Hicks Entscheidung

99 7 0
                                    

Ich wachte auf. Schon wieder schmerzte mein Kopf, aber diesmal konnte ich mich an alles erinnern. Mein Magen knurrte und mein Mund war trocken wie eine Wüste. Neben mir entdeckte ich zum Glück einen Krug voll Wasser, den ich gierig austrank.

,,Hallo Hicks, wie geht es dir?"

Erschrocken fuhr ich zurück, sah mich um und entdeckte Heidrun, oder war es doch Tyra? Nein, es war Heidrun, da war ich mir sehr sicher. Sie saß neben mir und sah mich besorgt an. ,,Tut dir irgendwas weh?"

,,Nur mein Kopf...", murmelte ich. ,,Was ist mit dir? Was ist aus Tyra geworden?"

Heidruns Blick verdunkelte sich. ,,Sie wollte mich wegschaffen, hat Dagur erzählt, dass ich mit euch unter einer Decke stecke und den kompletten Berserker-Stamm verraten habe. Er hat das natürlich geschluckt und mich sofort in seinen ausbruchsicheren Kerker geworfen."

,,Oh großartig, kann es eigentlich noch schlimmer werden?"

,,Für dich ja, Bruder." Dagur war mit zwei Wachen in den Raum getreten und musterte uns beide mit einem hämischen Blick. ,,Perfekt, ich wusste, euch würde es nichts ausmachen, in einer Zelle zu sein. Ihr seid doch sowas wie..." Er zeigte zwischen uns hin und her. ,,...Freunde, oder nicht?" Dagur lachte schallend und bewegte dabei, so wie immer wenn er lachte, seine Schultern extremst. ,,Hicks Bruder, schau doch nicht so miesgelaunt durch die Gegend. Es war doch so ein herrlicher Tag."

,,Ja, da hast du Recht." Ironie am Start.

,,Na los, bringt die beiden zu dem Mädchen." Zu dem Mädchen? Er meinte damit doch sicher nicht Astrid, oder? Fragend sah ich Heidrun an, aber sie zuckte nur unwissend mit den Schultern. Wir wurden von den Berserkern unsanft aus dem Raum geschubst und folgten dem Gang bis zu einer weiteren Gefängniszelle. Ich verstand, warum diese Gefängniszellen etwas besonderes waren, weil sie nicht wie normale Zellen Gitterstäbe, sondern dicke Eisentüren hatten. Eine von solchen Türen wurde aufgemacht, Dagur trat hinein und wir wurden hinterhergeschubst. Ich stolperte nach vorne, drehte mich um und riss erschrocken meine Augen auf. ,,Astrid!" Ich wollte zu ihr, aber eine Wache hielt mich ab und seine Hände umfassten gewaltsam meine Handgelenke. Astrid war an die Wand gekettet, ihre Kleidung war zerissen und dreckig, ihr Gesicht zierten einige blutige Schrammen. Sie sah mich aus glanzlosen Augen an. Ich starrte sie an und machte mir nur noch mehr Vorwürfe, alle hierein gezogen zu haben. Hätte ich nicht einfach mit Ohnezahn herfliegen können und alle andere zurücklassen können? Ich versuchte mich aus dem festen Griff zu befreien und zu Astrid zu kommen, aber ich hatte keine Chance, ich war immer noch geschwächt von dem Aufenthalt in dem Labyrinth. Dagur trat vor mich, warf Astrid einen hinterlistigen Blick zu und wandte sich dann an mich. ,,Hicks, Hicks, Hicks, so lange haben wir uns jetzt schon nicht mehr gesehen."

,,Was willst du Dagur?", fragte ich mürrisch.

,,Hicks, wie lange kennst mich schon? Du müsstest doch eigentlich wissen, was ich will. Den Nachtschatten!" Er kam näher und zog seinen Streitaxt aus seinem Gürtel. ,,Und wenn du brav bist, lass ich die Kleine laufen. Wenn nicht, lass ich deine kleine schwarzhaarige Freundin laufen." Grinsend ging er ein paar Schritte zurück und musterte mich.

,,Wenn ich es dir erzähle, tötest du Heidrun und wenn nicht, dann Astrid?"

,,Ich wusste schon immer, dass du ein schlauer Bursche bist." Dagur sah mich abwartend an.

Ich konnte das nicht machen. Ich wollte mich nicht entscheiden. Egal, was ich tat, ich würde einen Menschen auf meinem Gewissen haben. Astrid konnte ich nicht verlieren, ich hätte mir das nie verzeihen können, aber bei Heidrun war es genauso. Sie war mir eine gute Freundin, ebenfalls für Astrid. Unsicher sah ich zu Astrid und dann warf ich Heidrun einen Blick zu. Ein Berserker hielt ihr einen Dolch an die Kehle und schien nur auf Dagurs Befehl zu warten, etwas zu unternehmen. Ich fasste all meinen Mut und meine Kraft zusammen und drehte mich mit selbstsicheren Blick zu Dagur um.

,,Nicht, Hicks, ich weiß, was du denkst, und nein, das wirst du nicht machen." Ich schaute kurz zu Astrid, die mich flehend ansah, aber meine Entscheidung stand fest. Dagur sah mich auffordernd an. ,,Für was entscheidest du dich?"

,,Ich weiß, wo Ohnezahn ist." Astrid sah mich verwirrt an. Sie wusste also, dass ich eigentlich überhaupt nicht wusste, was aus Ohnezahn geworden ist. Sofort sorgerte ich mich wieder um meinen besten Freund. Ich hätte ihn auch zurücklassen sollen, ich hatte ihn nur wieder in Schwierigkeiten gebracht, und wer wusste schon, was Dagur wirklich mit ihm vorhatte. Die Andeutung einen Hut aus ihm zu machen zu wollen, gefiel mir überhaupt nicht, aber dass er ihn zähmen wollte, war noch schlimmer. Allein wenn ich schon an Drago dachte, lief mir wieder ein kalter Schauer über den Rücken.

Dagur sah mich grinsend an. ,,Ich wusste doch, du entscheidest dich für deine kleine Freundin."

Ich unterbrach ihn. ,,Das habe ich nicht gesagt." Ich hörte, wie Astrid überrascht die Luft einzog. ,,Ich habe nur eine Vermutung, wo er sein könnte."

,,Sprich weiter", forderte Dagur mich auf, aber er sah mich aus einer Mischung von Verwirrtheit und Überlegenheit an.

,,Ich denke, dass Heidruns Zwillingsschwester Tyra etwas mit seinem Verschwinden zu tun hat. Jedenfalls sagte sie etwas in diese Richtung." Ich tat so, als wäre das nur eine nebensächliche Sache und musterte gelangweilt meine Finger.

Dagur sah mich auf ein Mal panisch an. ,,Tyra, wo? Wie? Sie hat den Nachtschatten?! Ich wusste, dass sie nicht ohne Grund aufgetaucht ist! Argh!" Er schlug sich gegen die Stirn. ,,Und ich hab ihr das mit Heidrun geglaubt." Er warf Heidrun einen kurzen, abwertenden Blick zu. ,,Ich glaube es immer noch." Dagur wandte sich an die Berserker, die nichtstuend im Raum standen. ,,Na los, warum steht ihr hier noch rum? Sucht sie!" Er drehte sich zu mir um, während die Berserker aus dem Raum liefen, und verengte seine Augen. ,,Wenn sie mit dir unter einer Decke steckt, bringe ich beide um." Dabei zeigte er nacheinander auf Heidrun und Astrid. Ich hob abwehrend meine Hände, zog dann aber schnell mein Inferno hervor und entflammte es. Schnell durchschnitt ich Heidruns Fesseln und warf ihr das Inferno zu. Sie fing es und wehrte sofort den Angriff von Dagur ab, der sich nun mit seiner Streitaxt auf sie warf. Ich hastete zu Astrid, befreite sie von ihren Ketten und umarmte sie. Sie knickte um und ich half ihr wieder auf, führte sie aus dem Raum und warf Heidrun einen Blick zu. ,,Warte hier." Ich lief wieder in den Raum, warf mich gegen Dagur, der sich überrascht umdrehte und hart auf den Boden krachte. Schnell schnappte sich Heidrun seine Streitaxt und ich fesselte ihn mit Heidruns Fesseln. Er sah mich hasserfüllt an. ,,Es ist noch nicht vorbei Hicks! ES! IST! NOCH! NICHT! VORBEI!" Er robbte zu den Eisenketten an der Wand und versuchte die Fesslen zu lösen. Heidrun wollte ihn daran hindern, aber ich hielt sie ab. ,,Komm, wie müssen Astrid hier rausbringen. So schnell kann er sich nicht befreien." Wir liefen aus dem Raum und schlossen die Tür. Wir stützten Astrid und liefen ziellos durch die Gänge des Tunnelsystems. Plötzlich tauchte vor uns ein Berserker auf und richtete seinen Speer auf uns. ,,Halt, was macht ihr hier?!"

Schnell überlegte ich mir was. ,,Dagur hat uns befohlen, diesem Gang zu folgen." Ich zuckte mit den Schutern und überlegte kurz. ,,Aber wenn ich recht überlege, könnte das eine Falle sein. Wir sollten wieder zurück." Ich bedeuetet den anderen, umzukehren, und während wir uns umdrehten, versperrte uns der Berserker den Weg. ,,Nein, ihr geht jetzt weiter! Na los!" Ich wollte widersprechen, aber senkte dann geschlagen den Kopf und so gingen wir weiter. Der Berserker folgte uns noch ein paar Schritte, bis er irgendwann wieder seinen eigenen Weg einschlug.

,,Klasser Einfall, Hicks!" Heidrun lachte und auch ich musste schmunzeln. Astrid lachte ebenfalls kurz auf und stolperte. ,,Woher wusstest du eigentlich, dass Dagur so reagieren würde?" Ich zuckte mit den Schultern. ,,Ich war mir nicht sicher, aber so besessen, wie er von seinem Plan ist, Ohnezahn zu jagen, will er bestimmt nicht, dass jemand anders ihn hat." Mit gesenktem Kopf sprach ich weiter. ,,Deswegen sollten wir ihn jetzt suchen. Ich weiß nicht, wie deine Schwester ist, also weiß ich auch nicht, was sie mit Ohnezahn anstellen will."

Vor uns erhellte ein Lichtstrahl den Weg, ich deutete nach vorne und legte meinen Finger an meinen Mund. Beide nickten und so schlichen wir zu dem uns nähernden Ausgang. Wir liefen geradewegs hinaus und was uns dort erwartete, ließ unsere Münder offen stehen, weit weit offen stehen.

I won't let you goWhere stories live. Discover now