Kapitel 8

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Mit einem Korb voll Beeren und essbaren Pflanzen kehre ich vom Fluss zurück. Ich habe lange gebraucht, einmal weil ich mir nie richtig sicher war, ob das die richtigen Beeren sind und ich hab mich noch am Fluss gewaschen. Die Beeren lege ich zum trocknen auf ein Stück Leder in die Sonne und die Pflanzen gebe ich anderen Frauen. Auf einmal höre ich lautes gejubel. Wir unterbrechen unsere Arbeit und sehen, wie die Männer erfolgreich von der Bisonjagd zurückkommen. Soweit ich das sehen kann sind es mehrer ausgewachsene Tiere, die von jeweils zwei Pferden gezogen werden. Winnetou reitet wie immer an der Spitze. Die Frauen begrüßen ihre Männer, die alle unverletzt wieder gekommen sind. Die Kinder bewundern die riesigen Bisons und fallen ihren Vätern in die Arme. Ich gehe zu Winnetou der in letzter Zeit wie ein Bruder für mich geworden ist. ,,Die Jagd war erfolgreich wie ich sehe." ,,Ja, die Tiere standen gut und der Wind war auf unserer Seite. Das Fleisch wird ein bisschen reichen. Trotzdem werden wir in den nächsten Tagen noch mal aufbrechen." Elegant springt er von Aponi runter. ,,Weiß Mira wo Naira ist?" ,,Sie pflegt den kranken Krieger. Er braucht Ruhe, ist aber auf dem Weg zur Besserung." Winnetou schickt seine Stute zu der Herde. Silver kommt wiehernd zum Zaun, als er mich und Aponi sieht. ,,Wann traut sich Mira endlich ihr Pferd zu reiten?" ,,Ich werde es heute Abend versuchen", sage ich ohne zu überlegen. Winnetou nervt mich schon seit Wochen damit. Er grinst als ob er gewonnen hätte und geht, um beim Fleisch zu helfen. Ich bleibe noch einen Moment bei Silver, bevor ich ihm folge.

Es dauert den ganzen Nachmittag bis das Fleisch in Streifen geschnitten und zum trocknen aufgehangen wurde. Die Knochen liegen alle auf einem großen Haufen, daraus werden Waffen und Schmuck hergestellt. Die Haut hängt auch schon zum trocknen auf Holzgestellen. Etwas angeekelt wasche ich mir das Blut von dem Händen und gehe ein paar Schritte weg. Die unverwertbaren Reste stinken bestialisch und werden den Hunden zum Fressen gegeben. Langsam wird es dunkel und die Innereien, die in den Augen der Apachen das leckerste überhaupt sind, werden über dem großen Feuer gebraten. Ich sitze abseits und esse den leckeren Getreidebrei mit Beeren. Naira kommt zu mir und zieht mich zu den anderen Stammmitgliedern. Die ganze Zeit wird mir irgendwas Angeboten. Herz, Nieren, Magen und sogar Gehirn. Jedes Mal lehne ich dankend ab. Bei dem ganzen Zeug dreht sich fast mein Magen um. Wir sitzen noch lange am Feuer.

Endlich kann ich in mein Zelt gehen. Müde krame ich mein Notizbuch raus. Zwei Monate bin ich schon hier. Mit der Zeit kann ich mich gut verständigen und verstehe auch das meiste. Amatok hat mich wie ein Vater aufgenommen, und Naira und Winnetou sind fast wie Geschwister für mich. Obwohl das mit Winnetou noch so ne Geschichte ist. Irgendwie hab ich immer so ein komisches Gefühl bei ihm. In ihn verliebt sein kann ich nicht, es ist irgendwas anderes. Glaube ich zumindest. In dem Moment geht der Lederlappen auf und Winnetou kommt rein. Wenn man vom Teufel spricht.
,,Mira hat gesagt sie reitet heute auf Silver." ,,Winnetou ich bin müde. Und es ist dunkel." ,,Mira hat Augen. Und Silver auch." Ich seufze. ,,Komm selber oder ich trage dich." ,,Danke ich gehe lieber selber", murmel ich und ziehe meine Schuhe wieder an. Ich bin echt froh, dass meine Klamotten so lange halten. Winnetou nimmt ein Seil, dass immer neben dem Eingang liegt. Ich gehe raus in die kalte Nacht. Trotz Sommers ist es Nachts arschkalt hier. Ich fröstel leicht und warte auf Winnetou.
,,Mira kalt?" Nein du Dummkopf ich tu nur so. ,,Etwas", antworte ich und stapfe durch das Lager. Wir kommen bei den Pferden an, die alle dösend rumstehen. Wir klettern durch den Zaun und gehen in Richtung von Silver und Aponi die dicht beieinander stehen. ,,Die beiden sind ein schönes Liebespaar", sagt Winnetou grinsend. ,,Wenn das so weitergeht bekommst du bald ein Fohlen", antworte ich lachend. ,,Es würde ein schönes Fohlen sein." ,,Ja. Es würde den Mut und die Schönheit von Silver haben und sanft und ruhig wie seine Mutter." ,,Oder es bekommt die schlechten Sachen." Grinsend schüttel ich den Kopf. Wir legen Aponi und Silver jeweils ein Seil um den Hals und führen sie nach draußen. Leichtfüßig springt Winnetou auf seine Stute und sieht dabei wie immer unglaublich elegangt aus. Mit einem flauen Gefühl im Magen führe ich Silver zum Zaun. Er bleibt ganz still stehen. Langsam kletter ich auf den Zaun. ,,Mach schon", ruft Winnetou lachend. Am liebsten würde ich ihm den Mittelfinger zeigen oder eine Beleidigung an den Kopf knallen, aber das würde er sowieso nicht verstehen. Vorsichtig lege ich mein eines Bein auf den Rücken. Silver bleibt ganz ruhig. Mit einem Ruck rutsche ich rüber und sitze auf Silver. Er spannt sich an bleibt stocksteif stehen. Beruhigend rede ich wieder mit ihm. ,,Ich sitze. Das ist doch schon mal was." Winnetou lacht. ,,Und jetzt musst du losreiten." Sanft verstärke ich meinen Schenkeldruck, doch alles was ich erreiche, ist erneutes Anspannen von Silver. Ich beruhige ihn wieder und schnalze einmal mit der Zunge. Zögerlich macht Silver einen Schritt. Aponi wiehert ihm einmal zu und Silver fängt an zu laufen. Zwar nicht schnell aber er läuft. Ich ziehe etwas an seinem Halsring und sofort bleibt er stehen. Leicht drücke ich ihm meine Beine in den Bauch und sofort fängt er an zu traben. Aponi, versteht das falsch und fängt auch an zu traben. Kurze Zeit später galoppieren die beiden und liefern sich ein Rennen. Winnetou und ich feuern das ganze noch an. Schließlich bleiben unsere Pferde total erschöpft auf der Spitze eines großen Hügels stehen.
,,Ich würde sagen Gleichstand", kommt es von Winnetou. Ich steige ab und lasse mich ins Gras sinken. Ich bereue gerade die lange Reitpause. Morgen werde ich warscheinlich kaum laufen können. Etwas kaputt lehne ich mich gegen Winnetous Schulter. Jetzt erst fällt mir auf, dass er die ganze Zeit Oberkörperfrei war. Trotzdem geht von ihm eine angenehme Wärme aus. Er legt den Arm um mich und schaut hoch zu den Sternen.

Das weiße MädchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt