Kapitel 4

16 2 1
                                    

Als ich den Therapieraum betrat, erhellte der Raum, obwohl er bereits voller Tageslicht war. Er lächelte mich an, dabei erzählte man mir immer nur dass er schlecht gelaunt wäre und keinem zuhören würde. "Hallo.", sagte er, stand auf und schüttelte meine Hand. "Eh Hi.", stotterte ich heraus. "Setz dich, Elena." Ich setzte mich in den Sessel gegenüber von ihm und schaute ihm einfach in die Augen. Dieses hellgrüne fesselte mich so sehr, dass ich ausblendete dass er zurück starrte. "Bist du noch anwesend?", holte er mich dann zurück in die Realität. "Eh ja, 'tschuldigung. Hattest du was gesagt?" Er lachte. "Ich hatte gefragt wie es dir geht?"
Und auf einmal, kam diese Verklemmtheit, die Angst vor'm reden, diese "du bist fremd, wieso interessieren dich meine Probleme?" - Phase.
Ich zuckte mit den Schultern. "Keine Ahnung." Seine Miene wurde von fröhlich, zu grimmig und böse. "Höre zu, ich habe keine Zeit für dieses immer gleiche Verhalten, dass ihr an den Tag legt. Ich bin wie du, hab das selbe durch wie du und hasse dich genauso, wie du mich. Wir haben mehr gemeinsam, als ich mit meinem Zwillingsbruder. Und trotzdem redest du nicht mit mir, weil du der Meinung währst ich würde es nicht verstehen oder so. Glaub nicht dass ich den Beruf gewählt habe, weil meine Eltern mich dazu gezwungen haben. Ich habe ihn gewählt um Menschen wie dir zu zeigen, dass es Hoffnung gibt und dass du immer einen Halt im Leben finden wirst, der dich erneut hochzieht, wenn du liegst. Also sei so vernünftig und öffne dir mich. Ich verspreche dir, dass ich dir zuhören werde, egal was du mir erzählen wirst und egal wie lange es dauern wird."
Natürlich war ich im ersten Moment sprachlos, aber ich nickte.
"Gut, dann erzähl mir vorerst etwas über dich. Wer bist du, also wirklich, nicht welche Person du vorgibst zu sein." "Ich bin Elena-Cayley Hemsforth, ich bin 18 Jahre jung und ich spiele gerne Tennis. Bis vor sechs Monaten war Essen meine zweite Leidenschaft, doch irgendwann hat es einfach aufgehört. Der Hunger, die Lust auf Essen, die Kraft. Ich habe mich verändert ohne zu wissen wieso, habe vergessen wie es ist, glücklich zu sein und deswegen sitze ich jetzt vor dir." Er schaute mich einfach nur an. In den, ich denke mal knappen drei Minuten, hatte er nichts gesagt, mich weder unterbrochen, noch gelacht oder irgendeine andere Miene verzogen. Er nickte und notierte was ich gesagt hatte. "Wie lange hast du denn Tennis gespielt?" "Ich müsste lügen aber solang ich denken kann, wäre knapp die Wahrheit." Auch dieses Mal notierte er was. "Vermisst du es?" Ich nickte. "Elena, ich habe noch eine Frage an dich und dann ist die Stunde auch bereits vorbei. Bist du glücklich?" Das war eine Frage, die ich nie im Kopf gehabt hatte. War ich glücklich? Glücklich darüber dass mein Leben eigentlich total den Bach runter gegangen war? Das mein Leben mir nur Sorgen bereitete und mich in den Wahnsinn trieb? War ich glücklich über meine Figur und mein Aussehen? Das waren alles fragen, die ich niemals hätte beantworten können, hätte er sie mich gefragt. "Das weiß ich nicht. Ich glaube nicht." Er lächelte schief. "Ich darf das zwar nicht, aber ich würde gerne in Kontakt mit dir bleiben. Wir sehen uns zwar morgen wieder, aber vielleicht kann ich dich ja auch mal irgendwohin ausführen, wenn es dich nicht stören würde." Ich musste Lächeln. Nicht weil ich es süß fand, sondern weil es das erste mal gewesen war, das ein Junge mich um meine Aufmerksamkeit bat. "Wenn du mir deinen Namen sagst." "Eugen. Eugen Matherson." "Ich überlege es mir, wir sehen uns morgen." Als ich aufstand, schauten wir uns noch einmal in die Augen. "Was ich vergessen hatte zu erwähnen. Ab nächster Woche geht dein Ernährungsplan los, ich bin dafür zuständig dich zu kontrollieren ob du dich dran hältst. Ich würde mich freuen, wenn du es wenigstens mal versuchst zu essen." Dann drehte er sich seinem Schreibtisch zu und sortierte einige Blätter. Vermutlich war der Kerl einfach nur unheimlich schüchtern oder wollte nun nicht mehr mit mir reden. "Bis morgen, Eugen.", sagte ich leise und schloss die Tür hinter mir. Es war ungewohnt mit einem Jungen zu reden, insbesondere einem, den ich nicht einmal ansatzweise kannte. Aber er war anders. Er hatte was besonderes an sich und das machte mich neugierig. Am Abend setzte ich mich in den Gemeinschaftsraum und las ein Buch. Nebenbei hörte ich Musik mit meinen Kopfhörern und blendete alles um mich herum aus. Sie hatten mir erlaubt, am Abend mein Handy für ein paar Stunden zu holen, da ich zum Glück nicht in die geschlossene Anstalt geschoben wurde, was mich aber nicht gewundert hätte, bei den ganze gestressten, genervten und unfreundlichen Krankenschwestern. Jedoch hatten sie mir früh angemerkt, dass ich meinen eigenen Kopf hatte und wusste was ich tue. Dass es mir egal war, was für Verbote man mir auftischte oder man mir erzählte was ich falsch gemacht hätte, da ich sowieso wieder gegen die Regeln verstoßen würde. Einfach weil ich mit sowas nicht aufgewachsen bin und auch nicht viel von dämlichen Regeln hielt. Jedenfalls hatte auch noch kein Mädchen oder Junge aus meiner Station, irgendwie versucht Kontakt zu mir zu bekommen. Da ich mich gleich morgens bis zum späten Nachmittag in meinem Zimmer verschachtelt hatte und nicht einmal zum Essen hinaus ging, hatten sie auch keine Chance dazu. Hier gab es zudem viele Kinder, von denen ich auch gar nichts wissen wollte um ehrlich zu sein. Agressionsprobleme im jungen Alter, davon habe ich hier auf jeden Fall genug gesehen und es schmerzt im Herzen. Mädchen, vielleicht gerade mal 13 oder 14 und schon blutig, klaffende Arme. Nicht einmal ich hatte in den letzten sechs Monaten an Selbstverletzung gedacht und ich war wirklich sehr verzweifelt gewesen. Wenn meine Mutter diese Kinder alle sehen könnte, würde sie jedem einen Kuchen backen und in den Arm nehmen. Als ich das Buch so weit hatte, dass ich müde wurde, legte ich mein Handy zurück auf den Tresen und ging auf mein Zimmer. Mal wieder konnte ich nicht einschlafen, also wälzte ich mich mehrere Stunden im Bett. Als ich dann spät mal eine Lage gefunden hatte, die mich einschlafen ließ, wachte ich davon auf, als die Putzfrau mein Bad putzte. Als ich mich einigermaßen aufgerappelt hatte, bemerkte ich einen Brief auf meinem Tisch, gegenüber vom Bett. "An Elena-Cayley, das Mädchen mit dem schönen Lächeln"
Im Umschlag lag ein kleiner Brief und eine Kinokarte.
Ich würde mich freuen, wenn du mir die Ehre erweist, dich morgen Abend zu einem Film zu entführen. Die Ärzte werden sicher nichts dagegen haben, das kläre ich für dich. Was du anziehst ist mir egal, aber Schmink dich bitte nicht und mach dir wieder diesen unglaublich verwuschelten Dutt den du gestern hattest, der sieht unheimlich süß an dir aus.
PS: du bist wunderschön.
So viel Schleim hatte ich noch nie auf einmal gesehen, der muss doch vom Stuhl gefallen sein, als er das geschrieben hat.
Jedenfalls, bereitete ich mich sowohl auf die Therapiestunde, als auch auf den Abend vor. Es war das erste mal dass ich, abgesehen von Chris, etwas mit einem Jungen unternahm.

Unbroken / Slow UpdatesWhere stories live. Discover now