Angst vor der Wahrheit

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„Jetzt sitzen wir also hier und schweigen uns gegenseitig an?", fragte ich George, welcher mir gegenüber im Türrahmen zu seinem und Freds alten Kinderzimmer saß.

Die Regale waren immer noch genauso eingerichtet wie damals, was mich vermuten ließ, dass Fred und er nichts von dem allen in ihre Wohnung mitgenommen hatten und dass auch George nach Freds Tod nichts verändert hatte. Wahrscheinlich um an ihm festzuhalten.

Der Verlust von Fred wurde in diesem Raum für mich beinahe unerträglich. Das Einzige, was mir gerade Kraft spendete, war der Fakt, dass George wieder in meiner Nähe war.

Mein Blick war auf ein Buch im Regal des dunklen Zimmers fixiert. Die Märchen von Beedle dem Barden. Molly hatte uns damals öfter etwas daraus vorgelesen. Jedes Kind in dieser Welt kannte dieses Buch und schon wieder, war Fred alles, woran ich denken konnte.

George, der gegenüber von mir am Türrahmen angelehnt war, atmete tief ein und aus, bevor er zu sprechen begann, auch wenn mitten im Satz seine Stimme versagte: „Ich wünschte es wäre alles anders gelaufen"

Damit sprach er mir aus der Seele, auch wenn es schmerzte.

Er ließ seinen Kopf in die Hände fallen und ich sah ihn einfach nur an. Seine fransigen Haare schimmerten dunkelrot. Das einzige Licht, was mir überhaupt erlaubte ihn zu betrachten, war das, welches von unten herauf in den Flur schien.

„Ich...", ich wusste nicht was ich genau sagen wollte, weswegen ich leicht den Kopf schüttelte und ihn nach hinten gegen den Türrahmen fallen ließ. Schon liefen wieder Tränen über meine Wangen.

George berührte mit seiner linken Hand meinen Oberschenkel, während wir beide stumm vor uns hin weinten.

„Ich weiß nicht mehr, was ich sagen soll", sprach ich schließlich meine Gedanken stockend aus.

Viel zu viel war passiert. Beginnend mit Fred Tod und endend mit dem ewigen Schweigen und dem Abstand zwischen dem, den ich liebte, und mir. Ich war mittlerweile 21 Jahre alt, George sogar schon 22. Jedoch schien gerade jetzt keiner von uns erwachsen genug zu sein, um endlich die Wahrheit zu sagen.

Jedenfalls dachte ich das, bevor George erneut anfing zu sprechen: „Ich will das so, wie es jetzt ist nicht mehr", begann er und atmete tief durch, „ich will, dass ich wieder der chaotische George bin, in den du dich verliebt hast. Ich möchte für dich da sein können. Dich lieben können, ohne die ganze Zeit an Fred denken zu müssen. Ich möchte mit dir alt werden, Marzia."

Er schien verzweifelt. Ich fing an zu verstehen.

Egal wie sehr diese Worte mein Herz höher schlagen ließen, ich wusste, dass sie nicht voll und ganz die Wahrheit waren. Er hatte einfach nur Angst allein gelassen zu werden und klammerte sich nun an die Hoffnung, dass ich hier bleiben würde.

Ich wusste wie sehr ich ihn damit verletzen würde, wenn ich nach heute wieder gehen würde, aber gleichzeitig wusste ich nicht, ob ich schon bereit dazu war wieder hier zu bleiben.

Ich atmete tief durch, was ihn vom Boden aufblicken ließ. Seine schokobraunen Augen schienen mich förmlich zu durchbohren. Erst jetzt fiel mir wieder auf, wie gleich und doch unterschiedlich Fred und George doch waren. Freds Augen waren viel dunkler als Georges.

Wieder dachte ich an Freds leere Augen, wie er dort lag und in die Ferne blickte ohne zu sehen. Ich konnte mich noch ganz genau an das leichte Lächeln auf seinem leblosen Gesicht erinnern.

So sehr ich George auch die Sicherheit geben wollte, die er brauchte: Ich konnte er einfach noch nicht.

Ich nahm die Hand, welche er auf meinen Oberschenkel gelegt hatte und drückte sie fest.

„Ich liebe dich von ganzen Herzen, George Weasley. Ich hoffe du weißt das.", flüsterte ich und versuchte das Zittern meiner Hände zu unterdrücken, jedoch wäre es auch egal gewesen, denn George zitterte genauso.

Einige Momente dauerte er, bis er schließlich nach dem Haken an der ganzen Sache fragte.

„Ich hätte da sein müssen, als du mich am meisten gebraucht hast, aber ich war es nicht und das tut mir leid", murmelte ich und überging seine Frage somit komplett.

Mittlerweile weinte ich stark, was ihn dazu brachte sich etwas aufzusetzen. Er wollte mich beruhigen.

Er war so fürsorglich, obwohl ich ihm das alles angetan hatte.

„Bitte verzeih mir.", keuchte ich unter Tränen, bevor ich ihm einen Kuss auf die Hand, welche ich hielt, gab und hastig aufstand.

Ich konnte nicht. Ich konnte mich meinen Problemen einfach nicht stellen. Nicht heute.

Ich warf ihm noch einen Blick zu, bevor ich die Treppen hinunterging, mich schnell von Rest verabschiedete und ging.

Wieder ließ ich George allein zurück.

Dusk Till Dawn|| George WeasleyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt