Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben! Und die Biolehrerin.

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  -Mias Sicht-  

am nächsten Tag

Genervt drehte ich mich um. Dieser beschissenen Wecker konnte mich mal. Ich hatte eigentlich nicht einmal ansatzweise das Bedürfnis aufzustehen. Allerdings machte mir die Tatsache, dass ich zur Schule musste und Annie und Ich heute nach Death City gehen würden, einen Strich durch die Rechnung. Einen gewaltigen. Ich liebte meinen Schlaf...
Aber nun gut, ich konnte daran jetzt auch nichts mehr ändern.
Also stand ich langsam auf und schlurfte in die Küche. Dort wartete bereits mein kleiner Bruder, oder sollte ich eher sagen mein Brudermonster, auf mich. Unsere Eltern gingen jeden Tag sehr früh aus dem Haus, also musste ich mich morgens um alles kümmern. Kai (so heißt das kleine Biest), erwartete mich bereits in der Küche und saß auf seinem üblichen Platz am Esstisch.
"Onee-chan! Ich hab Hunger!", quengelte er lautstark und schlug mit der Faust auf den Tisch. "Kai! Benimm dich! Ich mach dir ja schon was...". Müde machte ich ihm und mir je eine Schüssel Cornflakes und setzte mich ihm gegenüber. "Das hat ja lange genug gedauert!". "Kai". Er streckte mir nur die Zunge heraus. Monster. So ein kleines, nerviges, anstrengendes Biest. Und dennoch wurde immer er bevorzugt. Sollte einer verstehen, was in den Köpfen unserer Eltern vorging...
Ich war kurz davon wieder einzuschlafen und meinen Kopf einfach in die halbleere Schüssel vor mir fallen zu lassen, doch eine kalte Nase, die mein Bein sanft anstupste, ließ mich aufschrecken. Ich sah nach unten und sofort in die großen, dunklen Augen von Lucy, unserer Golden Retriever-Hündin. Eigentlich hieß sie Jaqueline-Chantal. Kai durfte ihr damals einen Namen geben und machte sich offenbar einen großen Spaß daraus. Ich weigerte mich jedoch, diesen Namen zu verwenden.
"Ach Süße, dich hab ich ganz vergessen, tut mir leid!", murmelte ich entschuldigend und füllte schnell ihren Napf. "Mia! Die Cornflakes schmecken komisch!", schon wieder fing er an herumzumotzen. "Kai...wenn du in die Cornflakes reinrotzt oder so können die auch nicht normal schmecken. Die sind so wie immer. Und jetzt benimm' dich mal bitte für zehn Minuten, ich möchte mich umziehen gehen!". Mit dem Umziehen war ich sogar schon nach neun Minuten fertig und oh Wunder: Kai hatte sich in der Zeit wirklich benommen. Respekt.
Wieder wurde ich angestupst. "Nein Lucy, du hattest schon etwas zu essen. Ich will dich gleich beim Gassi gehen nicht durch den Park ROLLEN müssen!", meinte ich grinsend und tätschelte ihren Kopf. Leise winselnd zog sie vondannen und ich konnte mich wieder meinem kleinen Bruder widmen. "Zieh dich an, wir müssen gleich los!". "Jaja, schon klar...". "Ein einfaches Ja hätte gereicht, Kai!", belehrte ich ihn, er drehte jedoch nur genervt den Kopf zu Seite. Fünf Minuten später stand er fast komplett angezogen vor mir.
"Wieso sind deine Schnürsenkel nicht gebunden?", fragte ich ihn ein wenig verdutzt. Mutter sagte, sie hätte es ihm schon längst beigebracht. "Ich...kann das irgendwie nicht...". "Du bist fünf, fast sechs Jahre alt, mein lieber Kai. Du gehst bald in die Schule, was sollen denn die anderen Kinder denken, wenn du deine Schuhe nicht selbst zugebunden bekommst?". Er sah mich flehend an. Wie ich ihn und seinen Hundeblick verfluchte. Letztendlich band ich ihm also doch die Schnürsenkel zu.
Mit Kai an der einen und Lucys Leine (inklusive der Hündin natürlich) machte ich mich auf den Weg zum Kindergarten. Ich war wirklich froh, das kleine Monster endlich loswerden zu können. Auch wenn ich innerlich wusste, dass ich ihn unendlich lieb hatte...Auf dem Rückweg zu unserem Haus lief ich mit Lucy durch den Park, um sie ein wenig spielen zu lassen. Zuhause angekommen, musste ich kurze Zeit später auch schon wieder los.   

Etwa zehn Minuten vor Unterrichtsbeginn stand ich am Haupteingang unseres Gymnasiums und wartete auf Annie, die anscheinend mal wieder zu spät kam. War nichts Neues bei ihr, mittlerweile sogar schon Routine. Zu meiner Überraschung kam sie dieses Mal aber sogar anderthalb Minuten bevor der Unterricht losging. "Dass du mal so früh da sein konntest, hätte ich nie erwartet!", neckte ich sie. Dies ignorierte sie jedoch gekonnt.
"Ach Mia, ich bin soooo aufgeregt! Heute geht es endlich nach Death City!", kreischte sie mir ins Ohr. "Ich hätte dich auch so verstanden,Annie...kein Grund so laut zu werden...".
Gerade wollte sie etwas erwidern, da vernahmen wir auch schon das Läuten der Schulglocke. "Oh nein, wir kommen zu spät zum Unterricht!", rief ich panisch aus. Ich hatte mir vorgenommen, in meiner Schullaufbahn nie zu spät zu kommen und nie zu schwänzen! Das konnte ich mir jetzt abschminken. Annie klopfte mir beruhigend auf die Schulter. "Ach, für mich ist das nichts neues, stört mich also nicht!", meinte sie, aber ich starrte sie nur entsetzt an. "Mich stört das dafür umso mehr!", schrie ich sie schon fast an, während ich begann, die Treppen in den zweiten Stock hinaufzurennen. Ich nahm immer zwei Stufen auf einmal, so gut es halt ging, bei meiner Größe und meinen kurzen Beinen. Oben angekommen, war ich kurz davor an der Tür des Biologie-Raumes anzuklopfen, doch Annie riss diese Tür einfach auf, ging hinein und setzte sich geräuschvoll auf ihren Platz in der hintersten Reihe. Alle starrten sie verdutzt an, während ich noch im Türrahmen stand. "Ehm...tut uns wirklich leid, dass wir zu spät sind...wir haben unseren Bus verpasst. Und ich möchte mich für das Verhalten von Annie entschuldigen!", nuschelte ich mit eingezogenem Kopf. Die Lehrerin nickte mir kurz zu, also ging ich leise zu meinem Platz zwischen Annie und Ryo, einem guten Freund von mir mit japanischen Wurzeln. "Du und den Bus verpasst? Wohnst du nicht fünf Minuten Fußweg von der Schule entfernt?", fragte er grinsend und streckte mir leicht die Zunge aus. "Pssst, muss die Alte ja nicht wissen!". Daraufhin widmete ich mich dem Unterricht.
Dann der Schock: Mündliche Leistungskontrolle. Der Horror aller Schüler.
"Freiwillige vor! Keine Freiwilligen? Wie Schade...dann nehmen wir doch...Annie!" Wieso hatte ich das kommen sehen? Annies Gesichtsfarbe wechselte in einen sehr unnormalen, blassen Ton. Sie schluckte schwer und stand dann langsam auf, bewegte sich noch langsamer nach vorne zur Tafel.
"Also, dann definiere doch mal den Begriff Mitose!".   

  -Annies Sicht-  

Mitose...konnte man das Essen? Klang fast wie Mayonnaise, aber auch nur fast. Flehend warf ich einen Blick zu Mia, die mich nur tadeln ansah. Ja, ich hatte nicht gelernt. Ja, ich war Schuld daran, dass wir zu spät gekommen sind. Ja, ich habe letztes Jahr einen Stuhl aus dem zweiten Stock auf den Schulhof geworfen und dabei fast den Direktor umgebracht. Aber das ist eine andere Geschichte...
"Also...?". Achja, da war ja was. Die Bio-Schrulle sah mich abwartend an.
"Also Mitose...das hat was mit Biologie zu tun...". Mehr fiel mir dazu jetzt auch nicht ein.
"Mehr weißt du nicht? Ich will doch nur wissen, was Mitose ist, dass hatten wir letzte Stunde doch ausgiebig behandelt!". "Wieso wollen sie das überhaupt wissen, sie sind Bio-Lehrerin, sie müssten das selbst wissen...", murmelte ich vor mich hin. Fünf Minuten vergingen. Fünf Minuten voller Schweigen. Die Lehrerin seufzte. "Das hat wohl keinen Sinn. Sechs, setzen. Du bist morgen noch einmal dran, vielleicht kannst du das dann ausbessern!". Gesagt, getan, ich setzte mich wieder hin. Ich bezweifelte stark, dass sie mich morgen rannehmen können würde. Schließlich würde ich in Death City sein!
Der Rest der Stunde dauerte mal wieder ewig...Prophase, Metaphase, Anaphase, Telophase...wen interessierte das denn bitte? Die ganzen Biologen vielleicht, aber mich garantiert nicht...
Danach hatten wir Französisch. Doppelstunde.
"Bonjour les élèves!". "Bonjour, Monsieur Eiffeltürm!".
"Alors, nous voulons commencer avec la future simple..."
Dann schaltete ich komplett ab. Das Simple Futur? Das war nicht so simpel, wie er dachte...Irgendwann fing er dann an, irgendwas von seinem Hund Theo auf Französisch zu labern. Wer nannte seinen Hund bitte Theo? Also ich bestimmt nicht...
Irgendwann steckte Ryo mir einen Zettel zu. Sonst hing der doch immer eher an Mia. "Was'n los heute mit euch beiden, scheint irgendwie voll neben der Spur zu sein xD"
Schnell schrieb ich die Antwort.
"Wirst du später schon sehen..."
"Gib mir doch 'nen Tipp!"
"Lass mich überlegen...Nö."
Darauf ließ er unsere Zettel-Konversation beruhen. Kurze Zeit später war es endlich soweit, das erlösende Läuten der Schulglocke erklang! Ich schnappte mir Mias Arm und zog sie auf den Schulhof. Sofort blickte ich mir neugierig um. Wer würde uns wohl abholen kommen?! Mia tippte mir kurz auf die Schulter, deutete dann auf die große Uhr. 9:50 Uhr. Oh, unser "Abholer" war wohl eh noch nicht da...
Auf einmal gesellten sich Ryo und Sayuri, eine gute Bekannte meinerseits und die Zwillingsschwester von Ryo, zu uns. Fragend sahen beide uns an.
"Wieso seid ihr beide eben so schnell gegangen?", fragten sie fast gleichzeitig.
"Müllauto", war mein einziger Kommentar dazu, woraufhin Sayuri den Lachflash ihres Lebens bekam. Keiner wusste warum, aber sie fand dieses Wort einfach zum Schießen. Wir standen noch eine Weile in unserem kleinen Grüppchen in der Mitte des Schulhofes rum, als Mia auf einmal zu quietschen anfing und auf irgendeinen Punkt weiter hinten auf dem Hof deutete...

Ja, wir sind süß, aber voll psycho!Where stories live. Discover now