Zusatzkapitel 2*Schmetterling

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Heute war ich beim Autogenen Training (für Leute die das nicht kennen: es geht dabei darum, mithilfe der eigenen Gedanken eine gewisse Form der Entspannung zu erreichen.) Dabei haben wir als Einstieg eine Gedankenreise gemacht. Es hat mich dabei stärker als jemals zuvor fasziniert, weil ich so entspannt und gleichzeitig in andere Gedanken versunken war.

Davon nun aber genug. Ich möchte euch erzählen, was uns erzählt wurde und was ich dabei vor meinem inneren Auge gesehen habe und welche Gedanken mir in den Kopf kamen.
***
Wir sollten uns vorstellen, wie wir durch einen Wald gehen, es ist dort ganz ruhig. Ich gehe vorbei an Fichten, an Buchen, an Lerchen. Ich gehe durch Büsche und über schmale Waldpfade. Und da war das Erste was mich fasziniert hat. Während ich nun vorher den Wald aus meinen Augen gesehen habe, sah ich mich nun von außen. Ich sah eigentlich nur eine Gestalt... ob ich das bin? im Nachhinein betrachtet, hätte es jeder sein können, aber in dem Moment wusste ich, dass ich es bin. Ich gehe also durch das dichte Geäst von Büschen, die über den schmalen Trampelpfad, mitten im Wald, ragen. Und ich bleibe hängen. Mit dem Ärmel meines Oberteils hänge ich an einem Ast fest, obwohl ich eigentlich schon fast durch war. Ich ziehe daran und komme erst durch den dritten Versuch frei. Von da an, sehe ich alles wieder durch meine eigenen Augen.

Vielleicht ist genau das einer der entscheidenden Punkte. Ich bin vorher normal durch den Wald des Lebens gewandert und als ich an dem Punkt war, wo die Äste so dicht  dass ich nicht ohne hängen zu bleiben hindurch gehen konnte, habe ich den Betrachterstandpunkt gewechselt. In der Gedankenreise befand ich mich dadurch in einer sehr neutralen Position und konnte klar erkennen, was das Problem ist. Im echten Leben, habe ich meinen Körper nicht verlassen, auch nicht gedanklich. Ich bin lieber auf dem Weg weiter gelaufen, obwohl ich vielleicht hätte vorher bereits feststellen können, dass ich hängen bleiben werde. Stattdessen habe ich mich festgebissen und dann versucht mich selbst mit Gewalt zu entreißen.

Als der Moment gekommen war, in dem ich gesehen habe, wie diese Gestalt, die zuvor am Ast festhing, sich davon losreißt, habe ich beinahe Erleichterung empfunden und schon, war ich wieder ich selbst, habe es nicht länger von außen betrachtet.
Ich habe mir dabei eingeredet, dass es im wahren Leben auch so einfach ist. Dass man sich dazu entschließt, etwas zu ändern, sich von der eigenen Einstellung loszureißen und dann neuen Mutes und voller Energie weiter auf dem Weg des Lebens zu gehen. Aber so ist es nicht. Wenn wir einen neuen Weg gehen wollen, wenn wir etwas ändern wollen, dann braucht das sehr viel Energie und man wird am Anfang nur sehr langsam von der Stelle kommen. Aber es lohnt sich, davon bin ich fest überzeugt.

Weiter ging die Reise damit, dass ich auf eine Lichtung komme. Ich lege mich auf das weiche Gras in die Sonne und genieße die Wärme auf meinem Körper. Eine graue, hässliche Raupe liegt neben mir im Gras. Sie bewegt langsam ihren pelzigen Körper um vorwärts zu kommen. Dann hält sie inne und aus ihrem Körper beginnen Flügel zu wachsen.
In meiner Vorstellung hat die Raupe innerhalb von Sekunden wunderschöne strahlend bunte Schmetterlingsflügel. Und dann sagt die Leiterin der Gedankenreise, dass die Flügel der Raupe in ganz zarten blassen Farben schwach in der Sonne glänzen, fast durchsichtig schimmern.

Da ist mir klar geworden, dass ich zu schnell zu viel erwarte. Ich will, dass aus der hässlichen grauen Raupe ein hübscher und starker Schmetterling in kürzester Zeit wird. Aber das kann nicht gehen. Selbst wenn die Raupe eines Tages beginnt sich zu verwandeln, so tut sie es erstens sehr langsam und zweitens wird sie im ersten Moment nach der Verwandlung noch schwach sein und ihre Schönheit wird noch nicht ausgereift sein. Genauso ist es mit dem Menschen. Wir können, nicht erwarten, dass ein Mensch sofort perfekt wird, sobald er sich beginnt in eine positive Richtung zu verändern.

Der Körper des Schmetterlings ist wie aus Glas so wunderschön und strahlend in der Sonne. Aber was wenn die Sonne mal nicht scheint, verliert dann nicht auch das schönste Glas einen Teil seines Glanzes? Und vorallem, muss man auf diesen Schmetterling aus Glas nicht besonders gut aufpassen, denn genauso schön und perfekt wie er ist, so schnell kann er auch kaputt gehen. Wer weiß, vielleichr bleibt am Ende doch nur die graue Raupe übrig wenn der Schmetterling zerbrechen sollte. Sind wir aber achtsam, dann geschieht dem Schmetterling nichts schlimmes und wir können ihn so lang wie wir den Schutz aufrecht erhalten bestauenen und uns an ihm eerfreuen.

Das Schmetterling beginnt sich langsam zu erheben und schwingt mit unsicheren Flügelschlägen in die Luft. In kleinen Kreisen schraubt er sich vorsichtig nach oben. Gedanklich war ich bereits weiter gewesen, ich hatte schon bei den ersten Worten das Bild vor Augen, des Schmetterlings, der sich kraftvoll in die Luft hebt und rasant, aber anmutig empor steigt. Wieder habe ich zuviel vorausgesetzt, zuviel erwartet. Und vielleicht genau deshalb wird es so ein langer Weg sein, bis die Gestalt sich vom Ast losreißt, bis sich aus der Raupe ein starker Schmetterling entwickelt hat.

Die Erwartungen, die wir an uns und unser Leben haben sind oftmals hoch, oftmals schwer zu erreichen und dennoch fällt es so verdammt schwer, sie runter zu schrauben. Man hat den Willen, etwas zu ändern, aber es fehlt die Kraft unf vor allem die Geduld. Geduld, etwas was man für so vieles benötigt und doch nicht aufbringen kann. Es ist und bleibt schwer, ob nun das bewahren, oder das erschaffen des Schmetterlings aber wenn sich die ganze Mühe am Ende lohnt, wenn  die Tränen nicht umsonst waren, dann wird es umso schöner sein, in der Sonne auf der Lichtung zu liegen und ihre Strahlen über die Haut tanzen zu spüren. 

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Das Schreiben dieses Textes hat mir sehr am Herzen gelegen. Wenn ihr also bis ganz unten durchgehalten habt, dann erstmal ein großes Dankeschön und schreibt mir gerne in die Kommentare, wie eure Interpretationen des Ganzen aussehen :D

Liebe Grüße
Eure Sami-Ann

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⏰ Letzte Aktualisierung: Apr 21, 2017 ⏰

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