Krul - Der letzte Sonnenuntergang

260 19 1
                                    

Auch am dritten Tag ging die Sonne auf als wäre es ein Morgen wie jeder andere. Doch sobald sie der Welt heute den Rücken kehren würde, würde sich ein Menschenleben entscheiden. Zum ersten Mal in meinem unsterblichen Leben, fürchtete ich den Sonnenuntergang. Ich ging zur Tür und öffnete sie, wieder war mein Ritter nicht aufzufinden. Gestern Abend, nachdem Abaddon verschwunden war, bestand er darauf dass ich noch einmal das Zimmer mit dem Bett bekam.
"Auch wenn du den Schlaf nicht brauchst", hatte er gesagt, "würde sich dein Körper bestimmt nicht über ein wenig Ruhe beklagen. Geh nur." Mit einem Kopfnicken deutete er auf die Holztür, kehrte mir den Rücken und begann sich zu entkleiden. Also ergriff ich die Flucht. Und ich war mir sicher, wenn ich noch immer menschlich wäre, hätte mich die Schamesröte gepackt.
"Ritter?", rief ich ihn.
"Ich bin hier", schallte es von draußen und ich trat ins Sonnenlicht. Er saß mit einem Messer und ein paar Hölzern auf dem Boden.
"Was tust du da?"
"Ich versuche Pfeile zu schnitzen", antwortete er mir und betrachtete seine Arbeit. "Nur scheinbar bin ich nicht sehr geschickt. Anders als dein Bruder."
"Mein Bruder?"
"Ja, er schmiedete meine Rüstung."
"Warum?"
"Weil du ihn darum gebeten hattest. Mehrere Winter wurde unser Dorf von Banditen bedroht und wir mussten unsere Herbsternten abgeben wenn wir überleben wollten. Und blieb die Wahl zwischen Hungertod oder dem Tod durch ein Schwert. Wir fügten uns und doch hatten wir die Tyrannei satt, wir wollten uns wehren und jeder Mann, jeder Knabe schmiedete sich Rüstung und Schwert. Ashera war sehr begabt, während ich kläglich scheiterte. Ausreden konntest du mir den Kampf nicht und so wolltest du, das dein Bruder auch für mich schmiedete. Es war dein Versuch mich schützen."
Das soll ich getan haben? Ich musste diesen Jungen wirklich gern gehabt haben...
"Warum versuchst du zu schnitzen?"
"Gestern half mir meine Geschwindigkeit bei der Jagd, heute muss ich es mit Pfeil und Bogen versuchen."
"Du willst mit angespitzten Stöcken ein Tier erlegen?"
"Eine andere Möglichkeit habe ich schließlich nicht."
"Doch die hast du", sagte ich während ich ihm das Messer abnahm. "Bereite ein Feuer, ich werde jagen."
Mit diesen Worten lief ich in den Wald ohne auf seine Antwort zu warten. Ferids Gift ließ schon vor einem Tag nach, ich hatte meine Kraft zurück. Es dauerte auch nicht lang bis ich mit frischem Fang zurückkehren konnte. Das erlegte Kitz warf ich ihm vor die Füße.
"Es ist bereist blutleer", sagte ich bevor ich mich auf einen Baumstumpf setzte. Er sagte nichts und begann schweigend das Fleisch von Fell und Knochen zu trennen, ich beobachtete ihn. Immer wieder fiel mein Blick zu seinem Haarknoten.
"Du solltest dein Haar schneiden."
"Mein Haar?", fragte er belustigt.
"Das du nirgends aufgefallen bist, niemand trägt es mehr so."
"Ich lebe im Schatten Katerine. Ich meide die Menschen. Mein Haar habe ich seit tausend Jahren nicht mehr geschnitten."
Er hing das Fleisch über die Feuerstelle, sah mich an und begann an den Schürren in seinem Haar zu hantieren. Er zog sie heraus, eine nach der anderen und eine Haarflut ergoss sich über den Waldboden. Mein Ritter betrachtete es fasziniert.
"Es ist lang geworden", stellte er nüchtern fest und ich starrte ihn ungläubig an, bevor ich das Lachen nicht mehr halten konnte.
"Ein wenig vielleicht"
Direkt am Kopf band er es sich zusammen und zog ein weiteres Messer aus seinem Stiefel mit dem er seinen Zopf kurzerhand am Haarband abschnitt.
"Besser?", fragte er.
"Anders", antwortete ich.
"Du hast dein Lachen behalten"
"Es ist das erste Mal seit Ashera verschwunden ist, dass ich wieder gelacht habe..."
Er wandte sich ab und betrachtete das Feuer.
"Es tut mir leid, was dir damals passierte"
"Aber es ist nicht deine Schuld."
"Ich schwor dich zu beschützen", gestand er.
Darauf wusste ich nicht zu antworten und so starrten wir beide schweigend ins Flammenmeer. Bis zum Abend brannte es. Wieder berichtete man mir von vergangenen Tagen und wieder konnte ich mich an nichts davon wirklich erinnern.
Und dann erschien Abaddon. Er fing meinen Ritter in einem Bannkreis und richtete seinen Blick auf mich.
"Wie sieht es aus, Vampirkönigin. Kannst du mir seinen Namen nennen?"
"Gib mir ein wenig mehr zeit", bat ich und ein teuflisches Grinsen erschien auf seinem Gesicht.
"Dann weißt du ihn nicht."
Er drehte mir den Rücken zu und begann mit deinem Zauber. Mein Ritter krümmte sich vor Schmerz und ich überlegte fieberhaft wie ich den Dämon stoppen konnte.
"Lauf weg", flüsterte der Ritter. "Ich will nicht das dir was passiert. Ich schaffe das schon, bring dich in Sicherheit. Bin ich nicht mehr, dann wird Abaddon auch deine Kraft verlangen, dann kann ich dich nicht mehr beschützen."

Der Ritter der KöniginWhere stories live. Discover now