Vorschläge und Markierungen

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»Was machen wir mit unseren Gefangenen?«, fragte Holzglut Feuerstern und deutete dabei mit der Schwanzspitze auf Todesfeder und Eulenpfote.

Die weiße Kätzin war immer noch ohnmächtig von Aschenhaars Attacke und lag mit verkrümmten Gliedern vor dem WindClan- Schüler. Bewacht wurden die beiden von Rußfeder. Der schwarze Kater zog enge Kreise um die Gefangenen und fauchte, sobald Eulenpfote sich auch nur rührte. Doch der Schüler hatte den Kopf stolz erhoben und blickte dem FeuerClan- Kämpfer herausfordernd entgegen.

»Bringt sie zum Clanlosen. Dem Geschichtenerzähler«, murrte Feuerstern unwillig und winkte Holzglut genervt weg.

Der sandfarbene Kater nickte gehorsam und trat zu Rußfeder heran. Aschenhaar tat ebenfalls einen Schritt vor, um Holzglut beim Tragen von Todesfeder zu helfen, doch dieser fauchte ihn wütend an.

»Lass mich! Sie ist meine Gefährtin, nicht deine! Sie trägt meine Junge!« Der Kämpfer rempelte Aschenhaar grob an und schleppte die weiße Kätzin zu einem Dornenbusch, vor dem Krallenmond Wache stand. Seine gelben Augen funkelten hell im Sonnenlicht und er hatte seine Krallen stets ausgefahren.

Ich weiß, wie sehr du nach Schattenstern verlangst, dachte Aschenhaar und machte Platz für Rußfeder, der Eulenpfote vor sich hertrieb. Ich weiß, wie sehr du sie haben möchtest. Dein Herz verzehrt sich nach ihr. Und du wirst sie bekommen. Ich werde dir helfen. Als hätte der dunkelbraune Kater seine Gedankenbotschaft verstanden, drehte er seinen Kopf zu ihm herum. Seine Augen fixierten ihn für einige Herzschläge, dann ließ er von ihm ab. Du denkst, ich sei ein Verräter. Du denkst, Verräter bleibt Verräter. Doch du weißt nicht, warum ich zu einem geworden bin. Du weißt nicht, was ich durchgemacht habe oder wie sehr mein Leid war.

Schreie ertönten aus dem Dornbusch. Laute Schreie, die das Blut in seinen Ohren rauschen ließ. Markerschütternd, durchdringend. Dann war es still.

Holzglut trat aus dem Busch heraus. An seinen Pfoten klebte Blut, doch seine blauen Augen waren gierig geweitet, als hätte er gerade seinen Blutdurst gelöscht. Bei jedem Schritt hinterließ er einen roten Fleck auf dem grünen Gras des Waldes.

»Was hast du gemacht?«, ertönte auf einmal Sonnenblumes Stimme hinter Aschenhaar. Flüsternd, als wolle sie nicht, dass jemand sie hört und hoffe doch darauf. Er konnte es an der Art hören, wie sie es aussprach.

Misstrauisch kniff er die Augen zusammen. Noch ein Wort und ich muss dich bestrafen. So wie Holzglut Todesfeder bestraft hat.

»Wie konntest du das nur tun? Sie ist deine Gefährtin! Sie erwartet Junge! Sie...« Sonnenblume stockte mitten im Satz.

Aschenhaar hatte sich zu ihr umgedreht und schaute sie an. Sah ihr genau in die Augen. Blaue Augen. Blau wie... Er hielt mitten im Gedankengang inne. Schattenstern hatte blaue Augen!

Ein wütendes Knurren kam aus seiner Kehle und er stürzte sich fauchen auf die wehrlose Kätzin. Seine Krallen fuhren über ihr Fell und bohrten sich in ihr Fleisch. Sonnenblume schrie ihren Schmerz hinaus, doch es fühlte sich richtig an. Alles um ihn herum schien zu verschwimmen. Da war nur noch diese Gier. Er wollte sie schreien hören, diese nichtsnutzige Jägerin!

»Das reicht!« Feuersterns Stimme riss ihn aus seinem Rausch und er ließ von Sonnenblume ab. Die gelbbraune Kätzin lag vor ihm im Gras. Blut strömte aus mehreren Wunden an ihrem Bauch und an ihren Flanken.

»Aschenhaar, sie wird uns noch von Nutzen sein. Sie ist die einzige Kätzin im FeuerClan, die uns noch geblieben ist«, stellte der Anführer klar. »Sie wird uns Junge schenken. Junge von jedem von uns. Doch das wird nicht reichen. Wir brauchen neues Blut. Frisches Blut.« Feuerstern leckte sich mit der Zunge über eine Pfote und legte sie dann übereinander.

»Was wirst du tun?«, fragte Holzglut ihn und sah den gelbbraunen Kater stolz an. Für ihn war er der größte Anführer, den es je gegeben hatte. Doch Aschenhaar wusste es besser. Es gab noch einen: Krallenstern. Den Gründer der vier Clans. Und er wird einen Krieg vorbereiten. Gegen die Untreuen. Gegen jene, die an den SternenClan glauben. Die an die Geisterkatzen glauben, die einfach nur vor ihrem Teich sitzen und beobachten. Die nichts tun, um den Clans zu helfen. Diese engstirnigen Lügner.

»Ich habe Wasserstern einen Vorschlag unterbreitet. Wenn wir ihm seine erstgeborenen Töchter Traumschweif und Seelenpfote ausliefern, schenkt er uns als Dank seine jüngsten Töchter Eispfote und Taupfote.«

Ein Raunen ging durch die versammelten FeuerClan- Katzen. Mittlerweile war allen bekannt, dass Wasserstern seine Tochter Taupfote vor den Kämpfen gerettet hatte. Niemand wusste, wie er das geschafft hatte, ohne dass sein eigener Clan sich gegen ihn erhoben hatte. Es grenzte beinahe an ein Wunder. Und nun warteten alle Katzen gierig darauf, die Wunderkätzin zu sehen.

»Aber Feuerstern, er könnte uns doch genauso gut Traumschweif und Seelenpfote überlassen!«, wandte Krallenmond auf einmal ein.

»Das gehört alles zu unserem Plan«, erklärte Feuerstern. In seinen Augen loderte das Feuer von verrückter Begeisterung. Aschenhaar prickelte das Fell vor Unbehagen, doch er wagte es nicht, den Blick von ihm abzuwenden.

»Euch allen ist bekannt, dass der WasserClan der Clan ist, der am nächsten an diesen verwahrlosten Clanlosen lebt.« Als die vier Kater nickten fuhr er fort: »Wasserstern hatte vor langer Zeit ein Abkommen mit den Katzen im Zweibeinerort geschlossen. Er ließ seine drei Erstgeborenen sofort nach der Geburt markieren. Eine von den Töchtern entsprach nicht den Gesetzen der Winde, deshalb wurde sie getötet. Doch die anderen beiden...«

»Traumschweif und Seelenpfote«, setzte Rußfeder den Gedankengang seines Anführers fort. »Sie sind markiert, oder? Kann man mit ihnen einen Abkommen mit den Katzen vom Zweibeinerort schließen?«

»So leicht ist das nicht«, entgegnete Feuerstern ruhig. »Der Anführer der Zweibeinerort- Katzen und sein Stellvertreter haben besonderen Gefallen an den beiden gefunden, ja. Aber sie verlangen sie als Gefährtinnen. Wenn sie Traumschweif und Seelenpfote bekommen, werden sie alle markierten Katzen unversehrt durch ihr Territorium ziehen lassen. Alle anderen werden sofort getötet.« Der gelbbraune Kater sah seine Clan- Gefährten auffordernd an. »Wenn wir uns diesem Kampf anschließen wollen, müssen wir uns markieren lassen. Die WasserClan- Katzen werden sowieso direkt nach der Geburt markiert. Die Kätzinnen jedenfalls. Die Kater haben es vor drei Sonnenaufgängen ihnen nachgetan. Der ErdClan hat schon zugestimmt. Der LuftClan muss sich zuerst um seine eigenen Angelegenheiten kümmern, nachdem Luftstern verstorben ist. Doch wir, meine Clan- Gefährten werden ebenfalls an diesem Triumph teilhaben.«

Er erhob sich und deutete auf Aschenhaar, der unwillkürlich zusammenzuckte, und Holzglut, der mit freudiger Erregung seinen Anführer ansah.

»Ihr beide lasst euch jetzt sofort bei Wasserstern markieren«, befahl er. »Dann verfolgt ihr Schattenstern und ihre Verräter und schlagt ihnen folgendes vor: Traumschweif und Seelenpfote gegen Todesfeder und den LuftClan- Schüler. Sie haben Zeit zum Überlegen bis zum nächsten Sonnenhoch. Sollten sie sich dagegen entscheiden...« Der gelbbraune Kater fuhr seine Krallen aus und seine Augen funkelten voller Irrsinn. »Sollte Schattenstern sich weigern, diesem Vorschlag nachzukommen, wird der Geschichtenerzähler seine Zunge verlieren, Eulenpfote sofort getötet und Todesfeder ihre Jungen früher als angenommen bekommen. Danach sehen wir weiter...«

Warrior Cats - Dunkle SterneWhere stories live. Discover now