Kapitel 33

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Ich hab keine Ahnung wie spät es ist, als ich den Weg zu Konrad einschlage. Auch wenn ich keine Lust habe ihm jemals wieder unter die Augen zu treten, sollte er wissen was ihn erwartet.
,,Was willst du?", krächzt er, als ich mich vor ihn stelle. Er sieht wahrhaftig nicht gut aus. Seine Augen sind rot und verquollen, die Haare hängen ihm fettig im Gesicht und seine Haut sah auch mal besser aus. Kurz tut er mir leid, bis mir einfällt, dass er ein Mensch ist, der nur Hass verbreitet. ,,Ich wollte dich darüber in Kenntnis setzen, dass bei Sonnenuntergang dein Leid beendet wird." Er fängt an zu lachen, welches allerdings schnell in einen Hustenanfall übergeht.
,,Als ob die Apachen mich einfach so freilassen." ,,Ich habe nie gesagt, dass die Apachen dich freilassen." ,,Dann wars das also? Sie bringen mich um?" ,,Das hast du dir selber zuzuschreiben."
,,Ich kann es nicht verstehen, dass du diese Rothaut über mich stellst", sagt er und ein arroganter Ton schwingt in seiner Stimme mit. ,,Musst du auch nicht." Ohne auf eine Antwort zu warten drehe ich mich um.

Zielstrebig steuer ich Winnetous Zelt an. Mir ist gerade eine Idee gekommen, was ich Winnetou und Pati schenken kann, doch dafür muss ich Konrads Sachen durchsuchen. Zum Glück ist Winnetou nicht da. Nach kurzem Suchen werde ich bereits fündig. Mit Kohle, Radiergummi und Papier im Rucksack mache ich mich auf die Suche nach Winnetou. Er sitzt mit zwei anderen Apachen hinter einem Zelt und beobachtet die Frauen um sich anschließend mit seinen Freunden den Mund zu zerreißen. Winnetous Freunde begrüßen mich freundlich. ,,Ist alles in Ordnung mit Mira?" ,,Ja. Ich würde nur gerne ausreiten, ich muss etwas alleine sein. Und da wollte ich fragen ob ich Aponi mitnehmen kann. Sie sollte mal wieder etwas rauskommen."
,,In Ordnung. Aber geh nicht weit weg. Hat Mira ihr Messer?" ,,Ja klar. Danke. Und bitte lass mich dieses mal alleine." ,,Winnetou wird Mira nicht nachgehen. Er verspricht es." Hoffentlich. Sonst kann ich das Geschenk vergessen.

Mit flinken Bewegungen zeichne ich die Konturen von Aponi. Zeichnen war schon immer mein Ding. Ich liebe es einfach, man kann so gut dabei abschalten. Ich konturriere mit kleinen, leichten Strichen das Fell. Zufrieden betrachte ich das Bild von etwas weiter weg und mache mich dann daran, Silver nebe Aponi ins Bild zusetzten. Als ich Winnetous Bild fertig habe, nehme ich ein neues Papier, spitze den Stift mit meinem Messer neu an und lasse Adain an meinem innerem Auge vorbei gleiten. Das wird wesentlich schwieriger als Silver und Aponi. Es ist einfacher wenn man sein Modell vor Augen hat. Vorallem die Federn sind sehr schwer und zeitaufwendig. Als ich endlich fertig bin, steht die Sonne schon tief. Ich muss zurück, sonst kommt Winnetou tatsächlich noch und sucht mich. Ich bin erstaunt, dass er es diesmal geschafft hat mir nicht zu folgen. Gemächlich packe ich mein Zeug zusammen und rufe Silver zu mir. Brav steht er still während ich auf ihn springe und losreite.

Im Dorf laufen schon die ganzen Vorbereitungen für morgen. Irgendwo muss ich die Bilder verstecken. In Winnetous Zelt würde er sie sofort finden. Patis Familie kann ich ebenso streichen. Wie wäre es mit Naira? Ja, das ist gut. Sie wird schon nichts sagen. Nachdem ich Silver noch etwas gekrault habe und die beiden sich zur Herde zurück gezogen haben, schlängel ich mich durch das Gedränge. Wieso ist Nairas Zelt auch so in der Mitte? Überall stehen Frauen, die Kleidung nähen, Gemüse und Obst schneiden und Fleisch zubereiten. Dazwischen sind Männer die Farbe anrühren und ihre Festkleidung schmücken und ausbessern. Und dort wo noch Platz ist, rennen aufgeregte Kinder rum, die schon begeistert ihre Festkleidung tragen und es gar nicht auf die Geschenke abwarten können. Da ich Winnetous Schwester nirgendwo endecke, gehe ich zu ihrem Zelt. Der Eingang ist weit geöffnet und im Inneren sitzt Naira an einem Oberteil. Um vor neugierigen Blicken verschont zu bleiben, schließe ich den Eingang.
,,Mira, was ist los?", lächelt sie mich an. ,,Nichts ich wollte dich nur um einen Gefallen bitten." Sie schweigt, also rede ich weiter. ,,Wegen dem Fest morgen hab ich für Winnetou und Pati etwas gemalt. Kannst du es bei dir aufbewaren?" ,,Naira möchte es sehen." Ich zeige ihr die Bilder. ,,Das hat Mira gemalt? Mira hat viel Talent. Ich werde sie aufbewaren." ,,Vielen Dank." Ich will aufstehen und wieder gehen. ,,Warte. Naira möchte noch etwas wissen." Ich nicke.
,,Was ist da mit Winnetou?" Ich schlucke. ,,Was soll da sein?", frage ich nervös. ,,Naira ist nicht dumm. Sie was los ist." Sie grinst triumphierend. ,,Naja, er ist nett." ,,Mira." ,,Schon gut. Ja da ist was. Zufrieden?" Ihr Grinsen wird breiter. ,,Ich wusste es. Aber Mira sollte bewusst sein, dass Winnetou und Mira erst vor dem Stamm versprochen werden müssen, bevor..." ,,Danke das reicht. Das ist mir auch bewusst. Und keine Sorge so schnell lasse ich ihn sowieso nicht." Sie nickt beruhigt. ,,Gibt es bei dir Neuigkeiten?" Sie legt ihre Hand auf den Bauch und strahlt mich an. ,,Ich werde ein Kind bekommen." Lächelnd lege ich einen Arm um sie. ,,Das ist wundervoll. Weiß Winnetou es schon?" ,,Nein. Aber ich werde es ihm bald sagen." ,,Er wird sicher stolz sein. Ebenso wie dein Vater." Sie nickt. ,,Ich muss wieder los. Wir sehen uns." Ich nehme meinen Rucksack und gehe wieder raus. Schließlich muss ich ja noch Nairas Geschenk machen. Draußen ist es auf einmal ganz still. Keine Kinder rennen mehr rum, ab und zu wiehert ein Pferd oder bellt ein Hund. Was ist denn jetzt los? Verwundert laufe ich durch das Lager, als lautes Geschreie an mein Ohr dringt. Ganz klar. Das kann nur Konrad sein. Automatisch drehe ich mich nach Osten. Die Sonne ist schon verschwunden und das Rot erstrahlt leuchtend am Horizont. Dann ist es also soweit. Ich lege meinen Rucksack vor Winnetous Zelt ab und näher mich dem Gebrülle. Mit jedem Schritt werden die Worte verständlicher. ,,Ihr dreckigen Rothäute lasst mich los. Fasst mich nicht an. Lasst mich in Ruhe. Ich habe nichts getan." Eine Traube voller Männer stehen um den Pfal, unter ihnen Winnetou. Als ich näher treten will, versperren mir zwei den Weg. ,,Du solltest gehen. Das ist nichts für Mädchen." ,,Lasst mich mit ihm reden, bitte. Ich bin die einzige die ihn versteht." Die beiden schauen sich an und nicken schließlich. Ich bahne mir einen Weg durch die Gruppe bis ich hinter Winnetou stehe. Vor ihm hängt Konrad in den Armen von zwei Männern, ohne die er warscheinlich schwach auf dem Boden liegen würde. Seine Kleidung ist blutig und zerrissen, seine Haare hängen strähnig und ebenfalls blutig vom Kopf. Mit leerem Blick starre ich in Konrads verlogene Augen.
,,Was macht Mira hier? Ihre Augen sollten diese Bilder nicht sehen." ,,Ich kann für mich alleine entscheiden, Winnetou. Ich hab schon schlimmeres durchgemacht." Die Kälte in meiner Stimme lässt ihn leicht zusammen zucken. ,,Was willst du", keucht Konrad und hustet.
,,Weißt du", sage ich und gehe zwei Schritte auf ihn zu. ,,Ich wollte sehen, wie du leidest. Wie du Todesangst hast." Ich gehe noch einen Schritt auf ihn zu und der üble Gestank von Blut und Schweiß beißt sich in meine Nase. ,,Ich will sehen wie du Skalpiert wirst und sich die Apachen deine Kopfhaut als Trophäe ins Gemeinschaftszelt hängen." Er wird, wenn es überhaupt noch geht, noch blasser. ,,Aber...", setzt er an, heraus kommt nur ein krächzen, welches von einem weiteren Hustenanfall unterbrochen wird. Hinter mir ist es komplett still. Man hört nur das Keuchen von dem Engländer. Ein letztes mal hebt er den Kopf und sieht mich finster an. ,,Werd doch glücklich mit deiner Rothaut." ,,Oh, glaub mir. Das werde ich. Und übrigens. Schrei nicht so laut. Das ist schwach. Und es nützt dir sowieso nichts. Du wirst eh sterben." Ich drehe mich um und nicke Winnetou zu. ,,Was hat der weiße Mann gesagt?" ,,Nichts wichtiges. Ich erzähle es dir später." Er nickt ebenfalls und umgreift sein Messer stärker. Dann schneidet er einmal um den Kopf von Konrad und zieht die Haut vom Kopf ab. Es wird mir dann doch zu eklig und ich wende mich ab. Das letzte was ich mitkriege, ist dass er weggebracht wird, um nicht hier getötet zu werden.

Das weiße MädchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt