Therapie

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Kapitel geschrieben am:
Sonntag, 16. Oktober - 22. Oktober, 2016

Der Wind fegte um die Häuser, als würde er jemanden jagen. Er wirbelte rote, goldene und braune Herbstblätter wieder auf, die sich eigentlich auf dem Boden zurecht gelegt hatten und brachte alles wieder durcheinander.
Mein roter Mantel schützte mich vor dem eisigen Wind in Hamburg's Straßen der mir Sirenengeheul herüber wehte, während ich mich mit meiner Tasche auf den Weg zum Auto machte.
Diesen August, vor drei Monaten, wurde ich 19 Jahre alt, also war es nun November.
Im August war ich auch endlich ausgezogen und mein neues Zuhause war eine kleine, gemütliche Studentenwohnung in einem Studentenwohnheim. Meine Nachbarn gingen nicht alle auf die gleiche Universität wie ich - dem Rechtsmedizinischen Institut im UKE Hamburg. Doch sie waren alle so ziemlich zivilisiert um ihre Party's nicht in ihrer Wohnung zu feiern sondern in irgendwelchen Diskotheken.
Mit einer Hand schloss ich meinen kleinen Fiat 500 auf und mit der anderen riss ich meine Tür auf. Ich liebte diesen kleinen, beigen Gebrauchtwagen, er war einfach mein Auto und das machte mich stolz. Meinen Führerschein hatte ich mit Bravour bestanden und ich hielt mich penibel streng an die Verkehrsregeln. Aber wenn ich einmal auf eine Landstraße kam, holte ich alles aus meinem Wagen... maximal 105 PS. Ja, das war jetzt nicht die Anzahl von PS die ich mir gewünscht hätte, aber von so einem kleinen Auto sollte man auch nicht mehr erwarten. Immerhin wollte ich ja auch keine Rennen fahren, sondern einfach nur sicher von A nach B kommen.
Die Handtasche mit meinem alten Laptop, Stiften und zwei Collage Blöcken drin schmiss ich auf den Beifahrersitz, drehte den Zündschlüssel um und los ging es in die Uni. Aus meinem Autoradio erklang Eminem's Stimme die "Cinderella Man" rappte. Ich hatte mir vor einigen Jahren das Album "Recovery" gekauft und hörte es rauf und runter.
Nach diesem Lied von ihm schaltete ich auf das Radio um und hörte auf dem Sender N-Joy dem Nachrichtensprecher zu. Er sagte mit der gewohnt ernsten Stimme: "Die Polizei sucht einen ungefähr dreißig Jahre alten Mann, der Fahrerflucht begangen hat. Er fuhr viel zu schnell mit seinem mattschwarzen Jaguar XF in der Reeperbahn rauf und runter und hat einen jungen Mann angefahren. Das Nummernschild lautet: HH DD 676. Wenn Sie den Wagen gesehen haben, melden Sie dies augenblicklich der Polizei. Alle Infos gibt es auch noch auf unserer Homepage: www.n-joy.de."
Ruckartig beschleunigte ich instinktiv und wurde in den Sitz geschleudert. Mein Herz raste, die Hände zitterten und ich musste schleunigst den Fuß vom Gaspedal ziehen, ansonsten würde ich gegen den Laster vor mir krachen!
Schnell drückte ich die Bremse ganz durch und atmete hektisch ein und das Radio schaltete ich eilig aus.

Das darf nicht wieder passieren!

Während ich noch geschockte Blicke erntete, sprang die Ampel schon auf Grün und ich drückte vorsichtig auf das Gaspedal.
An dem Parkplatz der Uni angekommen, stieg ich aus und schloss meinen Fiat ab. Mit der Tasche im Schlepptau ging ich in das große Gebäude und in den Hörsaal, wo in ein paar Minuten der Vortrag eines erfolgreichen Gerichtsmediziners starten würde. Neben mich pflanzte sich meine neue Freundin Stella. Sie war eine Inderin, hatte schöne, gebräunte Haut und dunkelgrüne bis braune Augen. In der Nase ließ sie sich wegen religiösen Gründen ein Nasenpiercing stechen. Kein Normales, sondern ein Indisches! Also ein richtig großes. Damit kann sie auf keinen Fall Sport machen, aber es sah wunderschön aus. Jedoch trug Stella nicht die typische indische Kleidung, sondern europäische, was ich irgendwie schade fand.

Ich liebe indische Kleidung!

Jedenfalls holte sie mich am Eingang ab und wir eilten in den Hörsaal.

Der Vortrag handelte von dem Erkennen einer Vergiftung bei einer Leiche und es war sehr interessant, aber meine Gedanken schweiften immer wieder zum mattschwarzen Jaguar XF ab, den der Nachrichtensprecher am Morgen genannt hatte. Gerade als ich um 16 Uhr von der Universität zurück, lachend mit Stella in mein Auto stieg, da sie mit in meine Wohnung kommen sollte, klingelte mein Handy. Ein altes Samsung Galaxy S3, teurer ging es als Studentin eben nicht.
"Sorry Stella, ich geh mal kurz ran."
"Alles gut.", grinste sie.
Ich schaute auf meinen Bildschirm und hob fragend eine Augenbraue hoch. Es war die Entzugsklinik vom UKE für Jugendliche und Jungerwachsene. Am Montag - nun war es bereits Donnerstag - hatte ich Robin, der inzwischen 20 Jahre alt war, in die Entzugsklinik gebracht. Er hatte vorher eine total undichte Wohnung bewohnt die seine Mutter Sylvia bezahlte. Sie war so billig, dass selbst ich sie vor dem Studium, nur mit meinem Pole Dance Geld, hätte bezahlen können!
Ich hatte jeden Tag bei ihm vorbei geschaut und immer das gleiche traurige Bild vor mir gesehen; Ein verwahrloster, sehr ungepflegter Junge dem man das gelbliche, kristallartige Teufelszeug nicht weg nehmen konnte ohne sein Leben zu riskieren. Ich hatte es einmal aus Verzweiflung versucht und plötzlich stand Robin mir mit einer schrecklichen Grimasse und einem langen Messer gegenüber. Dieser Junge war Robin nicht. Es war jemand anderes im Körper Robin's. Jemand, der für etwas einfach jeden töten würde, egal wen.

Schnell hob ich ab und schmiss schon mal meinen Motor an. Ich erwartete nichts Gutes, denn nur mit Drängen und Streit hatte er sich schließlich dazu bewegen lassen. Dann stand er eines Tages vor meiner Tür und flüsterte: "Ich mach's."

"Chajja Nellow?"
"Hallo, hier die Entzugsklinik für Jugendliche und Jungerwachsene vom UKE Hamburg. Unser Patient Robin möchte Sie sehr dringend sehen. Am besten Sie kommen gleich vorbei, wenn Sie Zeit haben."
"Mhm, ich komme sofort. Danke, Tschüss."
"Tschüss."
Zu Stella gewandt seufzte ich: "Ich glaube es wird heute leider nichts mehr. Ich verspreche dir, dass wir das Halloween-Shoppen auf morgen verschieben können, ja?"
Meine indische Freundin stöhnte sichtlich beleidigt und sie sagte finster: "Ist ja nicht so, dass wir das gestern auch schon machen wollten und du aber kurzfristig noch 'was für Robin besorgen' musstest! Wer ist Robin überhaupt?! Stopp, will ich überhaupt nicht wissen, ciao!" Mit diesen Worten riss sie die Autotür wieder auf, stieg wutentbrannt aus meinem Fiat, schmiss die Tür wieder zu und stampfte zu Fuß den Fußweg zu sich nach Hause entlang.
"Scheiße!!!", schrie ich völlig überfordert und schlug meine Stirn gegen das Lenkrad.
Es war gerade einfach zu viel für mich. Sobald man ein Problem beseitigt hatte, entstand ein Neues und man registrierte, dass das alte Problem nur weggeschoben wurde und nie wirklich weg war.

Wieso ich?!

Kurz rannen mir Tränen die Wange herunter und ich schniefte herzzerreißend, aber von einer Sekunde auf die andere wurde ich wütend. Richtig wütend!

Wieso knicke ich IMMER wieder ein und wieso sage ich zu jedem Kack Ja und Amen?

Aggressiv riss ich das Lenkrad herum, als ich vom Parkplatz düste, aggressiv fuhr ich in den Kurven schneller als ich wollte und aggressiv drehte ich die Musik so laut auf und sang so schreiend mit, dass ich glatt als Wahnsinnige hätte durchgehen können.
An der Klinik angekommen stampfte ich wütend wie Stella vorher zum Eingang, erkundete mich nach Robin's Zimmer und eilte in den dritten Stock. Die Tür von Zimmer 32 riss ich auf und ein erschrockener Robin guckte mich mit Augen an, die nur eines sagten: Ich will hier raus!
Aber das würde ich nicht zulassen. Ich würde nicht noch einmal einknicken.
Also stellte ich mich vor sein Bett, stemmte die Hände in die Hüften und blickte ihn finster an.
Ich sprach ruhig, jedoch gefährlich: "Wenn es nichts wichtiges ist, hast du verkackt. Aber richtig verkackt."
Der Junge vor mir schwitzte und hatte rote Augen.

Oh, hat er... geweint?
Egal! Hart bleiben!

Sein ganzer Körper zitterte und ich sah wohl nicht richtig hin, denn hätte ich es, hätte ich damals gewusst, wie scheiße es ihm da ging und dass ich ihn nicht so hätte anfahren dürfen. Doch nur wegen ihm war meine Freundin Stella sehr sauer auf mich und das war auch irgendwie verständlich. Am vorherigen Tag hatte mich Sylvia nämlich gebeten, ihrem Sohn ein paar Handtücher und Shampoo vorbei zu bringen und das beanspruchte in der Tat den ganzen Tag, da ich anstatt einer Stunde drei brauchte, wegen einer riesigen Sperrung aufgrund einer Baustelle. Ich musste also irgendwelche Umwege fahren und das dauerte eine halbe Ewigkeit.

Robin verschränkte die Hände ineinander und presste heiser hervor: "Ich kann nicht mehr."

Hello Guyyyyys.
Ich war in London! Also von der Schule aus. Und es war einfach mega geil!
Als Überraschung sind wir noch in den Londoner Dungeon gegangen, das war für mich das beste überhaupt und ich empfehle es echt weiter!
Kennt ihr 'Capsize' von 'Frenship'? Ich liebe dieses Lied, das höre ich gerade rauf und runter, vor allem wenn ich hier weiter schreibe :D

Ich widme dir diesen Kapitel, Franzoschka, weil du mir eine Berichtigung einiger Fehler geschrieben hast, danke noch mal!!!

Yo, Leudde, dann mal...

Peace

LG
Ev


Der WegWo Geschichten leben. Entdecke jetzt