21. Kapitel

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Mit zittrigen Fingern schloss ich meine Wohnungstür auf und legte den Schlüssel auf den kleinen Schrank im Flur. Ich schloss die Tür hinter mir und machte mich auf den Weg zu meiner Couch. Schon allein bei dem Gedanken, gleich mit David zu telefonieren, wurde mir wieder schlecht. Ich zog mein Handy aus meiner Hosentasche und fing an, seine Nummer zu wählen. Noch immer konnte ich sie auswendig.

Kurz bevor ich die letzten Ziffern hätte tippen müssen, löschte ich die Zahlen wieder. Ich konnte es einfach nicht. Meine Angst vor Davids Reaktion war einfach zu groß. Ich legte das Handy beiseite und schloss die Augen. Als ich sie kurz darauf wieder öffnete, spürte ich, dass mir erneut Tränen die Wangen herunterliefen.

Wie würde David wohl reagieren? Wäre er sehr schockiert? Würde er einfach auflegen und sich nie wieder bei mir melden? Natürlich würde er vollkommen überrumpelt werden mit dem Gedanken, möglicher Weise Vater zu werden. Doch mir ging es, als ich den Schwangerschaftstest gemacht hatte nicht anders.

Ich fing noch einmal an, Davids Handynummer zu wählen, doch legte sofort wieder auf. Um mich zu beruhigen ging ich erst noch einmal in die Küche und nahm eine Tafel Schokolade aus dem Schrank. Schon früher, wenn Leslie und ich versuchten uns gegenseitig bei einem gebrochenem Herzen oder anderen Problemen trösten mussten, gab es keine bessere Hilfe als Eis, welches ich leider nicht hatte, oder eben Schokolade. Ich brach ein Stück von der Tafel ab und schlang es beinahe schon gierig herunter. Der süße Geschmack und Zucker fingen schnell an, mich zumindest ein wenig zu beruhigen.

Einige Schokoladenstücke später setzte ich mich erneut auf die Couch und wählte Davids Nummer. Diesmal tatsächlich vollständig und ohne sofort wieder aufzulegen. Einige Male hintereinander kam ein tutendes Geräusch, ich hatte schon Angst, dass nur sein Anrufbeantworter sich melden würde. Auf diesen zu sprechen würde wahrscheinlich nur noch schlimmer sein, als David direkt zu sprechen. Denn was sollte ich sagen? „David, hier ist Gwendolyn. Es ist gut möglich, dass ich von dir schwanger bin, also melde dich bitte bei mir", war wohl kaum eine gute Idee.

Doch tatsächlich, kurz bevor ich ein weiteres Mal anrufen wolle, hob er ab. „Hallo?", meldete er sich.

„Hey David, hier ist Gwendolyn." Ob er meine Nummer bereits aus seinem Handy gelöscht hatte und mich deshalb nicht mit Namen ansprach? „Hast du gerade ein wenig Zeit zu sprechen, oder soll ich später noch mal anrufen? Es ist wichtig."

„Ich habe heute frei, hab also Zeit zu sprechen. Was gibt's denn wichtiges?" Er klang jetzt bereits genervt. Na toll. Ich wollte ja auch nicht mit ihm telefonieren, aber was sollte ich machen? „Willst du etwa doch zu mir zurück nach New York?"

„Mach dir da mal keine falschen Hoffnungen, oder keine Sorgen. Ich hatte nicht vor, London schon wieder zu verlassen. Für dich erst recht nicht, ich hoffe, du kannst das nachvollziehen."

„Dann ist ja gut." Zwar hatte ich endlich das Gefühl gehabt, dass zumindest der von David gebrochene Teil meines Herzens ordentlich anfing zu heilen, dennoch schmerzte der Kommentar ganz schön.

„Das heißt leider trotzdem nicht, dass wir den Kontakt endgültig abbrechen können. Sonst hätte ich dich nicht angerufen." Ich hatte eigentlich gehofft, dass das Telefonat anders verlaufen würde. Wenigstens ein bisschen weniger Zicken meinerseits auf Davids Antworten wäre schön geworden. Ich nahm noch ein Stück Schokolade in den Mund und wartete darauf, dass ich eine Antwort erhalten würde. Da David jedoch schwieg, entschied ich mich einfach endlich alles hinter mich zu bringen und ihm von meinem Grund für den Anruf zu erzählen. „Das ist jetzt sicherlich nichts, womit du gerechnet haben wirst", fing ich an, in der Hoffnung David ruhig auf das Thema einstimmen zu können.

Bevor ich weitersprechen konnte, wurde ich von einem „du verwirrst mich", unterbrochen.

„Tut mir leid. Also: der Grund, weshalb ich dich anrufe ist folgender." Noch immer redete ich um den heißen Brei herum. Am liebsten hätte ich noch ein weiters Stück Schokolade gegessen, mittlerweile war die Tafel schon halb leer, doch ich zwang mich erst einmal fertig zu sprechen. Meine Nervosität hatte einen weiteren Hochpunkt erreicht. Dass dies möglich war, hatte ich nicht gedacht. Meine Hände zitterten und schwitzen zugleich, sodass ich schon Angst hatte, mein Handy könne mir aus der Hand rutschen. Ohne weiter nachzudenken, platzte es dann auf einmal aus mir heraus. „Ich bin schwanger und es ist gut möglich, dass du der Vater bist."

Ich hatte das Gefühl, durch die Leitung leise das Aufprallen von Davids Handy auf den Teppichboden seiner Wohnung zu hören. So lange, wie er zum antworten brauchte, konnte es gut möglich sein, dass ihm das Gerät vor Schock aus der Hand gerutscht war. Übelnehmen konnte ich ihm dies nicht. Vermutlich ginge es mir in seiner Situation auch nicht gerade gut. Endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, bekam ich doch noch einmal Davids Stimme zu hören. „Bitte was?"

„Du hast schon richtig gehört", fing ich an. Hatte er tatsächlich so patzig reagiert, oder hatte ich mir dies nur eingebildet? „Es ist gut möglich, dass du Vater wirst. Ich werde das Kind auf jeden Fall behalten und wir sollten nach der Geburt auf jeden Fall einen Vaterschaftstest durchführen. Nimm dir so viel Zeit wie du brauchst, um dich an den Gedanken zu gewöhnen."

„Das werde ich." Dann hatte er aufgelegt.

Noch während ich mein Handy vom Ohr nahm, spürte ich, wie eine heiße Träne aus meinem rechten Auge lief. Langsam ließ ich das Handy sinken und legte es neben mich. Schon mit einem neuen Stück Schokolade in der Hand ließ ich meinen Tränen freien Lauf.

Natürlich hatte ich keine Freudensprünge von David erwartet, oder sogar, dass er sich ins nächste Flugzeug von New York nach London setzten wollte. Doch damit, dass er einfach auflegen würde, hatte ich nicht gerechnet.

Das Stück Schokolade fing an in meiner noch immer schwitzenden Hand zu schmelzen, essen konnte ich es nicht. Zuerst leise, doch dann immer lauter fing ich an zu schluchzen. Ob sich David jemals wieder bei mir melden würde? Was, wenn er als Vater niemals Kontakt zu seinem Kind haben wollen würde? Wie sollte ich das jemals erklären können? Es war schwierig genug für meine kleine Schwester Caroline zu verstehen, dass unser Vater als sie gerade einmal ein Jahr alt war an Leukämie verstorben war und sie ihn deshalb nie wirklich kennenlernen konnte. Doch einem Kind zu erklären, dass sein leiblicher Vater einfach kein Interesse daran habe, es kennenzulernen? Das musste unmöglich zu verstehen sein.

Nun, wo ich einmal mit diesen Gedanken angefangen hatte, konnte ich erst recht nicht aufhören zu weinen. Nicht nur würde mein Baby niemals seinen Opa kennenlernen können, auch mir war wieder bewusstgeworden, wie sehr ich meinen Vater vermisste.

Tränenüberströmt sackte ich auf meinem Sofa in mir zusammen. Ich konnte einfach nicht mehr aufhören, zu weinen. All die Emotionen, Gefühle und Gedanken, die ich in letzter Zeit versucht hatte zu verdrängen, kamen nun wieder hoch. Meine Trennung von David, das Gefühl betrogen worden zu sein. Die ungeplante Schwangerschaft und die Angst, dass David nicht der Vater meines Kinds sein könnte. Die Angst davor, später mit meinem Kind alleine da zu stehen und niemals auch nur ansatzweise einen Vaterersatz finden zu können. Und die Angst davor, wieder von Gideon verletzt zu werden.





Ihr Lieben,

es tut mir schrecklich leid, dass ihr nun fast schon wieder ein Jahr auf ein neues Kapitel von mir warten musstet. Ich hoffe, dass es euch gefällt, auch wenn es eher kurz und sehr gefühlslastig ist. Ich bin gerade sehr im Schreibfluss, wenn ich Glück habt könnt ihr bald mit einem neuen Kapitel rechnen.

Alles Liebe

Weltenbummler

P.S. ich habe das Kapitel nicht korrekurgelesen, da ich einfach zu aufgeregt war, endlich neuen Lesestoff für euch zu haben . Seid mir also bitte nicht Böse wenn ihr Fehler findet oder etwas keinen Sinn ergibt!

Life hates herWhere stories live. Discover now