Kapitel 5

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Am nächsten Tag traf ich mich mit Lucy zu Beginn der Mittagspause am Sekretariat, denn sie hatte mir versprochen, mir bei der Wahl meiner extracurricular activities zu helfen. Gemeinsam betrachteten wir die unzähligen Listen, die dort ausgehängt waren - von Volleyball, über Theater bis hin zu Schach war alles dabei.


»Ich glaube, ich trage mich wieder für die Kunst-AG ein. Die habe ich auch schon letztes Jahr gemacht und da sind immer echt coole Leute. Außerdem kann man da wirklich tolle Projekte machen«, überlegte Lucy laut, während sie ihren Kugelschreiber vor den Blättern hin und her schwenkte. »Hättest du nicht auch Lust dazu?«, wendete sie sich dann an mich.


Ich ließ mir einen kurzen Augenblick mit meiner Antwort Zeit, in dem ich gedanklich nochmal die verschiedenen Aktivitäten durchging, doch dann nickte ich. Kunst klang für mich wesentlich besser, als irgendeine Sportart oder naturwissenschaftliche AG zu machen. Außerdem wäre ich dann mit Lucy zusammen. »Klingt gut, ich bin dabei«, antwortete ich deshalb.


»Perfekt, das wird bestimmt richtig spaßig.« Lucy lächelte mich zufrieden an und setzte anschließend schwungvoll unsere beiden Namen auf das Blatt.


»Jetzt sollten wir aber zusehen, dass wir in die Mensa kommen, sonst ist das ganze gute Essen schon weg.«


»Gutes Essen? Das muss gestern aber schon schnell weg gewesen sein, denn meine Mac and Cheese waren so weich, dass meine Oma sie selbst ohne ihr Gebiss hätte essen können«, antwortete ich lachend während ich mich daran zurückerinnerte, wie weich und breiig die Makkaroni geschmeckt hatten.


Ein angewiderter Schauer überkam mich und ich dachte sehnsüchtig an das Essen zu Hause in Deutschland. Vor meinem Austausch hätte ich es zwar niemals wahrhaben können, dass ich so etwas mal sagen würde, aber ich vermisste sogar das Schwarzbrot. Kein Brot hier in den USA hatte bisher mit dem von zu Hause mithalten können. Vielleicht sollte ich meine Eltern mal bitten, mir welches zuzuschicken.


»Da hast du einfach das falsche Essen gewählt. Mit der Zeit findest du heraus, was man hier gut essen kann und wovon man lieber die Finger lassen sollte, aber bis dahin hast du ja mich«, erklärte Lucy mir, woraufhin ich beruhigt ausatmete.


»Vielleicht hättest du doch den Theaterkurs wählen sollen, so dramatisch wie du dich gerade anstellst«, neckte sie mich mit einem breiten Grinsen auf den Lippen.


Ich streckte ihr dafür kurz die Zunge raus, doch fiel dann in Lucys Lachen mit ein.


Es freute mich, dass sie ihre Schüchternheit mir gegenüber immer mehr ablegte und anfing, Witze zu machen. Ich hatte das Gefühl, dass Lucy nicht besonders viele Freunde an der Schule hatte, zumindest nicht in unseren gemeinsamen Kursen, dabei war sie so ein liebenswerter Mensch. Vielleicht lag das an ihrer etwas zurückhaltenden Art, aber wir hatten uns von Anfang an gut miteinander unterhalten können.


In der Mensa angekommen, beriet Lucy mich wie versprochen bei der Essenswahl, sodass wir beide die Lasagne nahmen und uns damit zu ein paar Leuten aus unserem Erdkunde-Kurs setzten.


Gwen, Talisha und Marley waren gerade dabei, mich über Deutschland auszufragen, als die Tür zur Mensa erneut aufschlug und Dylan mit seinen besten Freunden im Schlepptau den Raum betrat. Selbstsicher ließ mein Gastbruder seinen Blick durch die Mensa schweifen, als wäre er ein König, der seine Untertanen musterte. Als sein Blick mich streifte, konnte ich förmlich sehen, wie er sich automatisch verdunkelte und es hätte mich nicht gewundert, wenn Dylan auf der Stelle wieder kehrtgemacht hätte.


Doch das war nicht der Fall. Stattdessen steuerte Dylan sogar auf einen leeren Tisch ganz in der Nähe von uns zu und ließ sich dort mit einem Plumpsen nieder. Seine Freunde taten es ihm nach, wobei Ace mir vorher noch einmal kurz zuwinkte, weshalb Dylan genervt die Augen verdrehte. Wahrscheinlich konnte ich mich heute auf der Rückfahrt wieder auf eine Strafpredigt gefasst machen, dabei konnte ich echt nichts dafür, dass Ace mich im Gegensatz zu ihm scheinbar mochte.

The American Mistake (LESEPROBE!!!)Where stories live. Discover now