3. Kapitel

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Mit einem leisen Keuchen fuhr sie aus ihrer Ohnmacht hoch. Ihr Herz, dass nun wieder fest in ihrer Brust verankert saß, dachte anscheinend, Keira würde einen Marathon laufen. Ihr Atem war ebenfalls beschleunigt und sie sah ängstlich an sich herunter.
Kein Blut.

Erleichtert atmete sie auf und versuchte ihren Fuß unter dem Nachttisch hervorzuziehen. Schließlich gelang es ihr auch und sie sah mürrisch auf ihren Knöchel, der ein einziges gelbes Kunstwerk war. Spätestens in ein paar Stunden würde das wieder verblasst sein. Zum Glück. Sie wollte niemandem erklären müssen, dass sie sich den Knöchel verstaucht hatte, weil ein Nachttisch darauf gefallen war.

Wie lang war sie ohnmächtig gewesen? Es kam ihr nicht wirklich lang vor, aber als sie auf den Digitalwecker sah, bemerkte sie irritiert, dass fast eineinhalb Stunden vergangen waren. War das nicht immer andersherum? Das einem so etwas sehr lang vorkam, in Wahrheit aber nur einige Minuten vergangen waren? Immer noch total verwirrt stellte sie den Nachttisch wieder auf und lief zu ihrem Schreibtisch. Schon beim Laufen merkte sie, wie der Schmerz nachließ.

Sie sah von ihren aufgeschlagenen Büchern und Heften zur Uhr. Wissend, dass sie sich nun eh nichts mehr merken können, setzte sie sich seufzend hin und blätterte in ihren Notizen. Vielleicht würde sie ja doch nicht ganz versagen, wenn sie sich wenigstens einige Punkte einprägen konnte. Aber egal wie oft sie las: Es war als würde man Wörter in einer anderen Sprache lesen. Man sah, dass dort welche standen, doch die Bedeutung verstand man nicht.

Sonnenlicht kitzelte sie im Gesicht und sie rekelte sich verschlafen. Als das Mädchen die Augen schließlich öffnete, bemerkte sie, dass sie auf ihren Notizen eingeschlafen war. Seltsam.

Dann fiel Keira allerdings ein, dass sie noch bis spät in die Nacht gelernt hatte. Nun konnte Keira sich an keinen einzigen Stichpunkt mehr erinnern, ja selbst das Thema war ihr entfallen. Diese Wirkung hatte Schlaf schon immer auf sie. Vielleicht einer der Gründe, warum sie höchstens mal eine drei schrieb. Selbst wenn sie Stunden lernte oder bereits eine Woche vorher anfing, sobald sie einschlief konnte sie eine gute Note vergessen.

Als ihre Eltern noch am Leben waren, hatte sie sich immer auf ihr Glück verlassen. Sie konnte es schlecht leugnen: Keira hatte übermäßig viel Glück gehabt. Wenn sie bei einem Ankreuztest keine Ahnung hatte und einfach nur irgendwas ankreuzte, konnte sie sich im Nachhinein sicher sein, dass sie mindestens ein Dreiviertel der Aufgaben richtig hatte. Das war allerdings vor ihrer Bekanntschaft mit den Tod ihrer Eltern gewesen. Ihr Glück schien Keira mit ihren Eltern verlassen haben.

Noch immer verschlafen richtete sie sich auf und sah sich in dem lichtdurchfluteten Raum um. Komisch, die Sonne stand bereits sehr hoch. Sie achtete nicht weiter darauf und tapste ins Bad.

Als sie in den Spiegel sah, schreckte sie zurück. Tiefe Augenringe zeichneten sich in ihrem Gesicht ab und ihre Haare sahen aus, als hätte eine Krähe darin genistet. Der Abdruck eines ihrer Bücher zeichnete sich deutlich auf ihrer Stirn ab und irgendwo hatte sie sich einen Kratzer auf der Wange geholt. Sie stöhnte. Schnell putzte sie sich die Zähne, während sie noch gleichzeitig ihr Gesicht wusch und versuchte ihre Haare irgendwie wieder ordentlich zu bekommen. Als sie die Krümel ihres Radiergummi herauszog, gab sie auf.
In Rekordzeit zog sie sich noch um und ging mit einem triumphierenden Grinsen in ihr Zimmer. Sie fühlte sich ausgeruht und war schneller gewesen, als an jedem anderen Morgen bisher. Als sie jedoch auf ihren Wecker sah, erlosch dieses Grinsen und machte einen entsetzten Gesichtsausdruck Raum. Ihre hellen grauen Augen weiteten sich, sie stierten die Ziffern an, wie um herauszufinden, ob das wirklich war.
11:55 Uhr.

„Nein, nein, nein, nein, nein!", schrie sie panisch. Wie hatte sie solang schlafen können? Warum kam Ava nicht wenigstens heute mal auf die Idee sie zu wecken? Und warum verdammt hatte sie nicht daran gedacht ihren Wecker wieder zu stellen?!

Vom Schmerz der UnverwundbarenHikayelerin yaşadığı yer. Şimdi keşfedin