Kapitel 42:

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„Sie haben mich gegen die Wand geschlagen. Es gab da mal einen Stock, der ziemlich weh tat. Irgendwann ist er aber zerbrochen und sie haben sich keinen neuen gekauft. Dann haben sie mich einmal die Treppe runtergeworfen. Davor haben sie mich noch mit dem Auto angefahren.", fasste ich zusammen. 

„Warst du deswegen mal im Krankenhaus?"

„Nein, kein einziges Mal.", erwiderte ich. „Ich habe mich selbst, so gut es ging, mit Pflastern oder Verbänden versorgt. Ging es mir mal wirklich schlecht, dann haben sie mir Tabletten in das Trinken gemischt. Wenn ich es nicht schlucken wollte, bekam ich solange nichts zu trinken, bis ich die Tabletten schließlich nahm."

„Was waren das für Tabletten?", fragte Stephan nach. 

„Antibiotika, Schmerztabletten, Schlaftabletten und andere die ich nicht kannte."

„Hast du dir schon Knochen gebrochen?"

„Nach dem Treppensturz habe ich mir mehrere Finger gebrochen und ein anderes Mal mein Schlüsselbein... Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich mir den Arm gebrochen habe, aber nachdem sie mich mit dem Auto angefahren haben, war er fett angeschwollen und hat richtig geschmerzt. Meine Mutter hat ihn dann geschient, bis es besser wurde. Die Verletzungen müsste man doch auch auf Röntgenbilder sehen, oder?", fragte ich die Polizisten.

„Kann man, aber vor Gericht würde das wahrscheinlich wenig bringen... Wir können nicht beweisen, dass dir das deine Familie angetan hat.", erklärte mir Marc unglücklich. 

„Schade.", murmelte ich ebenso enttäuscht. 

„Kommen wir zu dem Tag, an dem Robin und ich dich nach Hause gebracht haben. Was ist passiert nachdem wir weg waren?", fing Marc an und begab sich bei mir in eine kritische Zone.

„Wisst ihr das nicht schon alles? Das haben Mara und Jessica bestimmt schon ausgesagt.", entfuhr es mir zornig. Robin drückte leicht meine Hand und ließ mich sofort wieder runterkommen.

„Okay, gut. Dann erzähle ich es auch noch.", gab ich mich, nach einigen Überredungskünsten der anwesenden Polizeibeamten, geschlagen.

„Meine Mutter fand es nicht so toll, dass ich Robin mein altes Kinderzimmer gezeigt habe.", begann ich und wurde sofort von Robin unterbrochen.

„Dein altes Kinderzimmer? Hattest du schon ein anderes Zimmer?"

„Nein, vor drei Jahren haben sie mich aus dem Zimmer geworfen und es abgeschlossen."

„Du hast das Schloss doch geknackt?"

„Ja, aber beim dritten Mal haben sie mich erwischt und mich die Treppe runtergeworfen. Dann habe ich es gelassen. Außer wenn niemand da war."

„Sie haben dich die Treppe runtergeworfen? Wegen soetwas?" Ungläubig schaute er mich an. 

„Sie haben mich den Gang entlang gestoßen und mich dann bis zur Treppe zurückgedrängt. Ich habe das nicht bemerkt. Als mich Jessica schließlich gestoßen hat, bin ich einen Schritt nach hinten gestolpert und... runter gefallen."
Ich zuckte leicht mit den Schultern und versuchte mich weiter auf das Gespräch zu konzentrieren und nicht so sehr auf meine Gefühle. Alles kam wieder hoch. Die Schmerzen, die sich blitzartig in meinen Körper ausgeteilt haben. Dieses Gefühl, dass es schlimmer ist als die letzten Male. Dann war da noch diese Angst. Ich hatte Angst, dass ich sterben könnte. Ich wollte und konnte, dass nicht noch einmal aushalten.

„Wo hast du dann geschlafen?", riss mich die Frage von Stephan aus den Gedanken. 

„Wie bitte? Was?", fragte ich verwirrt nach. 

„Ich wollte wissen wo du stattdessen geschlafen hast, wenn du kein Zimmer hattest?", wiederholte sich Stephan und lächelte mich weiter an. 

„Auf dem Sofa, wenn es frei war."

„Und wenn nicht?", hakte Marc nach.

„Auf dem Boden.", gab ich leise von mir.

„Das kann doch nicht wahr sein. Da hast du ein Zimmer mit Bett und dann lassen sie dich einfach auf dem Boden schlafen.", regte sich Robin auf. Ich drückte seine Hand ein bisschen und er beruhigte sich gleich wieder.  „Entschuldigung, aber das geht wirklich nicht."

„Mit der Zeit gewöhnt man sich daran. Es ist gar nicht so schlimm, wie es sich anhört."

„Es ist auch so schon schlimm genug.", meinte Robin aufgebracht. 

Marc und Stephan beschlossen lieber mal eine kurze Pause zu machen und Robin und mir etwas Zeit zu lassen über das ganze zu reden. Als sie wieder zurück kamen, war ich bereit für die letzten Fragen. 

„Deine Mutter war wütend auf dich, dass du einem Polizisten dein altes Zimmer gezeigt hast?"

„Ja... ich habe ihr gesagt, dass ich es Robin nicht gezeigt habe, weil ich wusste, dass sie es verboten hatte noch einmal in das Zimmer zu gehen. Sie hat mich bestraft und es auf sich beruhen lassen."

„Welche Art von Bestrafung?", kam die nächste Frage auf mich zu.

„Sie hat mir die Schriftzeichen in die Ellenbeuge geschnitten. Da sie es noch nicht so oft gemacht hatte, wurde es etwas zu tief. Man kann die Narben immer noch erkennen." Ich deutete mit dem Finger auf meinen rechten Unterarm, nahe der Beuge. Als die Polizisten nicht zu einer weiteren Frage ansetzten erzählte ich einfach weiter. 

„Ich sollte danach Mara helfen, also bin ich zu ihr gegangen und sie hat mich verprügelt." Ich stockte. Warum hatte sie das überhaupt gemacht? Hatte sie es erwähnt oder hatte ich einfach nur etwas falsch gemacht?

„Gab es einen Grund dafür?", fragte jetzt auch Marc. Ich zuckte mit den Schultern.
„Ich weiß es gar nicht mehr, aber sie schlug mich manchmal auch ohne Grund ohnmächtig."

„Was hat sie gemacht?"

„Sie hat mich getreten. Als zu viel Blut auf dem Boden war, musste ich es aufwischen. Dabei habe ich sie ausversehen mit dem schmutzigen Wasser nass gemacht. Daraufhin hat sie mir mit dem Fuß gegen den Kopf gehauen und auf mich eingetreten wie eine Wilde.", erzählte ich stockend, mit einem mulmigen Gefühl im Magen. 
„Das nächste was ich weiß ist, dass sie mich aus dem Weg geschoben haben, damit die Treppe frei war. Dann haben sie die Kartons, mit den Erinnerungen meines Vaters verbrannt... ich bin von dem Rauch aufgewacht.", erinnerte ich mich. Es war einer der schlimmsten Tage in meinem Leben gewesen. Direkt nach dem Tag, als James starb.

„Ich wollte abhauen. Vor der Haustür stand die Polizei, die Feuerwehr und der Rettungsdienst, wegen dem Feuer. Ich bin aber nicht aus dem Haus gekommen." Einen Moment hielt ich inne und wischte mir eine Träne aus den Augenwinkeln.

„Mara hat mich ins Badezimmer eingeschlossen, damit ich nicht auf dumme Gedanken komme. Das war's. Mehr haben sie am diesem Tag nicht gemacht.", murmelte ich und wischte mir die wiederkehrenden Tränen aus dem Gesicht.

„Sollen wir eine Pause machen?", fragte mich Robin und strich mir fürsorglich über den Rücken.





Wenn ein paar Tage deine Welt verändern (ASDS)Where stories live. Discover now