[ EIGHT ] | 10.02.2014

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"You're not rich until you have something that money can't buy.

〰️💫〰️

Seine Hand liegt in meiner. Seine Haut berührt meine Haut. Seine rauen Konturen machen sich auf meiner weichen Hand bemerkbar.

Ich schlucke schwer, als ich das blasse Gesicht von ihm sehe. Die ganze Zeit schon versuche ich mir einzureden, dass er gesund aussieht, dass er auf dem Weg der Besserung ist.

Doch das stimmt nicht.

Seit dem Unfall war ich oft bei ihm, habe ihn in verschiedenen Momenten gesehen. Und noch nie hat er so blass, so ungesund gewirkt wie heute.

Wüsste ich es nicht besser, könnte ich annehmen, dass er tot ist.

Zum ersten Mal in meinem Leben bin ich dankbar für das nervige Piepen der Maschinen, die meinen Freund gewissermaßen am Leben erhalten. Durch diese winzigen Geräusche kann ich mir sicher sein, dass er den Kampf noch nicht verloren hat.

Ich beiße mir fest auf die Unterlippe, als ich mit meiner rechten Hand sanft ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht streiche, welche ihn sicher wieder gestört hätten.

Ich konnte nie verstehen, warum er seine Haare nicht einfach abschnitt, wenn sie ihn doch so nervten, aber im Geheimen war ich froh, dass er seine Haarpracht immer behielt.

Ich liebte den Geruch von den einzelnen Strähnen. Es war eine Mischung aus seinem Duschgel, vom Rasen des Fußballplatzes und auch ein bisschen etwas einfach von dem typischen Caulder-Duft.

Sein Auge hat sich inzwischen wieder dem normalen Hautton von ihm angepasst, wobei der blaue Bluterguss ganz nett gewesen wäre, im Vergleich zu der blassen Farbe, welche seinen Körper ziert.

Meine Hand zittert, als ich realisiere, was das alles bedeuten könnte.

Dass er sich schon lange aufgegeben hat und wartet, bis auch wir ihn aufgeben.

Mein Herz beginnt schneller zu pochen, meine Augen wandern panisch zu den einzelnen Monitoren. Aber es wirkt eigentlich alles normal. So normal, wie die ganzen Werte eines Komapatientens für ein normales Mädchen wirken können.

Meine Hand zittert, als ich vorsichtig seinen Unterarm streichle. Blasse, trockene Haut. Knochiger Ellbogen. Von seinen sonst immer leicht hervorstehenden Adern ist nichts mehr übrig.

Dafür hängen überall Schläuche. Messgeräte. Infusionen.

Mir kommt es so vor, als wären die vielen Plastikrohre, elektronische Kästchen und Flüssigkeiten, die meinen Freund am Leben erhalten sollen, ein Hindernis zwischen ihm und mir.

So als wären sie ein reißender Fluss zwischen zwei Ufern.

Und gleichzeitig sind sie so wichtig wie die Sonne für unsere Erde. Ohne die man nicht überleben könnte.

"Hey", flüsterte ich. Seine Augen bleiben trotzdem geschlossen. Nur sein Brustkorb hebt und senkt sich regelmäßig. Dazu das leise Schnaufen der Sauerstoffmaschine.

"Egal wie schwer der Kampf gerade ist, den du führen musst, du musst weiterkämpfen, hörst du?"

Einmal, als mein Freund und ich noch am Anfang unserer Beziehung standen, war ich bei einem seiner Fußballspiele von ihm dabei. Es ging zwar um nichts, aber trotzdem war er voller Tatendrang sein Bestes zu geben, weil er für und mit seinem Team gewinnen wollte.

Irgendeiner von den Gegner jedenfalls schaffte es, meinem Freund kurz vor der Halbzeit das Bein zu legen, woraufhin er vom Platz getragen werden musste.

In der Pause besuchte ich ihn in der Umkleide, wo er jede 'Untersuchung' von seinem Trainer verweigerte, weil er Angst hatte, dass er nicht mehr weiterspielen darf. Und tatsächlich, in der zweiten Halbzeit stand er wieder auf dem Platz und kämpfte weiter um den Sieg.

Auch wenn er dann irgendwann zum Schluss ausgewechselt wurde, war er glücklich, weil er nicht aufgegeben hatte, trotz einem angebrochenen Knöchel, wie sich später im Krankenhaus herausstellte.

"Du sagst zu uns immer, dass wir nicht aufgeben dürfen", flüstere ich heiser, "jetzt bist du derjenige, der nicht aufgeben darf, hörst du?"

Ich wünsche mir, dass er mir noch irgendein Zeichen geben kann, dass er noch körperlich sowie geistig am Leben ist. Und sei es nur ein erneutes Zucken von seinem Finger.

In meinem Körper breitet sich eine schwere aus, als ich merke, welche Worte mir als Nächstes über die Lippen kommen. Ich atmet zitternd ein und aus, während ich versuche, meinen Herzschlag wieder ein bisschen unter Kontrolle zu bringen.

"Du musst mir noch so oft sagen, dass ich nicht aufgeben darf", flüstere ich leise und drücke seine Hand fester, so, als würde ich versuchen, wieder Leben in den Körper von meinem Freund, nur durch die Hände zu pumpen.

Ich atme tief ein und aus, starre auf die blasse, rosa Linie, welche das Überbleibsel von seiner Platzwunde ist.

"Aber das kannst du nur sagen, wenn du bleibst."

Wenn du bleibstWhere stories live. Discover now