Kapitel 2

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Das Erste was ich spüre, als ich aufwache ist mein schmerzendes Fußgelenk. Vorsichtig öffne ich die Augen, um mich umzugucken. Ich liege in einem Zelt, die Wände bestehen aus Leder und in der Mitte brennt ein kleines Feuer. Überall sind Zeichnungen an den Lederstücken. Das Teil ähnelt extrem einem Tipi aus irgendeinem Film. Langsam setze ich mich auf. Ich liege auf einem Gestell mit Tierfellen und Lederdecken. Erleichtert stelle ich fest, dass mein Rucksack neben mir steht. Ich trinke etwas und versuche dann aufzustehen. Eine Frau, etwas älter als ich kommt rein. Als sie mich sieht lächelt sie und drückt mich sanft zurück aufs Bett. Sie sagt etwas, das ich nicht verstehe. Ich sehe sie fragend an. Sie schüttelt den Kopf, gibt mir eine Schale mit irgendeinem Brei und geht wieder raus. Ich stelle die Schale erstmal weg und denke nach. Die Frau hat lange schwarze Haare und ein Kleid und Leder an. Es ist mit vielen Perlen geschmückt. Bin ich etwa doch bei Indianern gelandet? Oder ist das einfach nur ein kranker Traum? Kann aber nicht sein der Schmerz fühlt sich zu echt an. Erneut wird der Lederlappen geöffnet und die Frau von eben kommt mit einem jungen Mann rein. Die beiden reden in dieser Sprache miteinander. Hoffentlich sind das nicht irgendwelche verrückten Cosplayer. Der Mann kommt auf mich zu und gibt mir die Schale von eben. Ich hab zwar schon Hunger und der Brei sieht essbar aus, aber wer weiß, nachher ist das vergiftet. Ich schüttel den Kopf und gebe ihm die Schale zurück. Mit Worten komme ich anscheinend nicht weit. Die Frau sagt etwas, setzt sich ans Feuer und mischt irgendwelche Kräuter zusammen. Der Mann setzt sich vor mich, damit wir auf Augenhöhe sind. Er nimmt den Löffel und fängt an zu essen. Will der mir jetzt zeigen, dass es nicht vergiftet ist? Er gibt mir die Schale zurück. Naja was soll schon passieren. Im schlimmsten Fall sterbe ich. Und das wäre jetzt auch keine Katastrophe. Vorsichtig nehme ich den Löffel und schiebe mit etwas Brei in den Mund. Es schmeckt echt gut. Es dauert nicht lange bis die Schale leer ist. Er lächelt mich freundlich an und nimmt mir die Schale aus der Hand. Dann steht er auf und verlässt das Zelt. Jetzt erst fällt mir auf, dass er Oberkörperfrei ist. Er trägt eine Lederhose die ebenfalls mit Perlen und Fransen geschmückt ist. In seinen Schulterlangen schwarzen Haaren, hängen zwei Federn. Über seinen Rücken ziehen sich zwei lange Narben. Auf einmal fängt die Frau an, irgendwelche Sachen zu murmeln. Die hab ich ja komplett vergessen. Die Frau kommt zu mir und zeigt mir den Inhalt der Schüssel. Dann deutet sie auf meinen Fuß. Ich zucke mit den Schultern. Soll die doch machen. Ich bin gerade zu der Ansicht gekommen, dass diese Leute, die wie Indianer aussehen und sich auch so benehmen, ungefährlich sind. Sie trägt die Paste auf meinen Knöchel auf und sofort wird mein Fuß angenehm kühl. Sie stellt die Schale neben mich und verlässt dann auch das Zelt. Ich lege mich wieder hin und denke über alles nach.

Ich werde diesen Leuten erstmal vertrauen und dann weiter sehen. Hier werde ich immerhin aufgenommen und versorgt. Der Mann kommt wieder rein. Ich setze mich auf und schaue ihn erwartungsvoll an. Er deutet auf seine Brust und sagt Winnetou. Will der mir jetzt ernsthaft sagen, dass er Winnetou heißt? Winnetou ist eine erfundene Figur. Nie im Leben heißt der so. Locker sind das alles Cosplayer die alle durchgeknallt sind. Er deutet wieder auf seine Brust.
,,Winnetou", sagt er erneut. Na dann spiele ich mal mit. Ich deute auf mich. ,,Mira", sage ich. Er nickt. ,,Mira", wiederholt er. Ich nicke. Er deutet wieder auf sich. ,,Winnetou, Apache", sagt er. Ich runzle die Stirn. Wenn er wirklich ein Apache ist, müsste er dann nicht in Lehmhäusern in den Bergen und nicht in Zelten in der Prärie wohnen? Das sind wirklich schlechte Cosplayer.
,,Winnetou, Apache, Mira, Deutsche", haue ich raus und warte auf seine Reaktion.
,,Deutsche?", fragt er und zuckt mit den Schultern. Er hat also keine Ahnung, was Deutsche sind? Spätestens jetzt hätte ein Cosplayer doch irgendetwas sagen müssen, oder? Keiner von uns beiden weiß so recht weiter. Scheinbar weiß er, dass ich seine Sprache nicht spreche. Interessiert schaut er mich an. Ganz sanft streicht er über meine Jeans. Wütend schlage ich seine Hand weg. Der kann mich doch nicht einfach anfassen. Er sieht mich entschuldigend an und ich kann Reue in seinen Augen erkennen. Fast tut er mir schon wieder leid. Er steht auf und verschwindet wieder. Ich seufze einmal. Und das alles nur wegen diesem behinderten Amulett. Ich reiße es von meinem Hals und werfe es weg. Ich muss mich dringend mal frisch machen. Also nehme ich meinen Rucksack und stehe langsam auf. Mein Knöchel tut zwar noch weh, aber ich kann normal laufen. Dieses Zeug wirkt Wunder. Ich öffne den Lederlappen und trete aus dem Zelt. Es dauert einige Zeit bis sich meine Augen an das helle Licht gewöhnt haben. Vor mir stehen viele Zelte die ebenfalls mit Leder behangen sind. In der Mitte brennt ein großen Lagerfeuer, um das viele Männer sitzen. Kinder renne fröhlich rum und spielen. Andere Kinder helfen bei der Arbeit. Alle haben Lederkleidung an, Schwarze Haare und eine bräunliche Hautfarbe. So viel zum Thema Rothaut. Rot sind die wirklich nicht. Mittlerweile glaube ich nicht mehr an Cosplayer. Ich bin also durch das Amulett in den wilden Westen gereist. Die Frage ist jetzt nur, welches Jahr wir haben, ob die schon die ,Weißen' kennen. Aber ich glaube nicht, sonst wäre ich niemals so nett aufgenommen worden und die wüssten mehr über mich. Mit meiner bloßen Anwesenheit habe ich ziemlich viele Blicke auf mich gezogen. Ich versuche die Frau von eben zu finden, um ihr klar zu machen, was ich möchte. Es dauert nicht lange bis sie mit dem Mann, der sich als Winnetou ausgibt und einem älteren Mann mit viel Federschmuck aus einem Zelt kommt. Sie geht zu mir und will mich zurück ins Zelt bringen. Ich schüttel den Kopf und meine Augen suchen eine Wasserschale. Ich werde fündig und gehe dort hin. Es ist leise, man hört nur ab und zu ein leises flüstern. Kinder sehen mich aus großen Augen an und die Erwachsenen machen mir Platz wenn ich vorbei laufe. Ich deute auf das Wasser. Die Frau nickt und gibt mir die Schale. Ich stelle sie wieder zurück und schüttel den Kopf. Dann halt anders. Ich schöpfen mit der Hand etwas Wasser und gieße es über meine Haare und mein Gesicht. Dann deute ich in den Wald, aus dem ich deutlich einen Bach höre. Winnetou sagt etwas. Sie fängt an zu Lächeln und deutet mir mitzukommen. Nach kurzer Zeit sind wir an dem Fluss angekommen. Ich nicke und lege meinen Rucksack ab. Sie sieht mich erwartungsvoll an. Ich mache eine Handbewegung, dass ich alleine sein will. Zum Glück versteht sie es und geht wieder zurück. Ich suche mir eine Sichtgeschützte Stelle und fange an mir den Dreck und Schweiß abzuwaschen.

Das weiße MädchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt