Chapter Eleven - 4th November 2016

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„Komm schon, Milah. Geh nach Hause. Du hast heute schon genug getan", meine Chefin Ruth lehnte am Waschbecken und strich sich mit dem Handrücken eine angegraute Haarsträhne aus dem Gesicht. „Jaja", ich griff nach einem weiteren Teller und fuhr mit dem Handtuch darüber. „Gleich."

Sie schüttelte den Kopf und warf mir einen verschmitzten Blick zu. „Musst du nicht eigentlich mit deinen Freundinnen feiern gehen? Immerhin wird man nicht jeden Tag Neunzehn." Ich zuckte mit den Schultern und rollte mit den Augen. „Jojo hat irgendwas geplant. Ich glaube aber nicht, dass ich herausfinden muss was." Sie hatte so geheimnisvoll gegrinst, dass ich allein bei dem Gedanken daran eine Gänsehaut bekam. Selbst Belle lächelte verschmitzt, wenn sie zusammen tuschelten.

Ruth lachte schnaubend und schubste mich mit der Hüfte an. Ich schüttelte wieder mit dem Kopf und fischte mein Handy aus der Hosentasche, dann runzelte ich die Stirn. Immer noch keine Nachricht. Was treibt er nur? Er würde doch meinen Geburtstag nicht vergessen. Das wäre-

„Hat er dir immer noch nicht geschrieben?" Ich zuckte zusammen und versteckte meine Hand hinterm Rücken. „Wer?", gab ich mich ahnungslos. Ruth schüttelte den Kopf und musterte mein Gesicht, mit einem eigenartigen Funkeln in den Augen. Sie stemmte die Hände in die Hüften. „Na, dein Romeo."

Mein Romeo?", entgeistert riss ich die Augen auf. Harry und mein Romeo? Wie...abwegig. Ich würde ihn niemals mit jemanden wie Romeo vergleichen. Einen tragischen Literaturhelden, der sich aus Liebeskummer das Leben nahm? Nicht wirklich. Das Bild, wie er breit grinsend in die Kamera schaute, tauchte vor meinem inneren Auge auf.
Und diese Grübchen...

„Er ist nicht mein Romeo. Wir sind nur Freunde", beeilte ich mich zu erklären. Das war das zweiunddreißigste Mal, dass ich das jetzt erklären musste. Und trotzdem lachte die kleine Stimme in meinem Kopf jedes einzige Mal laut auf, wenn ich es aussprach. Was totaler Schwachsinn war, denn immerhin war er ja fast so etwas wie ein Internet-Freund...oder so.

„Jaja. Das habe ich bei Tony und mir auch gesagt. Und jetzt sieh nur, wo wir jetzt sind. Glücklich verheiratet, drei wundervolle Kinder und jeden Abend im Schlafzimmer-"

„Halt! Das will ich nun wirklich nicht wissen", unterbrach ich schnell und sie lachte laut auf. Ich kam nicht umhin hoffnungsvoll aufzuschauen, als die Tür zur Küche aufgerissen wurde und ihr Mann auftauchte. Als Rettung vor Ruths Bettgeschichten nahm ich so gut wie alles in Kauf. „Störe ich, mia bella?" Er strich sich über den Bierbauch und schaute zwischen uns hin und her.

„Ganz und gar nicht", antwortete ich schnell und hörte Ruth wieder dröhnend lachen. Tony sah ein bisschen überfordert aus, dabei war er doch mit dieser Frau verheiratet. Ich tänzelte auf ihn zu und hakte mich bei ihm ein. „Wie kann ich Ihnen helfen, Tony?" Überfordert blinzelte er ein paar Mal, dann nickte er, als ob er sich plötzlich wieder an sein Anliegen erinnern konnte.

„Da ist ein Mann für dich draußen, Milah-bella!", er zeigte über seine Schulter zur Theke. Ich sah wie Ruths Augen schon wieder glänzten –manchmal war sie sogar schlimmer als Mom. Wieso wollten mich eigentlich alle immer und überall verkuppeln?

Mit einem raschen„Okay" wirbelte ich herum und eilte zur Tür. Ich zog meinen Gürtel zurecht und schaute, ob das Portemonnaie noch an meiner Hüfte hing. Die riesengroße Uhr an der Wand zeigte kurz nach Elf, das Restaurant hatte eigentlich seit gut dreizehn Minuten geschlossen.

„Tut mir Leid, aber wir haben schon ge- Harry?", ich blieb ruckartig stehen und blinzelte ein paar Mal. Er ließ den Bierdeckel, den er in seiner Hand gedreht hatte, sinken und schaute auf. Seine Mundwinkel zogen sich langsam nach oben und er grinste mich breit an.

Ich glaube, ich vergaß zu Atmen.

„Milah!" Ich konnte ihn nur sprachlos anstarren, als er mit selbstbewussten, leichten Schritten um den Tresen herumging. Mit den kurzen Haaren sah er etwas ungewohnt aus, trotzdem war der Ausdruck in seinem Gesicht seltsam vertraut. Dabei hatten wir uns das letzte Mal vor fast einem Jahr gesehen und da war ich stockbesoffen gewesen.

Remember Me - h.s [beendet]Where stories live. Discover now