Kapitel 45

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Die Tage ziehen dahin und werden immer kürzer. Nicht umsonst heißt es die dunkle Jahreszeit. Die grauen Wolken haben sich verzogen, jetzt scheint zwar die Sonne, doch dies führt ebenfalls zu klirrender Kälte. Eiszapfen bilden sich bereits an Bäumen und die Steine am Fluss überziehen sich auch langsam mit einer Eisschicht. Das ganze Lager ist von den unterschiedlichsten Schneeskulpturen verziert. Abgesehen von diversen Schneemännern, haben nun auch Schneehunde, Schneepferde, Schneevögel und sogar ein Schneebison ein Zuhause gefunden. Schon wieder ist die Dämmerung am eintreffen, dabei ist es höchstens fünf Uhr. Die Frauen sind gerade dabei Essen auszugeben. Ich stehe noch bei den Pferden und kraule Aponi etwas. Von Tag zu Tag wird ihr Bauch größer. Wenn ich mich nicht täusche müsste es so ungefähr mitte Dezember sein, vielleicht schon etwas später. Ich habe schon lange aufgehört zu zählen. Shiriki kommt angelaufen und balanciert vorsichtig eine Schale mit heißem Inhalt vor sich her.
,,Mama hat Shiriki aufgetragen, dies Mira zu bringen." Der Kleine hält mir stolz das Essen hin.
,,Sag deiner Mutter vielen Dank dafür. Und du hast das auch toll gemacht." Ich hocke mich hin und nehme ihm die Schale ab. Sein Gesicht fängt an zu strahlen und er rennt davon, wobei der ganze Schnee aufgewirbelt wird. Die warme Suppe wärmt meine ausgekühlten Hände. Ein letztes Mal streiche ich Aponi über den Hals und gehe dann zu meinem Zelt, darauf bedacht nichts zu verschütten. Im Zelt sitzen Winnetou und Amatok am Feuer und unterhalten sich. Ihr Gespräch verstummt schlagartig. Trotz meines Hungers biete ich aus Höflichkeit erst Winnetou und dann Amatok mein Essen an. Erst der Häuptling, dann die Männer und zum Schluss die Frauen und Kinder. Ich hab Glück, als Frau von Winnetou hätte ich als erstes von den Frauen ein Anrecht auf Essen. Doch Winnetou gibt mir jedes mal etwas von seinem Essen ab oder holt direkt etwas für uns beide. Trotzdem muss ich erst Fragen, bevor ich selber essen darf. Beide Männer schütteln ihren Kopf, also verziehe ich mich in eine hintere Ecke und versuche nicht das Gespräch zu verfolgen, was aber eigentlich unmöglich ist, da es keine anderen Geräusche gibt. Allerdings wird auch nur über belangloses geredet.

Etwas froh bin ich schon, als Amatok das Zelt verlässt. Es war einfach nur langweilig hier hinten rumzusitzen. Ich glaube es war nicht mal so lange, aber die Zeit zieht sich bei sowas unglaublich. Sobald Amatok draußen ist, lege ich meine Felle ab. Im Zelt ist es immer so warm, doch ich kann ja schlecht halbnackt vor Amatok rumrennen. Winnetou knotet sich seine Federn aus den Haaren und dreht sich dann zu mir um.
,,Sanis Zustand bessert sich. Er ist nicht mehr so stark abgemagert, vielleicht hat er doch Chancen den Winter zu überleben", fange ich ein Gespräch an. ,,Das wäre schön. Winnetou würde ihn gerne einmal reiten." ,,Das kannst du bestimmt. Er hat einen starken Lebenswillen." Er lächelt kurz und hockt sich vor mich.
,,Winnetou wird sich jetzt etwas zu essen holen." ,,Wieso hast du nicht meins genommen?"
,,Winnetou wollte nicht vor seinem Vater essen." Er gibt mir einen Kuss auf die Stirn und lässt mich alleine. Ich schmeiße etwas Holz ins Feuer und fülle die Wasserbeutel auf. Oh man, es ist so langweilig ohne Fernseher, Handy oder Internet. Klar, hier ist es eigentlich viel schöner, dadurch, dass es das alles nicht gibt aber so für Abends wäre das echt praktisch. Oder wenigstens Musik. Das würde ja sogar ohne Netz gehen, aber ohne Strom ist das auch etwas kompliziert.

Ich warte lange auf Winnetou, scheinbar muss er noch irgendwas erledigen. Doch ohne ihn will ich nicht schlafen. Das Zelt ist zu groß und die Tierfelle werfen gruselige Schatten an die Wände. Nicht das ich jetzt Angst habe, aber mir ist einfach unwohl. Winnetou kommt rein und legt seine schweren Felle ab.
,,Wieso hast du so lange gebraucht?" ,,Winnetou war noch bei Naira." Er legt sein Messer in greifbare Nähe und setzt sich dann zu mir. ,,Hat Mira Winnetou vermisst?", fragt er grinsend. ,,Ja." Ich ziehe ihn zu mir um ihn endlich zu küssen. Es ist wie eine Droge, einmal angefangen, ist es schwer wieder aufzuhören. Seine  Küsse werden immer fordernder und intensiver, doch ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass es mir nicht gefällt. Vorsichtig drückt er mich immer weiter zurück, bis er schließlich komplett über mir liegt. Schon lange hat mein Verstand ausgeschaltet und das Verlangen nach mehr wird mit jeder Berührung von Winnetou stärker. In einer kurzen Bewegung bin ich mein Lederband los. Es fühlt sich etwas komisch an, doch sofort vereint Winnetou unsere Lippen wieder und fängt an leicht über meine Brust zu streichen. Die Gänsehaut, auf meinem Körper, verstärkt sich und ein Gefühl der Geborgenheit breitet sich aus. Er bringt einen kleinen Abstand zwischen unsere Gesichter. Ich öffne meine Augen. Winnetous Augen sind komplett schwarz und er schaut mich leicht fragend an. ,,Mach es", flüster ich leise, sodass ich Angst habe, ob er es überhaupt gehört hat.
,,Ist Mira sicher?", kommt es genauso leise zurück. ,,Ich bin bereit. Tu es, bevor ich es mir anders überlege." Er lächelt und legt seine Lippen wieder auf meine.

Das weiße MädchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt