Szene Neunzehn

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Szene Neunzehn (Jax)

"Katherine?", rief ich und klopfte gegen die Tür, während ich nervös vor ihrer Zimmertür stand. Es war neun Uhr morgens und normalerweise holte ich sie wie jeden Mittwoch zum Frühstück ab. Aber dieses Mal war sie nicht da. "Hä?", ich kratzte mich an der Stirn und zog mein Handy aus der Hosentasche. Erreichen konnte ich sie auch nicht. Vermutlich hatte sie mich vergessen und war unterwegs.
Nachdem ich ein paar Minuten später am Clubhaus ankam, staunte ich nicht schlecht, als ich Katherine dort sah. Sie war sich gerade mit Chibs am Unterhalten und hatte irgendwelche Papiere in der Hand.
"Mom?", fragte ich, als meine Mutter an mir vorbei ging.
"Ja?", fragte sie und blieb stehen.
"Was genau macht Katherine da?"
"Arbeiten", sagte Mom belustigt. "Sie kommt ganz gut klar."
"Seit wann denn?"
"Jax. Sie hätte auch bei Luann arbeiten können. Also hab ich sie eingestellt. Sie packt das super. Dann habe ich mehr Zeit für meinen Enkel und dich."
"Puh, okay. Wenigstens hat sie jetzt einen Job und verdient sich Geld", dann hielt ich inne. "Kannst du sie ablösen, Mom?"
"Hat sie dir einen Hilferuf gesendet?"
"Nein", sagte ich. "Ich wollte mit ihr ins Krankenhaus. Zu Abel. Er soll die Tage operiert werden. Die Chancen sind von 12 Prozent auf 20 gestiegen. Man kann operieren."
"Schön, dass ich das auch erfahre."
"Hast du doch gerade. Wir sind in einer Stunde wieder da. Dann hast du Kat wieder."
Mom dachte nach. "Okay. Bring sie mir später wieder. Sie hat mir noch versprochen, bei Wendy zu putzen."
"Alleine?"
"Mit mir."
"Ok."
"Clay denkt, dass sie sich bei mir einschleimt."
"Wieso sollte sie das?"
"Damit sie an dich ran kommt."
"Dazu muss sie sich nicht bei dir einschleimen", lachte ich leise.
"Eben. Okay, in einer Stunde hab ich Katherine wieder. Keine Sekunde länger."
"Danke, Mom", sagte ich und lief in Richtung Werkstatt. Katherine war gerade im Büro verschwunden, als ich hinter her sprintete.
"Morgen!", rief Kat, als ich gegen den Türrahmen lief.
"Au", brummte ich und rieb mir die Schulter. "Morgen. Wieso hast du mir nicht gesagt, dass du hier arbeitest?"
"Kam ganz spontan von Gemma", antwortete Katherine. "Hab total vergessen dir zu schreiben, dass das Frühstück ausfällt. Sorry."
"Schon okay", nickte ich. "Gemma hat nichts dagegen, wenn du mit mir zu Abel fährst."
"Jetzt?"
"Ja, Hauptsache ich bringe dich lebendig zurück, damit du ihr weiter helfen kannst."
"Ja, sonst bringt mich Gemma noch mal um, wenn du mich hier tot ablieferst."
"Stimmt auch wieder. Dann komm. Gemma macht hier weiter."
"Alles klar", nickte Katherine und stand vom Stuhl auf. "Mein Hintern freut sich schon auf den unbequemen Rücksitz deiner Maschine."
Ich blickte Katherine an. "Was? So ungemütlich ist der nicht."
"Sitzt du vorne oder hinten beim Fahren?", fragte sie mich belustigt.
"Vorne. Ich lasse nicht alle Leute auf meinem Rücksitz Platz nehmen", sagte ich und zwinkerte Katherine zu. "Na dann komm, Kleines." Für das Wort "Kleines", bekam ich einen Klapps auf dem Hinterkopf. "Au, dass tat ja gar nicht weh."
Fünfzehn Minuten später, hielt ich auf dem Parkplatz des Krankenhauses. Normaler Weise steckte ich mir jetzt eine Kippe an, aber irgendwie konnte ich das gerade doch nicht haben.
"Alles gut?", fragte Kat mich, als wir auf dem Weg zur Intensivstation waren.
"Ich, ich werde das erste Mal meinen Sohn sehen. Irgendwie schon", nickte ich. Katherine schnappte danach nach meiner Hand. Ich verschränkte die Finger in ihren und lächelte ihr zu.
"Dann komm, Dad. Schauen wir mal nach deinem Nachfolger."
Nachdem die Krankenschwester uns beide eine grüne Kutte und Mundschutz gab, durften wir das Zimmer betreten. Mir schossen sofort Tränen in die Augen, als ich das kleine Baby in diesem Brutkasten liegen sah. An sämtlichen Geräten angeschlossen, mit offenen Magen und einer kleinen Wollmütze auf dem Kopf. Ich staunte nicht schlecht, als ich die Babyblaue Mütze sah. Da war tatsächlich unser Emblem drauf gestickt. Das kleine Wesen, war nicht gerade das größte Kind. Und ich war mir nicht sicher, ob Abel das alles überleben wird. Die Überlebenschancen sind zwar gestiegen, aber könnten wieder sinken, sobald es zur Operation kommt. Ich legte meinen Kopf schräg und schaute in Abels kleines Gesicht.
"Schau dir nur diese kleine Nase an", sagte ich. Von Katherine kam nichts. Irritiert drehte ich mich um und musste feststellen, dass sie nicht mehr im Raum war. "Katherine?", fragte ich und drehte mich wieder zum Brutkasten. "Du schaffst das, Abel. Ich liebe dich", murmelte ich und haute leicht auf den Brutkasten, ehe ich ebenfalls das Zimmer verließ. Ich riss den Mundschutz und die Kutte von mir und schmiss diese in den Müll.
"Uhm, haben Sie meine Begleiterin gesehen?", fragte ich die Krankenschwester, die Katherine und mich vorher eingewiesen hatte.
"Uhm, sie kam mir gerade entgegen gelaufen. Sie sah nicht gut aus. Vermutlich ist sie aufs Klo gerannt."
"Ok, danke", sagte ich und eilte in Richtung Toiletten. Vor der Tür der Damentoilette blieb ich stehen und hielt inne. Ich kann da jetzt nicht einfach reinplatzen. Wer weiß, ob ich da jemals lebend rauskommen würde, wenn irgendeine Oma meinen müsste, mich mit ihrer Handtasche oder Gehstock zu vermöbeln.
Also wartete ich vor der Tür, bis Katherine endlich raus kam.
"Alles in Ordnung?", fragte ich sie, während sie mich erschrocken anblickte.
"Wieso bist du nicht bei Abel?", stellte sie die Gegenfrage.
"Du warst einfach weg. Hab mir nur sorgen gemacht. Hast du geweint?"
Katherine nickte. "Ja, das nimmt einen doch schon mit."
"Ach man", sagte ich und zog sie in eine Umarmung. "Wir fahren doch eh gleich. Ich will nur mal kurz Wendy besuchen."
"Ich warte draußen", sagte Kat und drückte sich von mir weg.
"Hey, ich beeile mich", ich drückte ihr einen Kuss auf die Stirn und ließ Katherine stehen, als ich mich auf dem Weg in Wendy's Zimmer machte.
"Was gibt sie von sich?", wurde ich von Katherine gefragt, als ich sie bei meiner Harley fand.
"Das übliche. Das ihr es leid tut und sie sich ändern will, damit sie für Abel da sein kann. Hab ihr dann klar gemacht, dass Abel zu mir kommt. Außerdem will das Jugendamt bei uns vorbei schauen. Sie hat irgendwo noch ne Spritze und Crank."
"Und jetzt darfst du das Zeug entsorgen?"
"Ja, wie immer", seufzte ich und setzte mich auf mein Bike.
"Dann helfe ich dir", sagte Katherine und setzte sich hinter mich. Sie schlang ihre Arme um meinem Bauch und ich konnte den Motor starten.
"Boah, dann räume ich schon ein wenig auf, während du das Zeug suchst", hörte ich Katherine sagen, als wir in meinem Haus waren. Während ich in einer Schublade nach dem Zeug suchte, schaute Katherine sich nachdenklich um. Sie hatte keine Ahnung, wo sie anfangen sollte, da hier viel zu viel Müll herum lag.
"Hm", seufzte sie. "Es sieht so aus, als hätte Putin hier Atomtests durchgeführt."
"Besser hätte ich das nicht ausdrücken können", schmunzelte ich und ging mit den Tütchen voller Crank zum Klo. Dort schmiss ich diese rein und spülte die in der Kanalisation weg. Die eine Spritze und die Knarre, die ich dort ebenfalls gefunden hatte, steckte ich in Katherine's Handtasche.
"Du willst echt schon anfangen zu putzen?", fragte ich Kat, als sie mit einer Mülltüte durchs Haus lief. Sie hatte sich vorher zwei Paar Handschuhe übergezogen und huschte in einem der drei Schlafzimmer.
"Was soll das hier sein!", hörte ich Kat rufen. Ich ging hinter her und blieb hinter ihr stehen. Mehr oder weniger war mit Wandfarbe auf der weißen Wand Teddybären gemalt. Ganz lieblos lag eine Matratze auf den Boden, Windeln lagen auf dem Boden und ich merkte, dass Katherine lieber an die Decke gegangen wäre, aber sie blieb ruhig.
"Wenn das das Zimmer für Abel sein soll, fackel ich das hier alles ab."
Ich musste mir ein Lachen verkneifen.
"Nee, so geht das nicht. Ich fahre nachher zum Baumarkt, wenn die Hütte wieder glänzt und dann bekommt Abel ein Zimmer, welches er verdient. Deine Ex-Frau verdient wirklich den Orden, für die widerlichste Crack-Schlampe." Kat seufzte. "Ich räume schon mal ein bisschen auf. Wir haben eh noch eine halbe Stunde..."
"Nee, wir müssen in fünfzehn Minuten da sein. Mach das lieber später mit Gemma, okay?", sagte ich und nahm ihr die Tüte aus der Hand, die ich auf dem Boden schmiss.
"Ja, gut", nickte sie und zog die Handschuhe aus, die sie auf die Tüte schmiss.

"Wie geht es Abel?", fragte Mom, als wir das Büro der Werkstatt betraten.
"Hat sich nichts geändert", antwortete ich.
"Tat schon ziemlich weh, den Kleinen zu sehen, was?"
"Ja, ist ja schließlich mein Sohn."
"Was ist mit Wendy?"
"Die steckt im Entzug und lobt zur Besserung", sagte ich ironisch und verdrehte die Augen.
"Trotzdem wird sie Abel nicht bekommen. Er wird bei seinem Vater aufwachsen."
"Ist auch richtig so", stimmte Katherine zu und setzte sich an dem Schreibtisch zurück. Nachdem sie in ihrer Handtasche gewühlt hatte, hielt sie die Spitze und die Waffe hoch. "Wieso?", fragte sie mich.
"Sorry, hatte keinen Platz mehr in meiner Tasche", antwortete ich und nahm ihr die Sachen ab.
"Okay", Kat kratzte sich an der Nase. "Was muss ich denn noch machen, Gem?"
"Zeig ich dir, Moment. Jax, Clay verlangt nach dir."
"Okay, dann bis nachher."
"Ja", sagte Katherine. "Bis nachher."

Mr. Vize [SOA] | ⏸. Where stories live. Discover now