20 - Ehrlichkeit

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D A V I D

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D A V I D

„Ich habe meine Eltern nie kennengelernt."

Runes Ausdruck, vorher unnachgiebig, ist nun wehmütig. Ich kann ihr nur in die Augen sehen, während sie mir schmerzlich zulächelt. „Weder meinen Vater noch meine Mutter. Ich habe so gut wie keine Erinnerungen an meine Kindheit." Das rothaarige Mädchen schluckt, etwas flackert über ihre Züge, eine echte Emotion. Ungewohnt verletzlich wirkend sieht über den See. „Und du kannst dir nicht vorstellen, wie oft ich mir schon gewünscht habe, das wäre nicht so", flüstert sie. „Ich habe keine Ahnung, wer ich bin. Ich bin Rune. Ich bin Rune, Jägerin, Kämpferin, die Nachfolgerin der Stammesführerin ..." Rune schließt die Augen. Diie auszusprechenden Worte sind beinahe zu schwer.

„Aber ich habe keine Ahnung, wer ich wirklich bin", haucht sie, ihre Unterlippe zittert.

Und vor mir sitzt ein anderes Mädchen, eine andere Rune. Diese Rune murmelt Worte, die sie nicht laut zugeben will, sie spricht Dinge aus, die sie schmerzen, die sie verletzt haben. Diese Rune, deren Augen voller Gefühle sind und deren Gesicht unter der leisen Verzweiflung leidet, hat Tränen in den Augen und muss sich auf die Lippe beißen, um ihnen Gegenwehr zu bieten.

Diese Rune ist so anders, so vollkommen, so kontrastreich, dass ich nicht mehr weiß, was ich denken kann und was ich fühlen soll.

Ich kann nur atmen und atmen und atmen und sie ansehen.

Und es dauert nur einen Wimpernschlag, bis ich die Realisation in Runes Augen erkenne, bis ich den Schock in ihren Augen sehe, den Schock über ihre eigenen Worte, über ihr offenes Verhalten. Innerhalb von einer Sekunde ist das Gesicht des Mädchens wieder die typische kalte Maske. Sie seufzt, genervt, wischt sich mit dem Handrücken über die Augen.

„Vergiss was ich eben gesagt habe. Das ist alles nur Unsinn", meint Rune unerwartet heftig und springt mit einer Bewegung auf, ihr Körper voller unterdrückter Spannung.

Ich sehe den Kampf in ihrem Inneren, das Ringen, die Kälte. Ich erhebe mich ebenfalls, folge ihr. Und dann, ich weiß nicht woher ich den Mut habe, greife ich nach Runes Hand. Im ersten Moment zuckt sie vor meiner Berührung zurück und will mir ihre Hand entreißen. Doch sie dreht sich zu mir um, die Augenbrauen spöttisch erhoben. Ich gehe nicht auf ihren abfälligen Blick ein, der zu unseren Händen wandert.

„Rune. Rune, sieh mich an." Sie sieht mich an, mit ihren kühlen Augen. „Bitte", wiederhole ich und ganz langsam senken sich ihre verhöhnenden Augenbrauen. Eine Ernsthaftigkeit, eine Unsicherheit nimmt von ihr Besitz. Noch immer halte ich Runes Finger zwischen meinen und lasse sie nicht los. „Ich will dass du weißt, dass ich niemanden hiervon erzählen werde. Du kannst dich auf mich verlassen." Ich schlucke. „Ich schätze deine Ehrlichkeit mehr als alles andere."

Rune blickt mich an, ich spüre ihre Fingerspitzen an meinen. Ihre Augen halten mich in ihrem Bann und sie ist nahe vor mir. Ich nehme alles auf einmal in mich auf. Da sind ihre breiten Schultern, die niemals in die Kleider der Gesellschaft hineinpassen würden, ihr muskulöser Körper, der ein riesengroßer Skandal wäre, ihre wilden Locken, die sich nicht bändigen lassen und ihre wunderschönen efeugrünen Augen.

Freiheit - David & RuneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt