch nicht.

»Du musst ihnen helfen.«

Belle hat es sich seit diesem neunzehnten Tag zur Angewohnheit gemacht, mit mir zu sprechen. Heute ist Tag 54 meiner Gefangenschaft und ich verweigere jede Aussage. Ich kann nichts sagen, ich kann nicht verraten, wohin meine Schwester gefahren ist, ich kann nicht sagen, wo dieser andere Magier ist, ich kann überhaupt nichts sagen. Nicht einmal Angst fühle ich noch. Nur noch eine tiefe Leere.

»Wenn du für uns den Magier aufspürst ...«

Ich unterbreche sie mit dem Rascheln meiner Ketten. Eine um jeden Fuß und jedes Handgelenk und eine um meinen Hals. Als wäre ich ein gefährliches Tier. Belle hat mir ihre Geschichte erzählt. Wie der Magier sie in ein Biest verwandelt hat und sie sich letztendlich mit einem Kuss der wahren Liebe retten konnte. Sie hat versucht, Sympathien in mir zu wecken, aber ich habe keine mehr übrig. Ich bin leer. Leer, leer, leer.

Meine Eltern und Olaf und Anna haben mich beschützt, weil sie mich für einen guten Menschen hielten. Weil sie glaubten, dass ich nichts Böses tun könnte. Dass die Jäger die wahren Ungeheuer sind. Dabei hatten sie schon immer Unrecht. Ich hätte nie in der Nähe von anderen Menschen leben dürfen. Niemals. Es ist ein Wunder, dass ich Anna nie verletzt habe.

»Ich wollte immer nur ein ruhiges Leben. Ganz ohne Magie. Dass ich das jetzt in Ketten erlebe, hätte ich nie gedacht.«

»Elsa ...«

»Nein«, sage ich und lege mich hin. Wende das Gesicht von ihr ab. »Ich kann euch nicht helfen, das wisst ihr.«

Und ich will es auch nicht. Selbstmitleid steht mir.


The past is so behind meWhere stories live. Discover now