17. Kapitel

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Kurz darauf hielt Leslie vor dem Haus meiner Familie. "Viel Glück", sagte sie und umarmte mich über das Lenkrad hinweg. Ich war zwar davon ausgegangen, dass Leslie mich nicht begleiten würde, jedoch hatte ich bis gerade eben noch einen Funken Hoffnung gehabt, dass sie es vielleicht doch tun würde. "Kommst du dann nachher noch zu mir und erzählst, wie es gelaufen ist?", fragte sie mich.
"Klar", antwortete ich. "Falls ich dann noch lebe." Ich sah noch, wie Leslie mich ermutigend anlächelte, dann war ich auch schon aus dem Auto ausgestiegen.
Mit zittrigen Beinen machte lief ich die paar Meter von der Straße zur Haustür und klingelte. Sofort wurde mir die Tür von Mr Bernhard geöffnet. Es war schon immer so, als würde er hinter der Tür stehen und nur darauf warten, dass jemand klingelte. "Guten Tag, Miss Gwendolyn", grüßte er mich.
"Hallo Mr Bernhard. Wie geht es Ihnen?", antwortete ich ihm.
"Sehr gut, danke der Nachfrage. Und ihnen?"
"Mir geht es auch gut", log ich. Ich musste ja nicht sofort jedem im Hause erzählen, dass ich schwanger war. "Wissen sie, ob meine Mutter da ist?"
"Sie müsste oben in ihrem Zimmer sein, wenn ich mich nicht irre. Falls sie nicht dort ist, können sie ja auf sie warten", schlug Mr Bernhard mir vor.
"Danke." Ich zog meine Schuhe aus und stellte sie in den Schuhschrank neben der Eingangstür. Und hing meine Jacke zu den anderen um Mr Bernhard ein wenig Arbeit abzunehmen.
"Das wäre doch nicht nötig gewesen", sagte Mr Bernhard, doch ich war schon auf der Treppe nach oben. Ich versuchte, möglichst leise zu gehen und die knatschenden Treppenstufen zu meiden, damit ich, falls Charlotte oder Glenda Zuhause sein sollten, den beiden nicht über den Weg laufen müsste. Ich hatte Glück. Charlotte und Glenda schienen mich nicht bemerkt zu haben oder tatsächlich nicht zuhause zu sein. Schnell ging ich weiter nach oben. Caroline war um diese Uhrzeit noch in der Schule, weshalb ich vollkommen ungestört in Mum's Zimmer gehen konnte.
Ich klopfte an Mum's Tür und erhielt keine Antwort. Da Mum nach der Arbeit immer als erstes in ihr Schlafzimmer ging um ihre Tasche abzustellen, entschied ich mich hier auf sie zu warten. Ich setzte mich auf ihr Bett und sah an die wand darüber. Schon als ich noch hier wohnte hingen jede Menge eingerahmte Fotos hier. Fotos von der Hochzeit von ihr und meinem Vater, welcher vor achtzehn Jahren an Leukämie gestorben war, Bilder von mir und meinen Geschwistern, Fotos von unserer gesamten Familie und Bilder von Mum und ihren Eltern und Geschwistern. Ich hatte die Wand schon immer gemocht und sie weckte auch heute wieder schöne Erinnerungen an früher in mir. Diesmal blieb mein Blick an dem Foto hängen, auf dem mein Vater, Nick, meine Mutter, welche zu dem Zeitpunkt mich Caroline schwanger war, und mir hängen. Mum hatte uns ein paar Monate bevor das Bild gemacht wurde erzählt, dass wir bald eine kleine Schwester haben würden. Alle, besonders Mum und Dad waren glücklich darüber, dass unsere Familie wachsen würde. Weshalb sollte Mum also nicht wenigstens ein bisschen erfreut über meine Schwangerschaft sein? Natürlich würde sie enttäuscht von mir sein, aber ich war vierundzwanzig und hatte einen festen und gut bezahlten Job. Außerdem liebte Mum Babies.
Ich schaute mir die Fotos weiter an als jemand die Tür öffnete. "Gwenny? Was machst du denn hier?", rief Mum erfreut aus als sie den Raum betrat. Ich stand auf und ging zu ihr um sie zu umarmen.
"Schön dich zu sehen Mum", begrüßte ich sie.
"Wie kommt's, dass da bist?"
"Ich wollte eigentlich schon früher kommen", sagte ich ihr. "Aber ich war bis gestern noch mit dem Umziehen und Einziehen in die neue Wohnung beschäftigt. Sie ist echt schön geworden."
"Warum hast du denn nicht gesagt, dass du dieses Wochenende schon umgezogen bist? Wir hätten die doch helfen können", sagte Mum.
"Tut mir leid, dass ich nicht Bescheid gesagt habe", ich lächelte Mum entschuldigend an und setzte mich wieder auf ihr Bett. "Gideon hat mir geholfen." Als ich seinen Namen sagte spürte ich, wie in den gestern auch, ein komisches Stechen in meinem Körper. Ich war wohl immer noch nicht über ihn hinweg.
"Gideon?"
"Gideon deVilliers. Der Bruder von Raphael, Leslies Freund, und außerdem mein Nachbar."
"Oh", antwortete Mum und setzte sich neben mich. "Ich würde mich von den deVilliers an deiner Stelle fern halten. Alles arrogante Arschlöcher." Mum lächelte. "Auch wenn sie verboten gut aussehen. Ich war früher mal mit Gideons Onkel Falk zusammen", erklärte sie mir.  Nun musste auch ich lächeln. "Und jetzt Themenwechsel. Wie kommt's, dass du hier bist und ausgerechnet in meinem Zimmer auf nicht wartest?"
Nun musste ich es ihr erzählen. Einfach in ihrem Zimmer auf sie zu warten, nur weil ich sie ein paar Wochen nicht gesehen hatte, würde bestimmt nicht als Ausrede zählen. Und irgendwann würde jeder sehen, dass ich schwanger war.
"Ich...", ich stockte. "Ich", versuchte ich erneut und merkte, dass mir eine Träne aus dem Auge lief. "Ich bin schwanger."
Mum sah mich zuerst schockiert an, doch schloss mich dann in ihre Arme. Nun rollten noch mehr Tränen meine Wangen herab. Etwas später löste ich mich wieder aus Mums Umarmung. "Weiß David es schon?", fragte sie mich und lächelte mich ermutigend an.
"Ich glaube nicht, dass es von ihm ist", sagte ich leise. "Als ich mich von ihm getrennt habe, waren wir auf der Party von einem Freund. Ich hab ziemlich viel danach getrunken und...", ich hörte auf zu sprechen. Mum nickte.
"Du solltest ihn trotzdem anrufen. Damit er Bescheid weiß. Und dann könnt ihr später immer noch einen Vaterschaftstest machen."
Ich nickte zur Antwort.
"Oh Gott", sagte Mum entsetzt. "Ich hab ja noch gar nicht gesagt, wie sehr ich mich eigentlich freue!" Mir viel ein Stein vom Herzen. Ich hätte echt nicht gewusst, wie ich hätte reagieren sollen, würde sich Mum nicht freuen. "Klar bist du noch jung, aber du schaffst das schon. Und du weißt ja, wir sind alle immer für dich da!"
Ich lächelte Mum an und nahm sie wieder in den Arm.
"Willst du nachher noch zum Essen bleiben? Nick kommt auch und ich bin mir sicher Caroline würde sich freuen euch beide zu sehen. Wir müssen ja nicht direkt allen erzählen, dass ich Grandma werde." Mum freute sich wirklich.
Ich nickte. "Ich muss dann nur Leslie absagen."

Life hates herWhere stories live. Discover now