Kapitel 1

34 3 0
                                    

"Wieso isst du nichts?", fragte meine Mutter zum gefühlten 300 mal heute. Sie war besorgt, denn seit einigen Monaten schränkte sich mein Essverhalten immer mehr ein. Nicht dass es einen ausschlaggebend Grund dafür gab, ich war nicht zu dick und gemobbt wurde ich auch nicht. Ich hatte einfach von heute auf morgen aufgehört zu essen. Ob es der Stress mit meinen Noten war oder ob es die Trennung meiner Eltern war, steht außer Frage, ich war einfach nicht mehr glücklich mit dem Leben, das ich lebte. "Ich mache mir sorgen.", sagte sie, während sie mein Essen zurück in die Pfanne tat und den Teller in die Spüle legte. "Du gehst nicht mehr raus, reagierst nicht auf Anrufe oder besuche von Elizabeth und Christian. Ich habe keine Ahnung was los ist, bitte erkläre es mir." Ich zuckte mit den Schultern, wie ich bereits gesagt hatte, gab es keinen besonderen Grund dafür. Ich hatte mich einfach verändert.
Die Diskussion mit meiner Mutter war so ausgeartet, dass ich mich in meinem Zimmer eingeschlossen und mich ein paar mal übergeben hatte. Es war so komisch, so als wäre ich in der falschen Haut. "Ich bin verzweifelt, ich weiß dass sie nicht so schnell aufgenommen werden kann, aber können sie nicht eine Ausnahme machen? Sie hat sich in den letzten fünf Monaten furchtbar verändert, sie isst nicht, redet nicht, lässt weder ihre Freunde noch mich an sich ran. Ich möchte dass jemand rausfindet, was nicht stimmt." Dieser Satz prägte sich sehr stark in meinem Kopf ein, er machte mir schon fast Angst. Am nächsten morgen, weckte mich meine Mutter. Das tat sie nie, da sie um diese Uhrzeit bereits im Krankenhaus war und arbeitete. "Wie geht es dir?", fragte sie und schaute mich besorgt an. Ich hatte mich im Schlaf noch zweimal übergeben. Ich wollte etwas sagen, doch wusste nicht was. Also schwieg ich einfach und starrte an die Wand. Meine Mutter seufzte, sie war überfordert und ich ebenfalls. "Wieso redest du nicht mit mir?" Erneut wusste ich keine Antwort. "Was sollte ich erzählen?", war das einzige was ich rausbekam. Dennoch befriedigte es meine Mutter für einen Moment. "Was in dir vor sich geht, das möchte ich hören." Ich zuckte mit den Schultern. Ich dreht ihr den Rücken zu und schloss meine Augen. Sie seufzte nur enttäuscht und verließ mein Zimmer. Als ich mittags die Kraft dazu fand, mein Bett zu verlassen um aufs Klo zu gehen, betrachtete ich mich eine weile im Spiegel. Natürlich hatte ich abgenommen, die ganzen Monate hinterließen ihre Spuren. Dennoch konnte ich nichts dagegen tun, da mein Appetit von Minute zu Minute, wenn nicht sogar Sekunde, weniger wurde. Von Tag zu Tag, fühlte ich mich schlechter und ich konnte daran nichts ändern, weil ich keine Kraft dafür hatte. Ich ging in die Küche, in der ein Teller mit Rührei stand. Vermutlich hatte der Typ aus der Klinik ihr Tipps gegeben, wie man anfängt eine Essstörung zu bekämpfen. Dennoch warf ich das Ei meinem Hund in den Napf und spülte den Teller. Ich wollte nicht essen, mir war einfach nicht danach. Am Nachmittag, gegen fünf, klingt es. Es waren Elizabeth und Christian. Natürlich hätte ich Ihnen zu gerne die Tür aufgemacht, aber die Kraft um vom Sofa aufzustehen, während ich meine Serie schaute und dabei meinen Hund auf meinen Beinen hatte, war zu gering. Abends, so wie es normal war, kam meine Mutter viel später als sie sich angekündigt hatte. Um elf, als ich bereits im Bett lag, öffnete sich leise die Haustür. Sie dacht wohl ich schlafe bereits, was aber seit Monaten nicht der Fall war. Bereits dreimal hatte die Schule heute angerufen. Sie meinten ich werde nicht versetzt, da ich zu viele Fehltage hatte. Es war mir egal, zum ersten Mal im Leben, war mir sowohl meine Schullaufbahn, als auch alles andere in meinem Leben egal. Es war mir sogar egal, dass ich an meiner Essstörung sterben könnte, da dies mein Ziel war. Ich wollte einfach raus aus diesem Körper, mich neu erfinden, der Mensch sein der ich wirklich war. Und da bemerkte ich zum ersten Mal den Grund, weshalb ich so war, wie ich war: meine Eltern.

Unbroken / Slow UpdatesWhere stories live. Discover now