Handynummern

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Kapitel geschrieben am:
Dienstag, 26. Juli - 27. Juli, 2016

Zusammengerollt auf dem kleinen Sofa mit dem Kopf auf Aleyna's Bauch heulte ich mich aus. Sie flüsterte mir immer wieder irgendetwas beruhigendes zu, sonst war es still im Raum.

Nach gefühlt einer Stunde raffte ich mich auf und krächzte meiner Freundin zu, dass ich jetzt mal ins Bad gehen würde, um dort jegliche Schränke zu durchsuchen. Sie nickte und ging zurück zur Küche, um dort ihre Durchsuchung fortzusetzen.
Aleyna und ich waren immer noch in Robin's Versteck und suchten nach weiteren Handynummern oder Adressen von Leuten, die Robin kannten und uns weitere Nummern geben konnten. Im Hängeschrank über dem kleinen Waschbecken waren viele Dinge, aber keine Zettel mit Namen drauf. Trotzdem inspizierte ich jeden Gegenstand. Das waren verpackte sowie benutzte Spritzen, Pflaster, Desinfektionsmittel, tonnenweise Tabletten in kleinen Tablettenschachteln und Wattepads.

Nope, nichts normales für einen 18 jährigen.

Plötzlich schrie Aleyna laut: "Ich glaub, das musst du dir mal ansehen!", und ich stolperte wieder aus der Toilette zu der kleinen Küche wo meine Freundin triumphierend eine Schachtel in die Höhe hielt, die mit einer fetten Schrift "Vergangenheit" beschriftet war. Dort fand sich bestimmt etwas interessantes!

Als wir den Deckel vorsichtig anhoben, erblickten wir Fotos, ein Armband, eine Spritze, einen mit einer getrockneten, braunen Flüssigkeit verdreckten Löffel, eine kleine, wiederverschließbare Tüte mit bunten Pillen und ein altes Buch, welches mit einem kleinen Schloss versehen war, sodass wir daraus schlossen, dass dies hier das Tagebuch sein musste. Es war schlau von Robin, sich so eine Kiste zu besorgen und von jeder Sache die hier drin war, sorgfältig Abschied zu nehmen. Hätte er so weiter gemacht und auch mit dem Kiffen bald aufgehört, hätte Robin längst eine Ausbildung und würde legal Geld verdienen. Allerdings war er nun irgendwo gefangen und wir hatten zwar die paar Nummern, doch die Leute denen die gehörten, würden uns wildfremden Mädchen nicht sagen, wer Robin's Entführer waren.

Hoffentlich doch...

Wir nahmen alles mit, was von Bedeutung war, auch, damit andere Neugierige die privaten Sachen nicht fanden. Von den Fotos, den Spritzen, bis zu der kleinen Kiste mit der Aufschrift "Vergangenheit" nahmen wir alles mit. Selbst die Zahnbürste kam in unseren Besitz. Anschließend schrubbten und putzten wir auch den kleinsten Winkel seines Versteck's mehr als gründlich damit, falls die Polizei oder sonst wer hier anfangen würde, zu suchen, Robin's DNA verschwunden war. Meine und Aleyna's war hier, das konnte man nicht bestreiten, denn wir fassten jeden Gegenstand der hier stand gründlich an, wälzten uns im Bett, damit dort Haare und Hautschuppen von uns liegen blieben und somit nur unsere DNA hier war. Wir wurden immerhin auch nicht gesucht, noch waren wir im Vorstrafenregister, also konnte man uns nichts vorwerfen. Auf die Frage hin, wieso wir uns hier ein kleines zweites Zuhause eingerichtet hätten, würden wir antworten, dass wir manchmal nicht Zuhause sein wollten und sich Aleyna manchmal auch mit Jungs hier treffen würde. Diese zwei Räume würden so etwas wie unser Geheimversteck sein und das konnte die Polizei nicht widerlegen. Wenn sie uns überhaupt fanden. Unsere DNA war ja nicht in der Datenbank, so konnte man auch nicht wissen, wem unsere DNA gehörte.

Mit Robin's ganzen Sachen in einer Plastiktüte von H&M schlichen wir zurück zu unseren Fahrrädern, die vor einem Erotikshop geparkt waren.

Bei Aleyna Zuhause riefen wir den ersten Jungen - einen Edoardo - an.

"Hallo?"

"Hi, ich bin Chajja Nellow. Sind Sie zufällig Edoardo?"

"Ja. Wer sind Sie?"

"Ah gut! Ich bin Chajja Nellow, kennst du einen Robin?"

"...Ja. Dich kenne ich auch. Hast du den Brief von Aldrin bekommen?"

"Nein. Ich war eben mit meiner Freundin Aleyna in seinem Versteck hinter dem pinken Puff und habe den Brief gefunden."

"Oh! Und du... du willst jetzt alles wissen, hab ich Recht?"

"Mh, ich will nur wissen wer seine Entführer sind, mehr nicht."

Edoardo zögerte. "Hör zu Chajja, die Leute, die ihn entführt haben und vielleicht gerade dabei sind, ihn zu killen, kannst du nicht finden. Bleib Zuhause und mache einfach dein Abi oder was auch immer."

Wieso traut man mir nie was zu?!

"Ah, dann hör DU mal zu, Edoardo! Ich will nicht, dass er wegen was auch immer gleich entführt, vielleicht sogar gefoltert und dann kaltblütig gekillt wird! In so einer Welt bin ich leider nicht aufgewachsen, ich kenne das nicht, dass von einem Tag auf den anderen jemand den Freund entführt und man nichts tut! Sitzt ihr alle nur da, vögelt irgendwelche Frauen durch und nehmt irgendeine Scheiße, damit ihr vergesst, was ihr getan, beziehungsweise NICHT getan habt?! Weißt du was, scher dich zum Teufel, du warst niemals Robin's Freund, sonst würdest du mir helfen!!!"

Meine Hände zitterten vor Wut und ich musste tief durch atmen um wieder runter zu kommen. So wütend hatte mich noch nie jemand gemacht!

"Chajja, wir haben versucht ihn zu finden aber..."

Wieder schrie ich durchs Handy: "ABER IHR HABT AUFGEGEBEN! IHR SEID ALLESAMT LAPPEN! HALTET EUCH FÜR ACH SO HARTE JUNGS UND RENNT MIT EINGEKLEMMTEN SCHWANZ DAVON?!? Verpiss dich!"

Schnell legte ich auf, bevor Edoardo noch irgendetwas sagen konnte und tippte eilig die Nummer eines 'Mika' ein und wartete. Meine Freundin hatte sich bei meinem Ausbruch mit den Händen an ihr Bett gekrallt, so angespannt war sie. Nun ja, sie hatte mich auch noch nicht so wütend gesehen. Tat es mir überhaupt gut?

Oh ja, und wie das gut tut, jemanden anzuschreien!

Jemand nahm ab und ich widmete mich wieder dem Handy an meinem Ohr.

"Hallo, hier ist Mika?"

"Schön. Ich bin Chajja, du müsstest mich von Robin kennen."

"Oh... ja das tue ich. Hi."

"Hi. Kurze Frage: wer sind diese Vollhonks von Entführer?!"

Am anderen Ende der Leitung hörte ich ein krächzendes Lachen und dann die bewundernden Worte: "Wow, so impulsiv hatte Robin dich gar nicht beschrieben! Vor allem hatte er gesagt, dass du Schimpfwörter hasst?"

"Das tut jetzt nichts zur Sache, sag mir die Namen. Dein Kollege Edoardo hat mich eben auch kennen gelernt und wird keine freundlichen Erinnerungen am mich haben. Du vielleicht auch nicht, also los!"

"Du willst also meine Hilfe... Okay ehrlich gesagt ist mir die Bezahlung egal, immerhin geht sonst mein Kumpel drauf. Also, wann und wo?"

"Oh Gott, es gibt tatsächlich Gangster mit Gefühle! Morgen um 16 Uhr bei Aldrin?"

"Hey, wer hat gesagt, dass ich Gefühle hab? Also gut, morgen um 16 Uhr beim kleinen Wichser - äh, ich meine Aldrin."

"Ja ja. Tschüss!"

"Bye."

Voller Freude auf den nächsten Tag blickte ich Aleyna grinsend an und sie rief: "Das müssen wir mit Fastfood feiern!"

Keine großen Ereignisse, ich weiß. Aber ein Übergangskapitel muss ja auch mal sein :D

Peace

LG
Ev

Der WegWo Geschichten leben. Entdecke jetzt