8. Auftritt

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Mik war nervös. Schon seit geraumer Zeit ging er bloß wortlos im Raum auf und ab, den Blick scheinbar ins Nichts gerichtet und summte irgendwelche Lieder vor sich hin. Ich beobachtete jeden seiner Schritte, all seine Bewegungen und nahm bewusst das warme Gefühl wahr, das sich dabei in meiner Brust ausbreitete. Wahrscheinlich wäre es noch ewig genau so weiter gegangen, wenn sich nicht irgendwann die Tür geöffnet hätte und Dan seinen Kopf hereingestrecht hätte.

"Mik? Noch zehn Minuten."

Mik sah aus seiner Trance hoch zur Tür und nickte. Ich sah unschlüssig von ihm zu Dan und zurück.

"Soll ich gehen?"

Ich wusste nicht, wie Mik sich würde vorbereiten müssen und ob es dabei störte, wenn er nicht alleine war, Mik jedoch schüttelte den Kopf.

"Nein, bleib, Babyboii. Bitte."

Mik schien fast schon besorgt und sofort nickte ich.

"Okay."

"Ich bin verdammt aufgeregt. Vor jedem Konzert aufs Neue."

Ich beobachtete Mik, der sich nervös auf die Unterlippe biss und gleichzeitig so wahnsinnig verloren wirkte, obwohl das hier ja eigentlich seine Welt sein sollte. Vorsichtig ging ich ein paar Schritte auf meinen besten Freund zu und als ich ihm direkt gegenüber stand, schaffte ich es, seinen nervösen Blick einzufangen. Und wenn ich davor noch halbwegs ratlos gewesen war, wie ich Mik vielleicht würde helfen können, so kannte ich ihn gut genug, um ihm jetzt förmlich anzusehen, was Mik gerade brauchte.

"Komm her."

Meine Worte waren kaum mehr als ein Flüstern, während ich meinen besten Freund in meine Arme zog. Ich spürte, wie Mik die Umarmung erwiderte und sich in meinen Armen langsam beruhigte.

"Entspann dich kurz."

Am liebsten hätte ich meine Hand in Miks Haaren vergraben, doch im selben Moment hielt ich mich davon ab, um seine Frisur nicht noch vor seinem Auftritt zu zerstören. Stattdessen fand meine Hand wie von selbst an Miks Wange, passte sich der Form seines Gesichts an. Wie automatisch begann ich, mit dem Daumen sanft die Züge seines Gesichts nachzufahren.

"Du wirst das wieder locker machen. Ich habe dich gesehen auf der Bühne in Hamburg. Du wirst da draußen gefeiert."

Ich spürte, wie Miks Umarmung sich vertiefte, sein Oberkörper sich näher an meinen drückte, er sich gegen meine Halsbeuge schmiegte. Jetzt konnte ich doch nicht anders, als vorsichtig durch die kurz geschnittenen Haare an den Seiten von Miks Frisur zu fahren, beruhigend seinen Hinterkopf zu streicheln. Eine ganze Weile lang blieben wir einfach nur so stehen, einander eng umarmend und ich spürte, wie Mik sich langsam beruhigte und wieder Kraft sammelte. Ich wusste, dass meine Anwesenheit und Nähe für sich gerade nicht einmal der auslösende Faktor hierfür war, dass ich viel mehr gerade einfach einen Punkt darstellte, in dem er sich sammeln und beruhigen konnte und es dabei nicht um mich als Person ging.

Erst als die Tür sich erneut öffnete, löste Mik sich wieder von mir und ich konnte sehen, wie Myriam an der Tür lächelte.

"Mik, bist du so weit?"

Ich beobachtete meinen besten Freund, jede seiner Bewegungen und konnte sehen, wie Mik schluckte und noch einmal tief durchatmete. Kurz begegneten sich unsere Blicke, abwesend lächelte Mik und stand im nächsten Moment wieder direkt vor mir, auf Zehenspitzen. Sanft spürte ich seine Lippen auf meiner Stirn und Miks Hand, die meinen Kopf dabei hielt.

"Wünsch mir Glück, Babyboii."

Ein letztes Lächeln, bevor Mik sich weiter aufrichtete, seine Haltung selbstbewusster wurde und er aus dem Zimmer verschwand. Auch Myriam folgte ihm, schien ein paar letzte Worte mit ihm zu wechseln, letzte Punkte mit ihm zu besprechen und im nächsten Moment war ich wieder alleine, während von weiter weg in der Halle der Lärm anzuschwellen schien, Mik jetzt jeden Moment auf die Bühne treten konnte. Es war spannend, wie viel Selbstbewusstsein Mik ausstrahlte, wie sicher er sich auf der Bühne wirkte und wie nervös er im Gegensatz dazu im Privaten zu sehen war. Ich bemerkte, wie ich zu lächeln begonnen hatte.

Buntes Papier ~ #KostoryWhere stories live. Discover now