Kapitel 29 - Bereit zum Flirten? Eher zum Kneifen

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Es verging eine Woche nachdem Royce gegangen war. Es war nichts mehr passiert. Es war plötzlich wieder so, als wären wir normale Menschen. Als wären die letzten Wochen gar nicht da gewesen.

Es gab keinen Plan und es wurde auch nicht mehr darüber geredet. Eigentlich haben wir allgemein nicht mehr viel geredet. Jeder lebte für sich, nur das Blake und ich uns ein Bett teilten.

Ich hatte noch viel über Royce Aussage nachgedacht. Ich konnten mir immer noch nichts darunter vorstellen. Er war einfach gegangen und hatte unser Rudel um zwei Mitglieder verkleinert. "Vertrau mir. Ich weiß es einfach." Wieso konnte er nicht einfach sagen was genau er wusste? Auch Blake wollte mir keine Antwort darauf geben. Es konnte ja nicht sein, dass er ein Hellseher oder sowas ist.

Royce war allgemein ziemlich merkwürdig. Er jagte mir irgendwie Angst ein. Ich weiß nur nicht genau, was es ist.

Ich nutzte diese Auszeit um mit Cole wieder Zeit zu verbringen. Mittlerweile verbrachte ich fast jeden Tag mit ihm. Ich war nach der Schule bei ihm, wir lernten und machten Dinge zusammen. Ich war froh, dass eine keine Fragen mehr stellte und einfach über diese Dinge hinweg sah, die passiert waren. Zwar wusste ich, dass es ihn immer noch beschäftigt aber er konnte es sehr gut verbergen. Es war schon fast alles wie beim Alten.

"Leute, hört mal her", sagte Blake als er ins Wohnzimmer kam. Isaac, Allison und ich saßen auf der Couch und sahen uns eine Serie im Fernsehen an. Wir blickten alle gleichzeitig auf. Was war jetzt plötzlich los? "Unser neues Zuhause wird in Kürze fertig sein, wir müssen letzte Vorbereitungen treffen und unsere Sachen packen." Ich hatte es geschafft, Blake davon zu überzeugen, endlich da hin zu ziehen. Auch wenn ihm die Tatsache nicht gefiel, dass die Finger seines Bruders mit drin steckten, akzeptierte er es letztendlich doch. Ich meldete mich zu Wort. "Wir müssen uns nur nachts dort auf halten oder?" Blake schüttlete den Kopf. "Du solltest immer in unserer Reichweite sein, falls es irgendwelche Zwischenfälle gibt, du musst mit kommen.", meinte er. Ich verschränkte meine Arme. "Was soll das werde? Eine 24 Stunden Überwachung? Wir leben im 21. Jahrhundert und da gibt es so etwas wie Handys. Ich werde ganz sicher nicht, dass Haus meiner Grandma unbewacht lassen.", sagte ich stur. Blake verdrehte die Augen. "Von mir aus. Mach was du willst.", sagte er mit genervter Stimme und fuhr einfach fort. "Das ist aber noch nicht alles. Ich habe einen neuen Gestaltwandler gefunden. Er ist noch nicht aktiviert aber das wird sich bald ändern, denn wir werden ihn einweihen und das wird Jamie's Aufgabe sein." Empört riss ich meinen Mund auf. "Warum soll ICH das tun? Vor allem warum willst du noch ein Leben riskieren? Ist es dir so wichtig ein großes Rudel zu haben?" Isaac hob die Hand. "Bevor ihr euch die Köpfe einreißt, übernehme ich diese Aufgabe freiwillig." Blake schüttelte den Kopf. "Isaac du wirst gar nichts übernehmen. Jamie soll lernen Verantwortung zu übernehmen. Und nein, ich mache das nicht weil ich unser Rudel erweitern will, sondern weil jeder das Recht hat, zu erfahren was er wirklich ist. Findest du es denn so schlecht ein Wolf zu sein?", fragte er. Ich schüttelte widerwillig den Kopf. "Nein aber damit sind so viele Probleme verbunden.", meinte ich. "Probleme hat er auch als Mensch. Du wirst wohl nicht daran vorbei kommen", meinte Blake achselzuckend.

Ich fluchte vor mich hin. Wie sollte ich das bitte anstellen?

"Woher weißt du eigentlich, dass er ein Gestaltwandler ist?", fragte ich ihn. Wieder zuckte er mit den Schultern. "Ich weiß es einfach." War das so eine Brudersache? Auch Royce hat diese Worte in seinem Sprachvokabular. Ich schüttelte nur den Kopf. "Gut, wer ist er?", fragte ich.

Blake kramte in seiner Hosentasche und zeigte mir ein Bild. Dort war ein Typ mit hell braunen Haaren abgebildet. Er hat ein kantiges Gesicht und breite Schulter. Er sah aus wie ein Schrank. Wahrscheinlich war er ein Sportler. Ich kann mich nicht erinnern so jemanden in unserer Schule gesehen zu haben. "Ist er neu an der Schule?", fragte ich und sah Blake an. Er schüttelte den Kopf. "Er geht in die 12. Klasse, ungefähr in unserem Alter, ist ein Football-Ass und ein Schlägertyp. Er piesackt jüngere Schüler und soweit ich weiß, sind seine Noten spitzen Klasse. Ach und sein Name ist Tyler." Ich sah ihn schockiert an. Das war nicht sein Ernst oder? Er wird mich umbringen. "Und wie genau stellst du dir das vor? Er könnte mich mit einer Hand zermalmen, das ist dir klar oder?", schrie ich. "Er schlägt keine Mädchen", war seine einzige Antwort darauf. Ich warf die Arme in die Luft. "Toll! Das hilft mir auch nicht weiter." Ich spürte wie sich eine Hand auf meine Schulter legte. "Ich mach das schon für dich, keine Sorge", meinte Isaac, doch ich schüttelte den Kopf. Ich trat ein Schritt vor. "Ich werde es machen... naja eher versuchen.", sagte ich entschieden zu Blake und er nickte.

Damit waren die Gespräche für heute beendet. Ich malte mir den restlichen Tag aus, wie ich an die Sache ran gehen könnte. Vielleicht werde ich erst mal Cole fragen, ob er mir helfen kann. Vielleicht kennt er ihn. Ich hoffte es jedenfalls, sonst hätte ich wirklich keine Ahnung wie ich an die Sache ran gehen könnte.

Sollte ich vielleicht versuchen mit ihm zu flirten? Konnte ich so was überhaupt? Wahrscheinlich eher weniger. Ich könnte mir meine Haare raus reißen. Mir fiel einfach nichts ein. Ich konnte ja nicht einfach zu ihm hin gehen und sagen 'Hey, du bist ein Gestaltenwandler. Soll ich's dir zeigen?' Das würde ganz sicher nicht ziehen. Er würde mir sicher den Vogel zeigen und mich auslachen.

Am nächsten Morgen traf ich mich alleine mit Cole am Brunnen. Blake meinte, er müsste heute was erledigen und dass er heute überhaupt nicht in der Schule sein wird. Besser so, so habe ich keinen Druck auf mir.

Ich schloss Cole in die Arme, als ich sah, das er schon da war. "Guten Morgen", begrüßte er mich lächelnd. "Morgen. Cole ich brauche deine Hilfe!", sagte ich gerade heraus. Er runzelte fragend die Stirn. "Kennst du vielleicht einen Tyler? Er spielt Football und geht in die 12. Klasse." Ich biss mir auf die Unterlippe und hoffte, dass er ihn kennt. Er überlegte kurz. "Tyler Michaels? Ja ich kenne ihn, habe aber nichts mit ihm zu tun. Wieso fragst du?" Ich fluchte vor mich hin. "Es hat was mit 'der Sache' zu tun. Ich muss mit ihm reden." Cole nickte verwirrt. "Wie willst du das anstellen? Ich bin schon froh, dass er mich nicht verprügelt." Ich zuckte verzweifelt mit den Achseln. "Ich muss wohl irgendein Weg finden.", meinte ich.

Plötzlich fiel mir etwas ein. "Cole? Hast du eine Ahnung, wann sie trainieren?", fragte ich aufgeregt. Er nickte. "Sollte heute Nachmittag sein. Was hast du vor? Willst du zu sehen?" Ich nickte. "So was in der Art. Hast du Lust mit zu kommen?", fragte ich vorsichtig. Er legte einen Arm um mich. "Natürlich. Ich lass dich nicht allein", sagte er lächelnd.

Beruhigt ging ich in den Unterricht. Ich hatte noch keinen genauen Plan aber wenigstens hatte ich irgendwas. Es wird schon irgendwie klappen. Wenn nicht, dann... habe ich keine Ahnung was ich tun werde. Verzweifeln? Ich hoffte einfach, dass er kein großes Arschloch ist und er mir wenigstens zu hört.

In der Pause saßen wir zusammen mit Isaac und Allison an einem Tisch. Wie jeden Tag, doch ich war nicht wirklich am Gespräch beteiligt, sondern konzentrierte mich eher darauf, denn Raum nach Tyler abzusuchen. Ich war schon kurz davor aufzugeben aber dann erblickte ich ihn plötzlich. Er saß mit anderen Kasten am Tisch und stopfte sich das Essen in den Mund. Er trug eine weiß-gelbe Collegejacke und eine dunkelblaue Hose. Ich beobachtete ihn genau und mir war klar, dass dies nicht einfach werden würde.

Plötzlich fuchtelte jemand vor meinem Gesicht herum. "Jamie? Noch da?", fragte mich Isaac. Ich nickte. "Du hast Tyler gefunden, oder? Hast du schon einen Plan?" Ich schüttlete verzweifelt den Kopf. Isaac sah in die Richtung wo er saß. "Schmeichle ihm, mach ihm Komplimente aber sei ja nicht bissig oder grob zu ihm. Er kann total ausflippen. Versuch mit deinen Augen zu klimpern, dann wird das schon", meinte Isaac und jetzt war ich noch angespannter. Cole sah uns beide abwechselnd verwirrt an, sagte aber nichts dazu. Ich frag mich, was er sich wohl denkt.

Ich hoffe ich kann es ihm irgendwann mal erklären. Das alles was im Moment passiert.

Die Stunden bis zum Schulschluss vergingen meines Erachtens viel zu schnell. Ich wollte es einfach so weit wie möglich vor mich her schieben aber es gab wohl keinen anderen Ausweg. Da musste ich wohl durch.

Under the woods [Band 1]Opowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz