Augenschlag

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Ich schlage meine Augen auf und bemerke die vielen Menschen, die um mich herum stehen. Sie schauen mich von allen Seiten an, egal in welche Richtung ich mich drehe, werden ihre Augen auf mich gelenkt. Ich betrachte ihre Gesichter, wandere mit meinem Blick von den wild abstehenden Haaren über die weit aufgerissenen Augen zu den offen stehendem Mund. Wieso sehen sie mich so geschockt an?
Ich versuche meine Haare zu bändigen, ein leichtes Lächeln aufzusetzen und mich möglichst unauffällig zu verhalten. Ein paar Schritte weitergehend atme ich tief ein und schließe meine Augen. Die Schwärze umhüllt mich und für einen Augenblick fühle ich mich sicher. Doch sobald ich sie wieder öffne, starren mich die Menschen weiter an.
Mit schnellen Schritten versuche ich der Masse zu entkommen, doch sie verfolgt mich wohin ich auch gehe. Ich schreie und mein Echo hallt durch den Ort. Fassungslos schauen mich die Menschen an. Sie sehen noch schlimmer aus als zuvor. Dunkle Ringe unter den Augen und ein verzweifelter Ausdruck werden sichtbar. Ich lasse mich an einer Wand nach unten gleiten und stütze meine Hände am Kopf ab. Erneut fallen meine Lider nach unten und ich versuche mich zu beruhigen. Doch als ich sie wieder öffne, sehe ich immer noch die vielen Menschen, die nun ebenfalls auf dem Boden hocken und mich verwirrt anschauen. Erst jetzt fällt mir auf, dass die Menschenmasse nur aus Frauen besteht. Plötzlich kommt zu jeder Frau ein Mann dazu, der synchron zu den anderen ihr auf hilft, einen Arm um sie legt und auf sie einredet. Die Frauen beginnen erleichtert aufzuatmen und ihre Mundwinkel leicht nach oben zu schieben.
Ich schließe meine Augen und bewege mich ein paar Schritte. Blinzelnd stelle ich fest, dass ich mich auf einmal auf einem Jahrmarkt neben meinem Freund befinde. Seinen Arm hat er um mich gelegt, wie die vielen Männer der Menschenmasse gerade eben. Aber die Menschen scheinen nicht mehr da zu sein. Wo sind sie denn alle plötzlich hin? Fragend blicke ich in das makellose Gesicht meiner besseren Hälfte, die schon immer für mich da gewesen war, wenn ich es nicht sein konnte. Die mich auch gerade aus der Menschenmasse gerettet hat. Doch ich brauche ihn nicht danach zu fragen, denn einen Augenschlag später wird mir bewusst, wo ich mich gerade aufgehalten hatte. In einem Spiegellabyrinth.

GedankenmalereiWhere stories live. Discover now