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•Lazy Song•

Lesewoche

t  u  e  s  d  a  y

H  O  L  L  Y

Der Raum war kahl. Weiße Wände, weiße Fenster, die wenigen Möbel hatten die selbe Farbe.

Auf dem Bett saß ein Junge mit breiten Schultern. Er hatte seinen Kopf in seinen Händen vergraben.

"Noah." Sagte Gershwin bestimmt und etwas großkotzig, als wäre der Junge sein Haustier.
Ich verzog unzufrieden den Mundwinkel.
Widerwärtig.

Dieser Noah hielt den Kopf gesenkt und ignorierte uns. Hätte ich an seiner Stelle auch gemacht.

"Noah!" Wiederholte Gershwin laut. Irgendwie klang er nervös.

Wieder keine Reaktion.

"NOAH!" Brüllte Gershwin Junior so plötzlich, dass ich erschrocken zusammenzuckte.

Noah hob langsam den Kopf. Seine dunklen Augenbrauen waren zornig zusammengezogen und an seinem Hals pochte eine Ader.

"Was?!" Knurrte er. Seine Stimme war tief und rau.

Er hatte dunkle, beinahe schwarze Haare und dunkelgrüne, stechende Augen, die aber irgendwie betrübt, geradezu matt wirkten.
Als würden sie... nicht mehr wirklich lebendig sein.

Seine hohen Wangenknochen und der leichte Drei-Tage-Bart verliehen ihm ein natürlich gutes Aussehen.

Ich musste ihn ziemlich auffällig abgecheckt haben, denn er musterte mich abschätzig.

Dann lachte er spöttisch.
"Ich hoffe dir ist klar, dass ihr der Kleinen nur schadet, wenn sie mir 'helfen' soll?"

Gershwin schwieg.

Dann lachte er zögernd in meine Richtung.

"Gut. Du hast ihn ja jetzt gesehen. Ähm... wollen wir dann wieder?" Er deutete auf die Tür.

"Ja klar." meinte ich achselzuckend. Meiner Meinung nach benötigte dieser Gershwin doch selber einen guten Psychator.

An der Tür fiel mir ein, dass ich mich noch gar nicht vorgestellt hatte.

Schnell drehte ich mich nochmal um.
"Ich bin Holly Summer. Wehe du gibst mir Spitznamen. Ich hasse das."
Dann ging ich nach drausen und knallte die Tür hinter mir zu.

~

"Und? Wie wars?" Fragte Mum teils neugierig, teils hoffend, dass ich ihr erzählte, wie furchtbar dort alles war.
Weil anders würde ich ja nicht einsehen, dass ich was falsch gemacht hatte und es bereuen oder keine Ahnung.

Wer weiß schon was in Köpfen von Müttern vorgeht.

"Ganz schrecklich. Alle haben mich geschlagen und ein grußeliger Kerl der dachte er ist ein Zombie, wollte mein Gehirn fressen!" Erzählte ich dramatisch, worauf meine Mum bloß mit den Augen rollte.

Achselzuckend schnappte ich mir eine Oreo Packung aus der Küche und flüchtete in mein Zimmer.

Ich hatte eine dramatische Oreo Kekse Sucht. Aber ich gebe einfach mal nichts auf das bissche Hüftgold mehr und genieße sie. Am besten, man tunkt sie in Nutella und trinkt dazu Erdbeermilch.

Das ist wirklich die Definition von Himmel.

Ich schlüpfte aus meiner Latzhose und zog mir stattdessen meine extra weite Pijama Hose an, in der ich aussah wie ein Sumoringer.

Aber immerhin ein Sumoringer mit Oreokeksen in der Hand.

~

"Also komm mit. Wie du ja gestern schon bemerkt hast, ist er nicht sehr einfach. Er währt sich gegen jede Art von Hilfe, die man ihm anbietet, ist stur wie ein Esel und vergrault alle Psychater.

Du musst nicht viel mehr wissen, weil du eigentlich nur seine Pflegerin spielen sollst. Das bedeutet einfach verfügbar zu sein für ihn und sein soziales Umfeld. Das einzige was vielleicht noch erwähnenswert über ihn wäre, ist dass er... tja... auch schon mal zugeschlagen hat. Nun...ehm...viel Glück." Und Gershwin schubste mich in den Flur mit den Grusel Clown Bildern.

Toll.
Er hatte also jemanden geschlagen.
Klasse.

Ich hätte die hässliche Sonnenbrille einfach stehen lassen sollen, dann stände ich jetzt nicht in einem Flur voller Clowns, die mich alle anzustarren schienen.

Ohne Witz, ich hatte solche Angst vor Clowns, dass es als Phobie durchging.
Als Kind hatte mich ein Clown mal einfach aufgehoben und von meiner Mutter weggebracht.

Meine Mum war ihm nachgelaufen, während ich geschrien hatte, hatte ihm zugerufen, er solle mich loslassen.
Später, als der Kerl von der Polizei aufgehalten und ich wieder meiner Mutter übergeben wurde, kam heraus, dass der verkleidete Mann ein ernsthaftes psychisches Problem hatte und es schien der Verdacht auf, dass er ein Pädophiler war.

Als die Erinnerung wieder hochkam, schloss ich hektisch die Augen und lief blind den Flur entlang.
Bis ich in die Wand krachte, die den Gang abschloss.
Ich tastete nach der Tür und klopfte. Ohne auf eine Antwort zu warten, stürmte ich ins Zimmer und knallte die Tür hinter mir zu.

"Pfuuh..." seufzte ich erleichtert und wischte mir meinen imaginären Schweiß von der Stirn.

Auf der Bettkante, in der exakt gleichen Pose wie gestern schon, saß Noah und starrte mich mit einem undefinierbarem Blick an.

Zeit fürs Kennenlernen, Holly.

Ich ging näher zu ihm und streckte ihm höflich meine Hand hin, um ihn respektvoller zu begrüßen..

"Hey." Meine Hand hing geschätzte acht Stunden lang in der Luft, aka eine halbe Minute, aber Noah beachtete sie gar nicht, sondern musterte mich immer noch.
Gruselig.

"Okay, schon klar, sorry du Model." Brummelte ich und zog meine Hand zurück.

Arschkopf.

Unangenehme Stille breitete sich im Zimmer aus.

"Also, ähm..." krampfhaft suchte ich nach irgendeinem Gesprächsthema, aber mir wollte gar nichts einfallen.

Noah lachte spöttisch auf.
"Du brauchst nicht freundlich und nett spielen, Kleine. Niemand außer mir ist hier, und mich juckt nicht, wer du bist, noch was du hier machst. Also kannst du eigentlich einfach die Fresse halten."

Weil mir nicht besseres einfiel, murrte ich einfach: "Ich hab dir doch gesagt, keine Spitznamen."

Noah grinste kühl, aber es erreichte seine Augen nicht.
"Ich weiß, Kleines."
Er betonte letzteres extra, als würde er es genießen, mich auf die Palme zu bringe.

"Maul." Sagte ich beleidigt.
Er grinste.
Ich musterte ihn bemüht unauffällig.

Heute trug er eine graue Jeans und ein lockeres weißes T-Shirt.

Seine Haare waren in diesem Ich-bin-gerade-aufgestanden-und-mega-sexy-Look und er sah großartig aus, aber-

"Bist du's dann auch mal?" Fragte Noah gelangweilt.

Peinlich berührt spürte ich, wie meine Wangen sofort Feuer fingen.
Taten sie immer.

"Ich weiß, dass ich gut aussehe." Sagte er arrogant und grinste provokant.

"Aber deine Augen sind tot." Flüsterte ich leise, in der Hoffnung, dass er es nicht hören würde.

Aber Pustekuchen.
"Was?" Fragte er überrascht.

"Du hast mich schon verstanden." Gab ich forsch zurück und er fuhr sich seufzend mit der Hand durch die Haare.

"Gott, das wird anstrengender als gedacht." Brummte er.

Arschloch.

Summer and WinterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt