Szene Sechs

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Szene Sechs (Jax)

Als sie an einer roten Ampel hielt, hielt ich neben ihr und klopfte gegen die Fensterscheibe. Wie konnte sie mich nicht wahrnehmen?

Sie blickte erschrocken zum Fenster und ließ das Fenster runterfahren.

"Hab ich was vergessen?", fragte sie mich.

"Hast du alles?", stellte ich die Gegenfrage. "Alle wichtigen Papiere?"

Sie nickte nur und blickte wieder zur Ampel. Ich ebenfalls. Sie war immer noch rot.

"Weißt du schon, wo du hin willst?", fragte ich sie.

Sie zuckte mit den Schultern. "Ich hab eine Freundin in Nordkalifornien. Ich hoffe, dass sie noch da lebt, oder überhaupt noch lebt. Sie ist ein ziemliches Nervenbündel. Vielleicht geht es für mich da hin. Vielleicht auch nicht. Ich weiß es noch nicht."

"Nordkalifornien? Wo genau da?", wollte ich wissen. Und wieso? Na, ich wohne doch auch oben in Nordkalifornien. Vielleicht war es doch nicht der letzte Tag, an dem ich sie sehen werde. Wieso dachte ich das jetzt?

"Keine Ahnung, hab die Adresse nicht mehr. Ich weiß es auch nicht, wo ich hin will. Meinte ja nur vielleicht. Kann auch sein, dass es mich nach Nevada zieht, oder ganz aus Amerika."

"Eigentlich kannst du ja überall hin."

"Ja."

Hinter uns war es wie wild am hupen und einige Autofahrer beschwerten sich. Vor Schreck drückte Katherine aufs Gas und bretterte einfach über die Kreuzung. Ich fuhr ihr sofort hinter her. Wir waren einige Meter aus Harmony gefahren, als Katherine auf einmal eine Vollbremsung hinlegte. Ich wäre ihr fast hinten reingefahren, und musste ausweichen. Wegen diesem bescheuerten Bremsmänover hätte ich mich fast auf die Fresse gelegt. Ich kam zum Glück auf der leeren Gegenseite stehen und blickte zu Katherine. Meine Maschine stellte ich ab und ging zu Kat, die immer noch auf der Straße stand. Zum Glück fuhren hier weiter keine Autos entlang. Das Fenster war immer noch offen und ich blickte sie an.

"Entschuldige? Bist du behindert?", fragte ich sie nett.

"Das kommt mir bekannt vor", sagte sie nur und zeigt auf das Gebäude mit dem riesigen Hof.

"Das ist eine Autowerkstatt, in deiner Heimat. Liegt vielleicht daran, dass du hier öfters vorbeigefahren bist?"

"Ich hab das auf einem Foto von Chris gesehen. Da war er mit Brands drauf. Die Werkstatt gehört Brands, man!"

Sie schlug aufs Lenkrad und blickte zu mir, als hätte sie gerade die größte Entdeckung ihres Lebens gemacht.

"Wir fahren zur leeren Tanke da drüben, bevor du hier noch weiter auf der Straße stehst und Aufmerksamkeit auf dich ziehst", sagte ich und ging zurück zu meiner Maschine.

"Wie kommen wir denn da rein?", fragte Kat mich.

"Hm?", sagte ich verwirrt und blickte wieder zu ihr.

"Wie gehen wir vor? Glaubst du, euer Transporter mit eurem Mist und die Kohle ist da drinnen?", fragte Kat.

Ich verschränkte die Arme vor der Brust und blickte sie irritiert an. Sie kam mir gerade vor, wie ein kleiner Helfer von einem Superhelden. Aufgedreht und hibbelig. Ich lehnte mich zu ihr nach vorne.

"Glaubst du, dass er das da drinnen versteckt?"

"Die Werkstatt ist nur noch für den privaten Gebrauch. Ich war da auch schon öfters. Leider. Ich hab auch mitbekommen, dass er sich von seiner Frau getrennt hat und jetzt dort lebt."

Mr. Vize [SOA] | ⏸. Where stories live. Discover now