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Vier Wochen waren nun schon vergangen, seitdem Tag der alles veränderte. Joe saß hinter Gittern und würde nicht allzu schnell wieder rauskommen. Seine Eltern waren Staranwälte, aber sie versuchten nicht einmal richtig ihm zu helfen. Seine Mutter konnte ihn nicht einmal ansehen. Er würde seine Tat bereuen, das war sicher.

Jeder wünschte ihm nichts als den Tod - ich eingeschlossen. Eigentlich war ich der Meinung niemand hatte es verdient zu streben, doch Joe war eine Ausnahme...

Meine Eltern hatten sich getrennt - endgültig. Doch sie kamen immer noch gut miteinander aus. Sie versuchten gute Eltern zu sein, was ihnen auch einigermaßen gelang. Immer wieder gingen wir gemeinsam essen und machten Familienabende.

Mein Vater und ich kamen wieder gut zurecht, jetzt da er wusste was ich alles mit mir herumschleppte. Meine Mutter ging auch wieder mit ihren Freundinnen aus und traf andere Männer. Es klang komisch, doch seit der Trennung war sie viel fröhlicher. Gestern Morgen hatte sie sogar in der Küche gesungen...

Kathi und Derek waren nun offiziell zusammen. Sie taten sich gegenseitig gut. Kathi vergas den Stress um die letzten Monate und Derek seine Krankheit, die er bald ganz bekämpft haben würde, wie wir erfuhren. Die Chemo schlug an, und er würde nicht aufgeben. Cole und ich kamen uns auch immer näher. Ich hatte mich in ihn verliebt, so viel war sicher. Wir hatten Dates bei denen wir lachten und einfach nur redeten - manchmal auch mehr.

Ich würde auf eine Polizeischule in Brunswick gehen, was bedeutete wir waren nah beieinander. Meinen Eltern gefiel mein zukünftiger Beruf übrigens sehr. Ich hatte alle Prüfungen bestanden, und war froh endlich fertig zu ein. Schule ist scheiße, aber wenn muss man das schon sagen?

Es war früh am Abend. Die Sonne schien noch leicht, würde aber bald ganz hinter den Bäumen verschwinden. Überall standen Kerzen, die im See schimmerten.  Eines machte mir wirklich Sorgen: In meinem Traum war ich mit Jana an einem See, den ich noch nie gesehen hatte. Die Trauerfeier fand genau an diesem statt! Doch tief in meine Herzen wusste ich, es war besser es niemandem zu sagen und dies tat ich auch nicht. Janas Familie und Freunde waren hier. Niemand trug Schwarz, sondern schöne sanfte Farben, wie Jana es mochte. Ich konnte genau fühlen dass sie hier war.

Als ob sie neben mir stand uns ihre Hand auf meiner Schulter liegen hatte. Sogar Margret war gekommen um sich von ihrer Nichte zu verabschieden. Wir hatten nur kurz gesprochen, aber sie war glücklich mit ihrer Entscheidung zu gehen. Ich würde sie für immer bewundern. Sie und Jana waren sich so ähnlich und doch wieder so verscheiden. Melissa erzählte gerade wie sehr sie Jana liebte und vermisste. Sie las einen kleine Abschnitt von einem Zettel ab, und ich wusste das dieser aus dem Tagebuch war.

„Das Leben ist wie eine Welle. Es kann sich mit seinen Schattenseiten anschleichen, oder mit den schönsten Momenten im Schlepptau auftauchen. Aber man sollte immer und in jedem Fall versuchen sie zu meistern. Man wird mit Sicherheit manchmal fallen und wer nicht mehr aufsteht, ist selbst schuld.Wer den Kampf von vornerein aufgibt, hat nie eine Chance zu gewinnen."

Eine Frau neben mir tuschelte zu ihrem Mann: „Ist das nicht unpassend für eine Trauerfeier?" Das dachten vielleicht viele hier, doch ich wusste das Melissa so anfing loszulassen. Sie schenkten Jana ein wunderschönes Leben, voller Freude und Sonne. Dieser Abschnitt zeigte wie Stark Jana war. Das Mikrofon ging weiter zu Kathi.

An ihrer Wange kullerten schon kleine Tränen herunter. Sie räusperte sich kurz und begann dann zu sprechen: „Vor drei Jahren ist mein Vater gestorben... Es war eine schlimme Zeit für mich. Ich wollte nichts mehr machen, sondern mich nur in meinem Bett verstecken. Doch wissen Sie was? Jana hat mich zum Lachen gebracht... Sie hat mir eine heiße Schokolade gemacht und sie mir gebracht, als sie plötzlich über ihre eigenen Schuhe stolperte und sich alles über ihr Oberteil vergoss. Zuerst war sie ganz panisch weil sie meinen Teppich mit getroffen hatte. Doch ich habe gelacht. Und als sie das sah lachte sie mit... Sie hat mir geholfen den Bogen zu bekommen, den viele verpassen... Jana war ein besonderer Mensch. Sie war wie ein Licht, das nie ausging. Eigentlich hatte ich eine lange Rede vorbereitet, doch jetzt bleibt mir nur noch eins zu sagen: Ich habe sie lieb."

Jetzt kamen auch mir die Tränen, und nicht gerade zu wenig. Kathi kam auf mich zu und reichte mir das Mikrofon. Melissa und Jonas meinten, da ich so gekämpft hatte sollte ich die Schlussrede halten.

„Guten Abend. Wie auch Kathi habe ich eine lange Rede vorbereitet, wie toll und nett Jana war, wie stark und mutig. Und das sie eine gute Freundin war. Doch jetzt sehe ich sie hier alle, und mir wird bewusst dass sie das schon längst wissen. Jeder der sie kannte weiß das die Sonne in ihrem Herz zuhause war. Deshalb möchte ich ihnen etwas über ihre Schwächen erzählen... Jana konnte noch nie gut Auto fahren, stimmt's Jonas?"

Jonas lachte und schüttelte den Kopf. „Ja, sie war eine Katastrophe... Und so war es auch in der Küche. In der 5. Klasse backte sie einmal eine Pizza. Bis heute ist es uns noch ein Rätsel wie sie es geschafft hatte, die Pizza explodierte. Unsere Lehrerin sagte sie hätte so etwas noch nie erlebt." Alle mussten kurz auflachen.

„Und wie vielleicht auch viele von Ihnen wissen, war Jana neugierig. Gott, sie wollte immer alles wissen, bis ins kleinste Detail! Was ich damit sagen will, jeder von uns hat Fehler. Manche mehr und manche weniger. Aber auch Fehler tragen dazu bei wer wir sind... Janas Fehler haben nichts daran geändert, was wir alle von ihr denken. Wir alle haben verschieden Bilder von ihr, doch alle Bilder haben eines gemeinsam: Jana war sie selbst. Und das ist etwas was nicht jeder von sich behaupten kann..." Ich machte eine Pause, weil man den Leuten ansah, dass sie überlegten. Melissa nickte mir zu.

„Jana sagte immer dass man nicht weinen sollte weil etwas vorbei ist, sondern lächeln weil es passiert ist. Ich lächle, weil ich die große Ehre hatte, Jana Collins, ein außergewöhnliches Mädchen, kenne zu lernen." Ich ging auf eine Papierlaterne zu und nahm sie in die Hand. Jana sah das in Filmen, und wollte es immer machen. Wir schickten das Licht zu ihr. Kathi kam und hielt die andere Seite fest. „Sie wird bei uns sein...", fing Kathi an zusprechen.

„... Bis zum Ende", beendete ich den Satz. Jonas zündete die Laterne an und alle hielten sich an den Händen um einen Kreis um uns zu bilden. „Bis zum Ende..." Wiederholte sie und wir ließen die Laterne los. Sie schwebte langsam immer höher.

Kathi stellte sich neben mich und nahm meine Hand. „Egal was passiert, sie ist bei uns." Wir verfolgten die Laterne die immer weiter in der Dunkelheit verschwand, doch nie ihr Licht verlor.

„Ja, bis zum Ende."


Little SecretsWhere stories live. Discover now